Donnerstag, 18. Juli 2013

--->>> Digitale Tagelöhner: Davon kann niemand leben [via Nachdenkseiten]


 
Digitale Tagelöhner: Davon kann niemand leben
 
[via Nachdenkseiten]
 
 

 
 

Schon einige Millionen Nutzer sind auf Plattformen wie Freelancer.com, Amazon Mechanical Turk oder Guru gemeldet. Alleine bei der US-Plattform TopCoder haben etwa 480.000 Softwareentwickler, Mediengestalter und sonstige Spezialisten ihr Profil hinterlegt, mehr als jeder Zweite aus Asien. Fett hervorgehoben ist auf der Internetseite der Hinweis an die Kunden, niemand müsse angestellt werden. Auf solchen Plattformen können Unternehmen mit einem offenen Aufruf Aufträge vergeben. Wer sich meldet, der hilft dabei, die Aufgabe zu lösen – unabhängig von den anderen.
 
Der Auftraggeber sucht sich zum Schluss eine Lösung aus. Es drohe die massenhafte Vernichtung guter, sicherer und hochqualifizierter Arbeitsplätze und eine verheerende Konkurrenz von Arbeitskräften, warnt Bert Stach, bei der Gewerkschaft Verdi für IT-Unternehmen zuständig. "Das Prinzip der Verlagerung von Arbeit kann einen Großteil der Stellen der knapp 900.000 Beschäftigten der IKT-Branche in Deutschland treffen", warnen in dem Berliner Crowdsourcing-Cloudworking-Papier Arbeitnehmervertreter, unter anderem von HP, T-Systems, SAP und IBM Deutschland.

Die Globalisierung verändert die Arbeitswelt, wieder einmal: Textilfabriken wanderten schon in den Sechzigerjahren von Europa und den USA in den Süden, später folgten andere Industrien. Heute stehen dort die Werkbänke für viele Produkte. Seit den Neunzigern verlagerten Unternehmen dann auch Dienstleistungen wie die Entwicklung von Software, die Betreuung von IT-Netzen oder Callcentertätigkeiten in den Süden. Sie ersetzten festangestellte Belegschaften im Norden durch solche im Süden oder vergaben Aufträge an Subunternehmer mit festen Belegschaften. Bei der Auslagerung über spezielle Internetplattformen werden dagegen Teile der Kernbelegschaften ersetzt durch einzelne Selbständige, die im Wettbewerb stehen – das ist neu. Jeder Einzelne kämpft um Aufträge, ob aus Johannesburg, Frankfurt oder São Paulo. Es drohe ein Unterbietungswettbewerb, warnt Stach.
 
Etwa 145 Dollar habe ein Einzelner bei Freelancer.com im Schnitt in den vergangenen fünf Jahren verdient, also knapp 30 Dollar im Jahr, "davon kann niemand leben", sagt er. Es gibt verschiedene Entlohnungsmodelle für diese Auftragsarbeiter. Bei einigen Plattformen erhalten sie für einen Mikrojob einen vorher angegebenen Betrag, so wie bei Clickworker. Andere setzen auf Wettbewerb, beispielsweise das Unternehmen 99 Designs, welches Büros in San Francisco, Melbourne, Berlin, Paris und London unterhält. Dafür fertigen weltweit Grafiker Entwürfe auf Kundenanfragen, ob für die Gestaltung einer Visitenkarte, eines T-Shirts oder einer Website. Bezahlt wird gewöhnlich nur derjenige, dessen Entwurf der Kunde kauft – wer auf Platz zwei oder drei landet, geht leer aus.
 
Grundsätzlich eignet sich jede Tätigkeit, um sie unabhängig von Zeit und Raum zu erbringen – auch qualifizierte Jobs wie Programmieren oder Konstruieren.
 
Der amerikanische IT-Dienstleister IBM gehört zu den Pionieren und will Teile seiner Arbeit in Zukunft von solch einem Heer Freiberufler erledigen lassen. Die Vorteile der neuen Arbeitsorganisation für eine Firma hat ein IBM-Manager bereits 2010 in einer US-Fachzeitschrift aufgeführt: Es gäbe keine Gebäudekosten, keine Renten und keine Kosten für das Gesundheitswesen, was enorme Einsparungen ermögliche. Das seien Arbeiten ohne irgendeine soziale Absicherung, warnt Stach und mahnt politische Reformen an, ein Vorbild könne die Künstlersozialkasse sein, über die in Deutschland freiberufliche Künstler und Autoren sozialversichert sind, auch weil
Quelle: SZ

Anmerkung Orlando Pascheit: Die Umsetzung des Vorschlags von Bert Stach, einer speziellen Sozialkasse, ist sicherlich hilfreich, ändert aber nichts an der zentralen Aussage: Davon kann niemand leben.



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