Freitag, 21. Juni 2013

Wie kommt es zu einer Betreuung?Man denkt, dass es nur alte Menschen betrifft, ganz und gar nicht. [sehr sehr lesenswert!!!]


 
 
Wie kommt es zu einer Betreuung?
 
Geschrieben von: Maria T. - https://linksunten.indymedia.org
 
[via Linke Zeitung]
 
 

 
 
Man denkt, dass es nur alte Menschen betrifft, ganz und gar nicht. Es geht auch um junge Menschen, die Probleme mit dem Job-Center haben, Personen die wegen Krankheit Erwerbsunfähigkeitsrente oder Sozialhilfe beantragen oder um Eheleute und deren Kinder im Sorgerechtsverfahren. Schneller als man gucken kann, hat man eine Betreuung.

Hierzu Beispiele:

  • Ein Nachbar fühlt sich von unangenehmen Gerüchen belästigt  z.B.: Lammkottlets grillen im Garten oder auf dem Balkon. Oder die Putzfrau verwendet evtl. ein anderes Putzmittel, dass etwas anders „duftet", als das andere davor, so dass ein anderer Duft aus der Wohnung des Betroffenen dringt. Zusätzlich fühlt der Nachbar sich auch durch dessen bisweilen „merkwürdiges Verhalten" gestört, weil der Betroffene einen anderen Tag und Nacht Rhythmus hat und nicht grüßt. Deshalb beschwert sich der Nachbar beim Vermieter. Der Vermieter wendet sich mit Anschreiben an das Gesundheitsamt. Der dortige Sozialpsychiatrische Dienst wird tätig. Nach mehrfach fehlgeschlagenen Anschreiben, abgelehnten Haus und Wohnungsbesichtigungen, um mit dem Betroffenen zu sprechen und zu klären, welcher Hilfe Dritter er bedarf, wendet sich der Sozialpsychiatrische Dienst an das Betreuungsgericht.
  • Ein älterer Mensch wird zunehmend „verwirrt und hilfsbedürftig". Die Pflegekräfte oder die eigenen Angehörigen halten den Aufenthalt in der Wohnung für ausgeschlossen und beabsichtigen die Verlegung in ein Pflegeheim. Da der ältere Mensch nicht zustimmt, wird vom Pflegedienst/Angehörigen der Antrag auf Betreuungseinleitung beim Betreuungsgericht gestellt.
  • Auch junge Menschen sind davon nicht ausgeschlossen, die ihre Angelegenheiten nicht regeln können, Probleme mit den Anforderungen des Job-Centers nicht nachkommen z.B: Bewilligung des Hartz 4 Satzes, der abgelehnt wird; Mietzahlungen werden eingestellt, weil „die Wohnung zu groß ist" etc.,. Die Person muss dann beim Sozialpsychiatrischen Dienst vorstellig werden und wird vom dortigen Psychiater begutachtet, warum die Person um den Erhalt der Wohnung kämpft.
  • Oder eine Person beantragt Sozialhilfe bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente, weil dieser Mensch aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten gehen kann. Dann wird das geprüft und begutachtet von einem Arzt des Sozialpsychiatrischen Dienstes, der dann die Möglichkeiten des betreuten Wohnens in einer Einrichtung vorschlägt.
  • Auch Familien sind betroffen bei Eheprobleme, wie Scheidungen, insbesondere wenn es um die Kinder geht, die bei einem Elternteil leben und unter der Aufsicht des Jugendamtes stehen. Da ist denn nun der Vater, dem ein sozialpsychiatrisches Gespräch angeboten wird, weil er angeblich das Kind „verwahrlosen" lässt, und sich dem Arzt vom Sozialpsychiatrischen Dienst erklären muss, weil seine Ex-Ehefrau so etwas beim Sozialpsychiatrischen Dienstes erzählt hat.

In diesen Fällen kann der Sozialpsychiatrische Dienst eine Betreuung beantragen. Zuständig ist das Amtsgericht, in dem die Person wohnt. Das Betreuungsgericht prüft die Sache und beauftragt einen  Psychiater mit der Erstellung eines Gutachtens, unter anderem zu folgenden Fragen:

1. Welche Erkrankung liegt bei dem Betroffenen vor?

2. Ist es aufgrund dieser Erkrankung ausgeschlossen, dass er seine Angelegenheiten selbst wahrnimmt oder in der Zukunft selbst wieder wird wahrnehmen können?

3. Ist die Bestellung eines Betreuers und gegebenenfalls mit welchen Aufgabenkreisen erforderlich?

Bei dieser Begutachtung spielt die bisherige Einschätzung des Sozialpsychiatrischen Dienstes und dessen „Erfahrung" mit der betroffenen Person eine große Rolle (d.h. die Beschwerden der Nachbarn, Aktenvermerk über jeden Kontaktversuch zum Betroffenen, Aktenvermerk über jedes Telefongespräch). Erfahrungsgemäß verlässt sich das Gericht auf die Einschätzung des Sozialpsychiatrischen Dienstes und das so erstellte psychiatrische Gutachten entscheidet nach Lage der Akten, ohne den Betroffenen auch nur gesehen zu haben.

Bei der Bestellung des Betreuers legt das Gericht die Aufgabenkreise fest, innerhalb derer der Betreuer für den Betroffenen handeln darf. Allerdings kann der Aufgabenkreis niemals höchstpersönliche Angelegenheiten erfassen, wie etwa die Eheschließung, die Errichtung eines Testaments oder die Ausübung des Wahlrechts.

Gebräuchliche Aufgabenkreise sind:

  • Vermögenssorge
  • Vertretung gegenüber Gerichten und Behörden
  • Wohnungsangelegenheiten
  • Sorge für die Gesundheit
  • Aufenthaltsbestimmungsrecht
  • Postangelegenheiten und andere mehr

Aufenthaltsbestimmungsrecht bedeutet, der Betreuer bestimmt anstelle der Person, ob diese  weiter in ihrer Wohnung wohnen bleiben darf oder in einer Einrichtung oder in der Psychiatrie  leben muss. Dabei kommt es nicht mehr darauf an, ob die Person allgemeingefährlich oder selbstmordgefährdet ist. Stimmt der Betreuer einem Wechsel des Aufenthaltsortes zu, gilt dies als Einwilligung der betroffenen Person. Der eigene Wille der Person zählt nicht mehr, wie früher bei der Entmündigung.

Die Gesundheitsvorsorge bedeutet, dass der Betreuer bestimmen kann, dass die Person sich psychiatrisch behandeln lassen muss, ambulant oder in der offenen oder geschlossenen Psychiatrie; der Person Psychopharmaka verabreicht werden, auch wenn sie diese wegen der erheblichen Nebenwirkungen auf Körper und Psyche ablehnt; über Auflagen wie Wohlverhalten, regelmäßig beim Sozialpsychiatrischen Dienst vorsprechen, Sozialverhalten ändern, etc..

Wohnungsangelegenheiten bedeutet, der Betreuer hat das Recht, unabhängig vom Willen der betroffenen Person seinen Mitvertrag zu kündigen und die Wohnung aufzulösen. Plötzlich sieht die Person sich wohnungslos. Das passiert besonders oft mit alten Menschen, die zur Behandlung für einige Zeit ins Krankenhaus müssen und deren Betreuer schon einmal vorsorglich die Wohnung kündigt, weil er der Ansicht ist, die Person solle in ein Altenheim umziehen, ohne diese Person auch nur zu fragen, ob sie das auch will.

Vermögensvorsorge heißt, der Betreuer kann über die Einkünfte und das Vermögen der Person bestimmen, sprich: wann und wie viel Geld die Person erhält und wofür sie es ausgeben darf. Er kann an die Altersrücklagen herangehen, z.B. Lebensversicherungen, Sterbegeldversicherungen etc. kündigen und das Geld für eine Heimunterbringung zu verwenden. Das ist dann völlig legal. Der Wille des Betroffenen spielt keine Rolle mehr. Denn aus dem Erlös der Versicherungen können die Kosten der Unterbringung ins Heim schon mal gezahlt werden.

Man sieht, wie weitreichend die Befugnisse eines Betreuers sind und wie sehr es auf die Person des Betreuers ankommt, dass er zum Wohle der betroffenen Person handelt und sich nicht von Ämtern, Gerichten und dem Sozialpsychiatrischen Dienst unterkriegen lässt.

Als Betreuer werden nach dem Willen des Gesetzgebers vorrangig Angehörige, ehrenamtliche Betreuer, Betreuungsvereine oder Berufsbetreuer bestellt. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass für den Betroffenen jemand bestellt wird, den er nicht kennt, weil andere geeignete und bereite Personen nicht zur Verfügung stehen oder zur Verfügung stehen wollen. 

Ein gesetzlicher Betreuer ist eine fremde Person, der die betreute Person nicht kennt, wird eher geneigt sein, dem Vorschlag des Sozialpsychiatrischen Dienstes zu folgen und einer Unterbringung der betreuten Person zuzustimmen, damit er sich nicht haftbar macht. Zudem erhalten die Betreuer mehr Geld vom Staat, wenn die Person in einer Einrichtung untergebracht ist, anstatt zu Hause und es ist für den Betreuer weniger Arbeit, da die Person im Heim den ganzen Tag unter Aufsicht steht und es nicht mehr viel zu regeln gibt.

Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht

Machen Sie deshalb eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht, machen, damit Sie für den Fall der Fälle selbst bestimmt haben, wer für Sie handeln darf und das Gericht keinen anderen Betreuer mehr bestellen kann. Daher sollte man zu seinem Hausarzt gehen  und sich in einem Attest die Geschäftsfähigkeit bescheinigen lassen und eine Vertrauensperson in die Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht eintragen, die nicht daran interessiert ist, Sie in  eine Einrichtung zu bringen und Ihren Willen respektiert.

Noch besser ist es, diese Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht vor einem Notar abzugeben, d.h. nicht nur beglaubigen, sondern beurkunden zu lassen, weil der Notar bei der Beurkundung die Geschäftsfähigkeit zusätzlich bescheinigt. Dann kann der Sozialpsychiatrische Dienst später nicht behaupten, man sei bei Verfassung der Patientenverfügung und der Vorsorgevollmacht schon nicht mehr in der Lage gewesen, eine solche Erklärung rechtswirksam abzugeben.

Die Vorsorgevollmacht – egal ob selbst verfasst oder notariell beurkundet – kann und sollte man bei der Bundesnotarkammer zentral registrieren lassen. Das kann man selbst tun und kostet derzeit 15 €. Das dort geführte Register dient der Information der mit der Betreuung befassten Stellen, damit sie wissen, dass schon eine Vorsorgevollmacht besteht und kein Betreuer notwendig ist. 

Dieses Formular gibt es als PDF zum Herunterladen: 
www.patverfue.de/formular‎ und Bundesnotarkammer: www.vorsorgeregister.de

Hat man schon Ärger mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst, empfiehlt es sich, diesem die Patientenverfügung zu zusenden mit der Aufforderung, zukünftige Kontaktaufnahmen zu unterlassen, per Rechtsanwalt zuzusenden.  Wird dies vom Sozialpsychiatrischen Dienst nicht akzeptiert, kann man dies im Gerichtswege durchsetzen.

 

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