Donnerstag, 4. Februar 2016

#Größte #Union #Busting-Kanzlei der Welt jetzt in #Deutschland aktiv [via arbeitsunrecht.de] lesenswert!!!

 

 

Littler: Betriebsräte legal bestechen!

 
 
 

Die Kanzlei Littler Mendelson aus San Francisco ist mit ihren gut 1.000 Anwälten seit längerem die größte Union Busting-Kanzlei auf dem Globus. Sie ist die einzige der US-Großkanzleien, die sich ausschließlich auf Arbeitsrecht konzentriert. Im Oktober 2015 kaufte Littler als der „weltgrößte Vertretungsmanager für Arbeitsrecht und Beschäftigung", wie der in Europa bisher noch unbekannte Großmeister sich kurz selbst vorstellt (littler.com, 5.10.2015 ), die deutsche Arbeitsrechtskanzlei Vangard. Diese Kanzlei nennt sich „Arbeitsrechtsboutique" und hat bislang 21 Arbeitsrechtler unter Vertrag. Sie sind auf die Filialen in Hamburg, Berlin, Düsseldorf und München verteilt. Man will ab jetzt unter dem Namen „vangard – Member of Littler Global" auftreten.

Deutschland und Europa erschließen

Bestehende Kanzleien in anderen Staaten aufzukaufen, entspricht der üblichen Expansions-Strategie von US-Kanzleien. Vangard teilte stolz mit, dass man nun „an der weiteren Entwicklung der weltweit aufgestellten Arbeitsrechtsboutique Littler teilhaben" dürfe. Wir sind „das erste europäische Mitglied von Littler Global". Der Kauf ist auch vom Käufer strategisch angelegt: Von Deutschland aus will Littler schrittweise in ganz Europa Fuß fassen.

Der Markt für Union Buster in Deutschland und Europa ist offensichtlich noch gar nicht ausgeschöpft. Hier überkreuzen sich zwei Entwicklungen besonders intensiv, nämlich das vergleichsweise hohe Arbeitsrechts-Niveau und die intensiven ausländischen Investitionen in Westeuropa, insbesondere aus den USA – und deutsche und europäische Konzerne bauen ihre Niederlassungen in den USA weiter aus und wollen auch die dortigen niedrigen Arbeitsrechtsstandards und die Praktiken von Littler & Co nutzen.

Schon jetzt hat Volkswagen in Chattanooga/Tennessee Littler Mendelson PC damit beauftragt, eine erfolgreich verlaufene Wahl zur einer Gewerkschaftsvertretung durch die United Automobil Workers anzufechten, die Anfang Dezember 2015 in der Instandhaltungs-Abteilung des Werkers stattfand (neues deutschland, 5.12.2015).

Man könnte erstaunt fragen: Warum ist diese auf ihrem Gebiet weltweit führende US-Kanzlei bisher nicht in Europa vertreten – im Unterschied zu anderen US-Großkanzleien wie Latham & Watkins, DLA Piper, White & Case, Baker & McKenzie und Hogan Lovells, die in Deutschland schon seit Jahren große Arbeitsrechtsabteilungen mit Dutzenden von Anwälten eingerichtet haben?

Man kann den Einstieg Littlers auch als Vorgriff auf TTIP, CETA und TISA verstehen. Also, Kollegen & friends, aufgepasst!

Straßen von San Francisco: Vom Protest lernen

San Francisco, Januar 1977: Proteste gegen die Räumung des International Hotel im Stadtteil Manilatown. Im sogenannten "I-Hotel" konnten viele Arbeiter aus Asien über Jahre kostengünstig wohnen. (Quelle: Wikipedia)
San Francisco, Januar 1977: Proteste gegen die Räumung des International Hotel im Stadtteil Manilatown. Im sogenannten „I-Hotel" konnten viele Arbeiter aus Asien über Jahre kostengünstig wohnen. (Mehr dazu: Wikipedia)

Littler hat einen anderen Weg eingeschlagen als vergleichbare US-Kanzleien. Schon als ausschließliche Arbeitsrechtskanzlei ist sie in diesem Milieu etwas Besonderes. Die anderen Wirtschaftskanzleien haben jahrzehntelang von den üblichen Unternehmensaufträgen gelebt: Fusionen, Aufkäufe und Verkäufe von Unternehmensteilen (Mergers & Acquisitions), Kartell- und Handelsrecht, internationales Recht, Vertretung bei Schiedsgerichten und dergleichen.

Die typischen US-Wirtschaftskanzleien haben Arbeitsrecht erst seit etwa einem Jahrzehnt als ebenso lukratives Geschäftsfeld entdeckt, in Westeuropa, aber besonders in Deutschland.

Littlers Aufstieg begann zunächst im Umkreis ihres Standorts San Francisco. In Kalifornien, dem wichtigsten US-Staat der 68er-Protest- und Studentenbewegung, vollzog sich in den 1960er Jahren auch ein Aufschwung der Gewerkschaften: Da „mussten" Unternehmer sich wehren. Ebenso bot sich die Kanzlei an, gegen die neue Gesetzgebung vorzugehen, mit denen der Staat auf die Schwarzen- und Bürgerrechtsbewegung dieser Zeit reagierte. (littler.com , abgerufen 3.2.2016)

Betriebsräte und Arbeitsgerichte überflüssig machen

Mit den gegen die neue Gesellschaftskritik geschärften Methoden wuchs die Kanzlei über Kalifornien hinaus. In den 1990er Jahren errichtete die Kanzlei Filialen in etwa vier Dutzend US-Städten. Der Erfolg hatte auch damit zu tun, dass die Kanzlei sich von älteren, konfrontativen Begriffen und Methoden abwandte. Man sprach mit sanfter Zunge. Mit den Begriffen union busting (Belegschaftsvertretungen zerschlagen) und mit dem späteren, abgemilderten Begriff union avoidance (Belegschaftsvertretungen vermeiden), mit denen dieses Gewerbe früher warb und in der Provinz gelegentlich noch heute wirbt, hatte Littler – nach außen hin – nichts zu tun. Die Mitarbeiterschaft setzt sich multi-ethnisch zusammen. Schwarze und spanisch-sprechende Anwältinnen werden zahlreich eingestellt und können Miteigentümer (Partner) der Kanzlei werden, also neben ihren Gehältern und Boni noch am Gewinn des gewinnorientierten Rechtskonzerns (law firm) teilhaben.

Die gesellschaftliche Einordnung ist aber eindeutig: Man vertritt grundsätzlich nur Unternehmensvorstände und Führungskräfte. Auf der Website wird gegen „aggressiven staatlichen Zwang" und „eine Unmenge neuer Gesetze" polemisiert – diese Chuzpe muss man bei den niedrigen US-Arbeitsrechtsstandards erstmal haben!

Ziel ist es unter anderem, Gewerkschaften und Belegschaftsvertretungen und damit auch Tarifverträge überflüssig zu machen. Littler erstellt für Unternehmen Tarif-, Lohn- und Bonussysteme, organisiert private Mediation (Motto: möglichst keine öffentlichen Verhandlungen vor Arbeitsgerichten!), erarbeitet Ethik-Kodexe und trainiert Führungskräfte in Methoden der Human Resources (Beschäftigte als Unternehmer ihrer Arbeitskraft).

In den 2000er Jahren expandierte Littler global. Überall wo US-Konzerne ihre Montagearbeiten auslagerten und Niedrigstlöhner beschäftigten bzw. beschäftigen ließen, gründete Littler Niederlassungen: in den NAFTA-Staaten Mexiko und Kanada, in den mittel- und südamerikanischen Staaten Puerto Rico, Panama, Nicaragua, Costa Rica, Peru, Honduras, Kolumbien, El Salvador, Guatemala, Brasilien, Venezuela und natürlich im pazifischen Raum, vor allem in China und Japan. Großbritannien, Südafrika und Australien folgten. Was jetzt noch übrigbleibt, ist Kontinental-Europa. US-Investoren beklagen schon lange, dass hier die Löhne, die Gewerkschafts- und Betriebsratsrechte und der Kündigungsschutz zu hoch sind.

Im Krieg die Löhne niedrig halten!

Ob Littler auch mit Newspaper strike aktiv war?
Der Bürgermeister von San Francisco, Frank Jordan, trifft sich während des Zeitungsstreiks von 1994 mit mit Doug Cuthbertson und anderen Gewerkschaftsvertretern im Rathaus.

Aufschlussreich sind die Anfänge des Arbeitsrechts-Weltkonzerns. Gegründet wurde die Kanzlei während des 2. Weltkrieges, 1942, von Robert Littler. Er war bis dahin Mitglied des War Labor Board der US-Regierung, verantwortlich für die Region Kalifornien: Dort wurde die neue Rüstungsindustrie aufgebaut, die Großbritannien, die Sowjetunion und dann auch das US-Militär belieferte.
Robert Littler arbeitete in der Abteilung für „salary stabilization" (Lohnstablilisierung): der neutral klingende Begriff „Stabilisierung" bedeutete konkret, dass die Löhne und Gehälter möglichst nicht stiegen und dass nicht gestreikt wurde. Denn es bestand eine „Gefahr": Weil die boomende Kriegsindustrie großen Arbeitskräftebedarf hatte und die Gewerkschaften Auftrieb bekamen, „mussten" die Löhne der Lohnabhängigen mit staatlicher Hilfe niedrig gehalten werden. Daraus wurde der größte Boom der US-Wirtschaft. Eine profit stabilization gab es nicht – die Gewinne waren enorm.

Littler nahm zur Gründung der Kanzlei den stellvertretenden Generalstaatsanwalt von Kalifornien hinzu, Thomas Coakley: Für eine private Kanzlei ist es immer gut, hohe Staatsbeamte herüber zu holen. 1944 schloß sich Arthur Mendelson an, über den weder auf der Littler-Website noch im Internet Näheres zu finden ist.

Betriebsräte legal bestechen!

Die frisch gebackene Littler-Tochter Vangard vertritt – wie ihre neuen Herren – nur Unternehmensleitungen und Führungskräfte. Wie Littler tritt man nach außen nicht konfrontativ auf. Man will die deutschen Arbeitsrechte zugunsten der Unternehmensleitungen anders interpretieren als bisher oder, besser, sie unternehmerfreundlich verändern.

Vangard-Anwalt Stefan Röhrborn liefert dazu ein aufschlussreiches Beispiel. In der Zeitschrift ArbeitsRechtAktuell 2015, S. 573ff. setzt er sich mit dem § 119 des Betriebsverfassungs-Gesetzes (BtrVG) auseinander. Danach ist nicht nur die Behinderung von Betriebsräten eine sanktionsbewehrte Straftat, sondern auch die Begünstigung von Betriebsräten, etwa durch überhöhtes Gehalt, erhöhte betriebliche Altersversorgung, vergünstigte Darlehen, größeren Dienstwagen, kostenlosen Platz im Betriebskindergarten u.ä. Das ist in Deutschland durchaus nicht unüblich.
Der schlaue Anwalt argumentiert nun so: Solche Begünstigung ist zwar tatsächlich strafbar, dafür kann der Unternehmer oder der zuständige Personalchef sogar ins Gefängnis geschickt werden. Zudem sind solche Vergünstigungen auch noch anderweitig strafbar: Erstens nach § 266 des Strafgesetzbuches, als Untreue gegenüber dem Unternehmensvermögen, und zweitens nach § 299 des Strafgesetzbuches als Bestechung.

Das könnte also, wenn man es ernst nimmt, für Unternehmer gefährlich werden, meint Röhrborn. Da hat er recht. Aber er weiß auch Abhilfe: „Es gibt sicher gute Gründe, mit denen eine zusätzliche… Vergütung gerechtfertigt werden kann." Weil nämlich die Tätigkeit eines Betriebsrats eine „unternehmerisch sehr bedeutsame Tätigkeit" sei. Der Betriebsrat wirke an „gewichtigen Unternehmensentscheidungen mit", z.B. bei der Einstellung von Leiharbeitern, der Gestaltung von Vergütungssystemen und Arbeitszeitmodellen. Deshalb müsse ein Betriebsrat „auf Augenhöhe mit den Vertretern des Arbeitgebers" handeln können. Deshalb dürfe er als Fast-Mitunternehmer, ja müsse er auch mit Privilegien und Vergünstigungen ausgestattet werden dürfen.

Betriebsrat als Ehrenamt nach BetrVG ist nach Röhrborn überholt. Unternehmer sollen Betriebsräte gezielt fördern, das Amt könne als „Karrierebaustein" zu weiterem Aufstieg im Unternehmen gestaltet werden. Der vangard-Littler-Anwalt hat eine klare Empfehlung bereit, die, man beachte, mit schlüpfrigen Begriffen wie „transparenter Handlungskorridor" bestückt ist: „Den – meiner Wahrnehmung nach ganz überwiegend – lauteren Arbeitgebern  und Unternehmern, die die Betriebsratsarbeit ihrer unternehmerischen Bedeutung entsprechend wirtschaftlich fördern möchten, sollte der Gesetzgeber einen transparenten Handlungskorridor z.B. über die Möglichkeit, Sondervergütungen für Betriebsräte zumindest tarifvertraglich zu vereinbaren, gewähren."

Biester-Junker gegen Gleichberechtigung bei Birkenstock

Littler war 1901 noch nicht gegründet.
San Francisco 1901: Die Polizei eskortiert einen Streikbrecher der Transportfirma McNab & Smith zur Arbeit.

Die Aufmerksamkeit der juristischen Fachwelt erregte ein Verfahren im August 2015, in dem die Vangard-Anwältin Frauke Biester-Junker die Klage von 33 Mitarbeiterinnen des Öko-Latschenherstellers Birkenstock vor dem Arbeitsgericht Koblenz niederschlagen konnte. Diese hatten gegen Diskriminierung geklagt, weil bei Birkenstock Männer besser bezahlt würden (Az. 11 Ca 3481/14 u.a. | juve.de, 13.8.2015). Birkenstock in Neutstadt/Wied ist traditionell eine tarifvertragsfreie Zone, die über Jahrzehnte von einem patriarchalischen Management autoritär gelenkt wurde.

Littler fleddert Taylor Wessing, Kliemt & Vollstädt

Vangard war 2013 aus dem Zusammenschluss der Arbeitsrechtsboutiquen Röhrborn Biester Juli in Düsseldorf und Griebe in Hamburg mit der Praxis eines Taylor Wessing-Partners in München entstanden.

Zahlreiche Vangard-Anwälte kommen ursprünglich aus dem Stall von Taylor Wessing: Die US-Großkanzlei steht in der Biografie von Frauke Biester-Junker, Oliver Grimm (München), Alexander Bartz (Düsseldorf) und dem Hamburger Gründungspartner von Vangard, Thomas Griebe. Zum Jahresbeginn gelang es Vangard, Corinna Verhoek von der als aggressiv bekannten Arbeitsrechtskanzlei Kliemt & Vollstädt aus Düsseldorf abzuwerben (juve.de, 5.1.2016 ).

 

Quellen / Links


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