Mittwoch, 16. September 2015

Corbyn: "Vor allem hat sich gezeigt, dass #Millionen #Menschen eine #echte #Alternative #wollen ."

 

Corbyn: „Vor allem hat sich gezeigt, dass Millionen Menschen eine echte Alternative wollen …"

 
[via Nachdenkseiten]
 

Am 13. September erschien ein Artikel des neuen Labour-Vorsitzenden im Guardian. Carsten Weikamp hat diesen Beitrag für die NachDenkSeiten übersetzt. Danke und das ist gut so, weil darin einige weiterführende Äußerungen Corbyns enthalten sind. Sie finden unten diesen Text und dann noch einige wenige Leserbriefe zum Thema und zu meinem Beitrag von gestern.

Albrecht Müller.

„Großbritannien kann sich nicht zu Wohlstand sparen. Wir müssen ihn schaffen."

von Jeremy Corbyn, Sonntag, 13. September 2015

Quelle: the guardian

(Übersetzt für die NachDenkSeiten von Carsten Weikamp)

Die Wahl der Labour-Parteiführung war eine außerordentliche Demonstration von Basisdemokratie und öffentlicher Beteiligung, die die konventionellen Vorstellungen von Politik auf den Kopf gestellt hat. Wir haben hunderttausende Menschen aller Altersstufen und Hintergründe überall im Land erreicht, weit über die langjährigen Aktivisten und Mitstreiter hinaus.

Wer kann jetzt noch ernsthaft behaupten, dass sich junge Leute nicht für Politik interessieren, oder dass es kein Interesse für Politik gibt?

Vor allem hat sich gezeigt, dass Millionen Menschen eine echte Alternative wollen, nicht „business as usual", sowohl innerhalb als auch außerhalb der Labour-Partei.

Die Hoffnung auf Veränderung und das Einbringen großer Ideen ist jetzt in die Politik zurückgekehrt: Beenden der Austerität, Beseitigen von Ungleichheit, Streben nach Frieden und sozialer Gerechtigkeit im In- und Ausland. Dafür war die Labour-Partei vor mehr als einhundert Jahren gegründet worden.

Diese Wahl hat dem Gründungsauftrag eine neue Kraft für das 21. Jahrhundert gegeben: eine Labour-Partei, die den 99% eine Stimme verleiht.

Die Deutlichkeit der Wahl vom Samstag ist ein unmissverständliches Mandat eines demokratischen Aufschwungs, der bereits eine soziale Bewegung geworden ist. Ich bin geehrt und demütig angesichts des Vertrauens, das unsere Mitglieder und Unterstützer in mich setzen, und ich werde alles geben, das ich habe, um dieses Vertrauen zurückzuzahlen.

Wir haben auf der Grundlage von Themen, nicht Personen, gekämpft und gewonnen, ohne Schmähungen und Groll. Um jeden Zweifel absolut auszuräumen: Unter meiner Führung soll es um Einheit gehen, darum, alle Talente einzubinden – die Hälfte meines Schattenkabinetts ist mit Frauen besetzt – und auf jeder Ebene der Partei zusammenzuarbeiten.

Unser Ziel ist, die hunderttausende, die sich an den Parteiführungswahlen und der Londoner Bürgermeisterwahl beteiligt haben, ins Herz der Partei zu schließen. Wir werden Erfolg haben, wenn wir Labour wieder zu einer Bewegung machen.

Es geht auch darum, die Demokratie wieder an die Macht zu bringen. Es wird keine Erlasse der Führung von oben herab geben. Meine Führung wird darin bestehen, Ideen aus allen Ebenen der Partei und der Labour-Bewegung zusammenzuführen, von den Hinterbänken wie aus den vorderen Reihen. Sich inspirieren zu lassen aus einer enorm erweiterten Partei in den Gemeinden und jedermanns Talente zu nutzen, um politischer Konzepte zu entwickeln, die Angriffe der Regierung auf die Gemeinden abzuwehren und Unterstützung für den politischen Wechsel aufzubauen.

Wir können eine neue Art Politik machen: gütiger, respektvoller, aber auch mutig. Wir machen Dinge möglich, indem wir für Veränderung werben. Wir können Meinungen ändern, wir können Politik ändern, wir können die Dinge besser machen.

Die wichtigste Botschaft meiner Wahl für die Millionen, die wir brauchen, um Labour zu wählen und die Tories aus dem Amt zu verdrängen, ist, dass die Partei nun unmissverständlich auf ihrer Seite ist. Wir kennen die Hoffnung, und wir wissen, dass wir unsere Bestrebungen nur gemeinschaftlich realisieren können.

Jeder strebt nach einem bezahlbaren Heim, einem sicheren Job, besserem Lebensstandard, verlässlicher Gesundheitsversorgung und einer anständigen Rente. Meine Generation hat das für selbstverständlich gehalten, und das sollen auch die zukünftigen Generationen.

Die Konservativen führen gerade ein Gewerkschaftsgesetz ein, das es für Arbeiter schwerer machen wird, auf der Arbeit eine faire Behandlung zu bekommen, für eine gerechte Bezahlung und eine bessere Work-Life-Balance zu kämpfen. Gewerkschaften sind eine Kraft des Guten – eine Kraft für eine gleichere Gesellschaft. Vereint wird Labour gegen diese antidemokratische Attacke auf Gewerkschaftsmitglieder stimmen.

Am Dienstag wird die Regierung Verordnungen auf den Weg bringen, die Steueranrechnungen aufheben, wodurch tausende arbeitender Familien schlechter dastehen werden. Steueranrechnungen sind ein wichtiger Rettungsanker für viele Familien, und Labour wird sich diesen Kürzungen entgegenstellen.

Auch ist klar, dass uns der Premierminister bald wieder bitten wird, Syrien zu bombardieren. Das wird Flüchtlingen nicht helfen, das wird mehr Flüchtlinge erzeugen.

Isis ist völlig verabscheuungswürdig, und Präsident Assads Regime hat entsetzliche Verbrechen begangen. Wir müssen aber auch gegen die saudischen Bomben auf den Jemen sein und gegen die Diktatur im Bahrain, die ihre demokratische Bewegung mit von uns gelieferten Waffen ermordet.

Unsere Rolle wird sein, für Frieden und Abrüstung überall auf der Welt zu werben.

Für die Konservativen ist das Haushaltsdefizit nur eine Entschuldigung, um immer weiter die gleiche alte Tory-Agenda durchzupeitschen: Löhne herunterzufahren, Steuern für die Reichsten zu kürzen, zuzulassen, dass Hauspreise ins Unermessliche steigen, unser Staatsvermögen zu verkaufen und die Gewerkschaften anzugreifen. Man kann sich den Weg zum Wohlstand nicht bahnen, man muss ihn schaffen: in moderne Infrastruktur investieren, in Menschen und ihre Fähigkeiten, innovative Ideen nutzen und neue Wege finden, den Klimawandel anzugehen, um unsere Umwelt und unsere Zukunft zu schützen.

Unsere Aufgabe ist, zu zeigen, dass die Wirtschaft und unsere Gesellschaft so gestaltet werden können, dass sie für alle taugen. Das heißt, sicherzustellen, dass wir gegen Ungerechtigkeit aufstehen, wo immer wir sie antreffen, und für eine fairere und demokratischere Zukunft zu kämpfen, die die Bedarfe aller erfüllt.

Die humanitäre Antwort gewöhnlicher Menschen in ganz Europa in den vergangenen Wochen hat das Verlangen nach einer anderen Art Politik und Gesellschaft gezeigt. Die Werte von Mitgefühl, sozialer Gerechtigkeit und Internationalismus sind im Kern der demokratischen Eruption in Labours stark ausgeweiteten Reihen.

Diese Werte sind tief in der Kultur der britischen Bevölkerung verankert. Unser Ziel ist jetzt, dafür zu sorgen, dass der Geist und Hunger nach Veränderung, der die Unterstützung der Labour-Partei gewonnen hat, ganz Großbritannien erfasst.

Leserbriefe zur Vorsitzendenwahl für die Labour Party und zu diesem Beitrag in den NachDenkSeiten:

Verehrte Redaktion,

ich finde bezüglich der Wahl Corbyns zum Labour-Chef auch die Reaktion von Mr. Cameron extrem bezeichnend; das solltet ihr vielleicht noch einbauen.

Er bezeichnet Labour nämlich als Gefahr für die nationale Sicherheit, die Wirtschaft(!) und die Familien.

Und zwar hier.

Das sollte man der Nachwelt nicht vorenthalten, wie ich finde.

mfG

Arndt St.

Sehr geehrter Herr Müller,
vielen dank für die in Ihrem Beitrag enthaltenen notwendigen Klarstellungen.
Wie erwartet liegt der Haupttenor der Medien hier in Frankreich (mit wenigen Ausnahmen) auf der gleichen Linie: „linksradikal", „rückwärtsgewandt", „loony left", usw.
Grüße aus Frankreich.
L. Torrès
PS. Übrigens erinnert Corbyns Eintreten für eine „decent society" sehr stark an Orwells Begriff der von den kleinen Leuten gepflegten „common decency".

Hallo Herr Müller,
zunächst vielen Dank für die umfassende Beschreibung des neuen Labour-Chefs, die sich abhebt von den herabwürdigenden Äußerungen der „Qualitätsmedien". Die Meldung In der Tagesschau am 12. 09. war ebenso tendenziös und hat mich geärgert. Sofort wurde eine Stärkung der Konservativen herbeiprophezeit.
Alle Politiker, die sich von der neoliberalen Linie der führenden Sozialdemokraten in Europa positiv abheben, werden sofort als Spinner oder Utopisten bezeichnet (s. auch Alexis Tsipras oder Pablo Iglesias Tourrion).
Ich hoffe, dass diese Genossen sich bei den jeweils anstehenden Wahlen durchsetzen können und eine wirksame Gegenposition zu der neoliberalen Politik in Europa, insbesondere gegen TTIP, Ceta und Tisa sowie in der Steuer- und Militärpolitik beziehen und auch durchsetzen.
Und vor allem sollte sich unsere SPD durchringen, von ihrer teilweise verfehlten Politik in der GroKo etc. endlich Abstand zu nehmen und sich mit diesen Bewegungen zu solidarisieren anstatt sie zu verteufeln.
Mit freundlichen Grüßen
Peter B.

Beitrag über Jeremy Corbyn
Sternstunde
Gerhard G.

Danke für die Reaktionen, A.M.




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