Montag, 21. Januar 2013

--->>> Die deutsche Medienlandschaft [via tantejolesch.at]


Thomas Lukscheider

Die deutsche Medienlandschaft

[via tantejolesch.at]

 


Betrachtet man die Medienkonzentration in Deutschland, fühlt man sich an die Machtverhältnisse erinnert, wie sie bis Ende des letzten Jahrhunderts in Lateinamerika herrschten. Die Oligarchie sammelt sich in zwei Blöcken, in denen mächtige "Familienclans" das Sagen haben. Da gibt es einmal den "Schwarzen Block", rechtsreaktionär bis klerikal-bigott, angeführt vom Axel-Springer-Verlag, im Kielwasser Burda und die Medien-Union. Ihnen gegenüber steht der "Gelbe Block" mit dem Bertelsmann-Imperium samt Gruner+Jahr, der WAZ-Gruppe und Holtzbrinck. Zwischen den beiden neoliberal getrimmten Armadas dümpelt der Verlag Dumont Schaumburg hin und her.


Die beiden Konglomerate sind vielfach verflochten, verschwistert und verschwägert mit den Größen aus Hochfinanz und Industrie. Der reaktionäre "Schwarze Medienblock" unterstützt - oder besser dirigiert - vor allem die Union, der "Gelbe Medienblock" steht der rechten SPD und den Wirtschaftsliberalen in der FDP nahe, genauer: Er gibt ihnen die Themen vor. Der Einfluss dieser Mediengiganten reichte immer schon bis in die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten und spiegelte sich noch stärker in den Privatsendern wider. Die ARD war und ist Schröder-lastig, das ZDF hat eine klare Tendenz zu Union und FDP.


So ist die Medienmacht verteilt


Den schwarzen Medienblock führt der Axel-Springer-Verlag mit einem Jahresumsatz von rund 2,5 Milliarden Euro an. Er bringt es mit der "Bild"-Zeitung immerhin noch auf eine Auflage von 3,4 Millionen Exemplaren (bis in die achtziger Jahre waren es um die 5 Millionen) und seit 1986 auch auf 109 Rügen des Deutschen Presserats. "Coupe" und "BZ", ebenfalls ein Springer-Blatt, folgen im weiten Abstand mit je 15 Rügen. Rund 1,5 Milliarden Euro Umsatz macht Burda pro Jahr. Das Hauptorgan des Verlags, das Magazin FOCUS, liegt bei rund 700.000 Auflage. Der Medien Union mit 0,8 Mrd. Umsatz gehören solche Blätter wie die "Rheinpfalz", die Stuttgarter Zeitung und deren lokale Konkurrenz, die Stuttgarter Nachrichten.


Der "gelbe Medienblock" wird dominiert von der Bertelsmann-Gruppe. Ihr gehören so illustre Sender wie RTL, VOX und n-tv. Geschätzter Umsatz des Medienriesen: 7 bis 10 Milliarden Euro. Die Verlagsgruppe Holtzbrinck mit einem Umsatz von rund 2 Milliarden Euro gibt unter anderem solche immer noch von Seriosität umwehte Blätter wie den "Tagesspiegel" (Auflage 200.000) und die "Zeit" (Auflage 500 000) heraus. Die ehrwürdige Patina zeigt jedoch hin und wieder Risse, vor allem dann, wenn es um korrekte Berichterstattung über die LINKE geht. Was nicht wundert, denn in den Entscheiderpositionen der "Zeit" sitzen Leute wie der SPD-Rechtsaußen und Schröder-Intimus Michael Naumann.


Das Verlagshaus Gruner+Jahr (Umsatz ca. 3 Mrd.) galt lange Jahre als Hort eines unabhängigen Journalismus, der sich auch für die Schwächsten und die Außenseiter der Gesellschaft engagierte. "Spiegel" und "stern", die beiden Flaggschiffe des Verlags, hatten in der Ära Willy Brandt je knapp 2 Mio. Auflage und bildeten ein Gegengewicht zum Kampagnen-Journalismus der Springerpresse. Das hat sich geändert. Die Auflagen der beiden Magazine haben sich inzwischen halbiert, und die Online-Ausgaben der beiden Blätter fallen - wenn überhaupt - meist unangenehm wegen ihres billigen Sozialzynismus auf.


Schließlich kreuzt im "gelben" Medienkonvoi noch die WAZ-Flotte mit einem Jahresumsatz von über 3 Mrd. Neben dem "Goldenen Blatt", "Gong" und "Echo der Frau" gehören zum WAZ-Imperium Dutzende von Tageszeitungen, vor allem im Westen, Norden und Osten der Republik mit einer Gesamtauflage von 2,5 Mio. So auch die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" (von ihr ging die Konzentration aus, daher der Name WAZ), die "Sächsische Zeitung", die "Braunschweiger Zeitung", die "Rhein/Ruhr-Zeitung", die "Westfalenpost", die "Thüringer Allgemeine" und die "Westfälische Rundschau", um nur einige wenige zu nennen.


So mancher würde sich wundern wenn er wüsste, wem seine Tagezeitung in Wirklichkeit gehört und meinungsmäßig zu Tribut verpflichtet ist. Wolfgang Clement war lange Jahre stellvertretender Chefredakteur der "Westfälischen Rundschau". Bis heute unterhält er glänzende Kontakte zur Kommandobrücke des WAZ-Imperiums und spielt das Scharnier zwischen Mediengigant, Atomlobby und rechter SPD.


Hin und her zwischen der schwarzen und der gelben Variante neoliberaler Meinungsmache pendelt das Verlagshaus Dumont Schaumburg. Der Konzern bringt es auf 0,5 Mrd. Jahresumsatz und besitzt als regionaler Monopolist gleich drei Blätter in Köln, "Express", Kölner Rundschau und Kölner Stadt-Anzeiger. Außerdem hält Dumont Schaumburg 50 Prozent plus eine Aktie an der Frankfurter Rundschau. Im Aufsichtsrat des Konzerns sitzt übrigens kein Geringerer als …, richtig geraten, Wolfgang Clement.


Früher galt die Frankfurter Rundschau als linksliberales Blatt. Heute schreibt ein Karl Doemens vom Handelsblatt dort Leitartikel. Zum Beispiel letzten Sonntag über den Parteitag der Saar-LINKEN, übertitelt mit der Gruselzeile "In Lafontaines Bann". Doemens unterstellte der LINKEN, eine "programmlose Partei" zu sein und Lafontaine nennt er einen "begnadeten Demagogen" – exakt die Wortwahl Peter Müllers, des politischen Konkurrenten von der CDU.


Derselbe Karl Doemens meinte übrigens Anfang des Jahres im "Handelsblatt": Die gesetzliche Rentenversicherung ist in diesem Jahrzehnt durch massive Einschnitte stabilisiert und zukunftsfest gemacht worden. (...) Um ein Fünftel wird das Leistungsniveau bis 2030 sinken." Zu diesem Zugang kann man der Frankfurter Rundschau nur gratulieren.


Öde Talsenke unter Meeresniveau


So weit Fakten, Zahlen und Zusammenhänge. Wenden wir uns dem Geistigen zu. Ganz generell kann man die aktuelle deutsche Medienlandschaft mit einer riesigen Talsenke unter Meeresniveau vergleichen. Die Gegend um das Tote Meer bietet sich als Beispiel an. Einöde und Verkalkung bestimmen das Bild. Die mangelnde Meinungsvielfalt und Frische in den großen deutschen Medien erklärt sich zu gleichen Teilen aus den Besitzverhältnissen, dem Altersstarrsinn der Herausgeber und der Stromlinienform der meisten Chefredakteure.


Das von der Alltagsrealität kaum getrübte Ambiente mancher Höflinge im Dunstkreis der Verlegerfürsten führt zu einer Art Rokkokomentalität. Das "niedere" Volk wird als dumm und dumpf karikiert, die Grundbedürfnisse nach Auskommen und Selbstwertgefühl werden als "Anspruchsdenken" diffamiert. Demokratische Opposition gegen die Demontage sozialer und bürgerlicher Rechte wird als ungehöriges Verhalten verunglimpft.


Zwei Beispiele: "Millionen Deutsche", so Reinhard Mohr Anfang des Jahres in "Spiegel Online" "gieren nach Glanz und Glamour". Sie hätten einen Zumwinkel nicht nur verdient, sondern geradezu erzeugt, meint der Starautor des Hamburger Nachrichtenmagazins. Menschen wie Zumwinkel, so Mohr weiter, seien in Wahrheit die "Halbgötter für Hartz-IV-Hütten".


Mohrs Kollege beim "Spiegel", Carsten Volkery, zeigt sich seit jeher von Hartz IV begeistert. "Wie die rote Daggi von Hartz IV profitiert" - gemeint ist Dagmar Enkelmann - überschreibt der "Spiegel"-Frontmann einen seiner Artikel aus dem Jahr 2004 und teilt uns mit: "Die PDS-Kreisverbände nutzen die Steilvorlage der SPD und schüren den Volkszorn nach Kräften. Sie bieten Hilfe beim Ausfüllen der Bewerbungsbögen und verteilen Postkarten, auf denen steht: 'Von 331 Euro kann man nicht leben' - darüber ein Bild von Gerhard Schröder mit dicker Zigarre und VW- Phaeton." Organsierter Widerstand und Protest gegen Hartz IV? Für Carsten Volkery ist so etwas einfach nur ungehörig.


Auch das Spielen mit Zinnarmeen kommt in einigen Redaktionsstuben wieder in Mode. Mariam Lau - früher bei der alternativ angehauchten taz, jetzt wie ihr Ehemann bei Springers "Welt" - überschreibt Ende Mai 2007 nach dem Mordanschlag auf drei deutsche Soldaten ihren Leitartikel mit "Mehr Kriegspropaganda, bitte!" Es gab Zeiten, da hätte man solche Überschriften nicht einmal in der "Bild" für möglich gehalten.


Besonders einig sind sich die beiden Medienblöcke beim Halali gegen die LINKE, vor allem bei der Scheusalisierung Oskar Lafontaines. Die Aversionen oszillieren zwischen Groll und Paranoia, wobei in den "gelben" Schröder-Medien der Groll überwiegt, während im "schwarzen" Block eher Panikmache angesagt ist.


Nicht nur die "Bild"-Zeitung läuft seit drei Jahren beim Thema LINKE immer wieder zu ihrer gewohnten Form auf. Auch vermeintlich ehrwüdige Blätter schicken ihre Schmähbarden in die Arena, wenn es darum geht, die LINKE zu verteufeln. So diffamiert Tissy Bruns, früher ebenfalls bei der taz, Oskar Lafontaine im "Tagesspiegel" als den "deutschen Haider", nennt den Saarländer und Gregor Gysi "Rattenfänger". Christoph Schwennicke von der Süddeutschen Zeitung vergleicht Lafontaine gar mit Rumpelstilzchen. "Er wird sie aufpeitschen, er wird sich aufpeitschen wie der Gnom am Feuer aus dem Märchen" schreibt der Märchenexeget und entdeckt im Blick des Linken von der Saar auch gleich noch ein "machtwohliges Gltizern". Mit "Die Stunde des Demagogen" betitelt Schwennicke sein Schauermärchen. Wohl wahr, aber anders als Schwennicke es meint.


Wenn es um DIE LINKE geht, scheinen bei einigen alle Sicherungen durchzubrennen. Nicht nur LINKE-Anhänger tippen sich angesichts solcher Ergüsse an den Kopf. Niemand hat etwas gegen ironisches Kolorit. Florettstiche gegen die Exponenten der politischen Konkurrenz gehören zu einem gut gewürzten Artikel. Wenn aber Belege, Fakten, Zahlen völlig fehlen und nur noch zum Schmutzkübel persönlicher Diskriminierung gegriffen wird, dann ist der Rubikon eines vertretbaren Journalismus überschritten.


Clements gigantischer Sieg


Eine Sonderstellung in der Gilde der Hofautoren nimmt Bettina Röhl von der "Welt" ein. Ein Jahrzehnt lang hat Alfred Tetzlaff als verschroben rechtslastiger CDU-Wähler die Republik zu Lachtränen gereizt, inzwischen hat Röhl diese Rolle übernommen. "Der gigantische Sieg, den Clement eingefahren hat und der in seiner G röße noch nicht erkannt ist", beginnt einer ihrer letzten "Top"-Artikel. Es hätte niemanden gewundert, wenn die Jubel-Story wie ein maoistischen Traktätchen geendet hätte: "Hoch die immer siegreichen Schröder-Ideen!".


An unfreiwilliger Komik kann es mit Bettina Röhl wohl nur noch Wolfram Weimer, Chef des Politmagazins "Cicero", aufnehmen. In seinem Leitartikel "Das kalte Herz" klagt er über die Schlechtigkeit der Welt im allgemeinen und die der LINKEN im besonderen: "Wer wie Lafontaine das mephistophelische Bündnis mit Totalitaristen eingeht, wird Teil davon. Da er mit seinem Comeback zudem die persönliche Rache als Stilfigur in die Politik einführt, entfesselt er die Welt der niederen Instinkte. Es vollzieht sich jenes Wechselspiel aus Grausen und Faszination, das sich selber nährt." Grausen ist tatsächlich angesagt - vor allem beim Lesen solch schwülstiger Stimmungslyrik.


Sicher, es gibt immer noch Mini-Oasen nonkonformistischer Meinungsfreiheit, da und dort einen kleinen Wiesengrund, eine ökologische Nische der Unabhängigkeit im Kalkgebirge der deutschen Medienlandschaft: "Die Linkszeitung", "Der Freitag" oder "Das Blättchen" zum Beispiel - hin und wieder sogar die taz. Doch im Vergleich zur alles überschattenden Masse neoliberaler Traktatliteratur sind die steigenden Nutzerzahlen und Auflagen dieser Medien noch immer zu klein.


Richtig ist auch, dass nicht alle "Topjournalisten" ihren Verlegern nach dem Munde reden und nur Betthupferl für deren Nachttischchen schreiben. Noch gibt es Leute wie Heribert Prantl, Peter Dausend, Robert von Heusinger, die gegen den Strom denken, mit eigenem Kopf und Differenzierungsvermögen und dem nötigen Maß an Sachlichkeit und Fairness. Doch solche Medienleute sind inzwischen sehr dünn gesät.


Früher gab es Verlegerpersönlichkeiten, Herausgeber und Chefredakteure wie Theodor Heuss, Henri Nannen, Grafin Dönhoff, die Wert auf mehr Meinung als nur ihre eigene legten und die für pure Polemik nicht zu haben waren, die das Abrutschen der Artikel auf das Niveau von Mittelstufenaufsätzen, das Überhandnehmen von persönlicher Diffamierung in ihren Periodika konsequent stoppten.


Das krasse Gegenteil zu dieser Art verantwortlicher Publizistik stellt Mathias Döpfner dar, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG. "Oskar Lafontaine, der nationale Sozialist" heisst eines seiner Pamphlete, das er Anfang Juli 2007 in "Welt" setzte. Es endet mit den Worten: "Oskar Lafontaine muss mit allen demokratischen Mitteln bekämpft werden. Aber will sich das eigentlich noch jemand zumuten?" Das klingt nach mehr als nur einem versteckten Aufruf zu Gewalt und erinnert fatal an das Kesseltreiben gegen Rudi Dutschke vor rund 40 Jahren.


Posted via email from Daten zum Denken, Nachdenken und Mitdenken

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