Dienstag, 27. Dezember 2011

Russische Opposition demonstriert (...) eine #Bewegung #frustrierter #Mittelstandsbürger [via Junge Welt]


Liberal-braun

Russische Opposition demonstriert

Von Werner Pirker

[via Junge Welt vom 27.12.2011]

 

 
 

Die gesellschaftliche Opposition gegen die russische Machtvertikale hat am 24. Dezember einen weiteren Beweis ihrer wachsenden Stärke geliefert.

 

Den Charakter einer Volksbewegung hat sie jedoch noch nicht angenommen – und es ist zu bezweifeln, ob sie das je tun wird. Im wesentlichen handelt es sich um eine Bewegung frustrierter Mittelstandsbürger.

 

Nicht sozialer Niedergang treibt sie auf die Straße, sondern das Fehlen politischer Emanzipation. In welchem Sinn sie größere politische Freiheiten zu nutzen gedächten, ist wiederum eine ganz andere Frage.

In der aktuellen Situation tritt die neue russische Bürgerbewegung für die Annullierung der Parlamentswahlen und deren Neuaustragung ein. Das wird ihr nicht gelingen. So gravierend waren die Tricksereien bei der Stimmauszählung nicht, als daß sie das Wahlergebnis entscheidend beeinflußt hätten. Um die Massen zu ergreifen, fehlt der in sozialen Fragen äußerst indifferenten Bewegung die zündende politische Idee.

 

Außer abstrakten Freiheitslosungen hat sie nichts anzubieten. Es ist, als wollte sich der mit dem Ende der Jelzin-Ära von der russischen politischen Bühne verabschiedete Liberalismus noch einmal in Szene setzen. Auch wenn die »Koalition der heterogenen Kräfte«, wie das Anti-Putin-Lager genannt wird, organisatorisch überwiegend von gescheiterten Liberalen wie dem ehemaligen Vize-Premier Boris Nemzow oder dem früheren Finanzminister und Regierungschef Michail Kasjanow angeführt wird, dürfte den liberalen Zerstörern der Sowjetunion kein Comeback beschieden sein. Zu frisch sind noch die Erinnerungen an die ökonomischen, sozialen und nationalen Verwerfungen der Jelzin-Zeit.

Damals stellte der nationalpatriotische Block, dessen aktiver Kern von den Kommunisten (KPRF) gebildet wurde, dem aber auch die Nachkommenschaft der weißen Konterrevolution angehörte, das Gegengewicht zum herrschenden Liberalismus dar. Heute hat das Putin-Lager die Kernsätze des Nationalpatriotismus usurpiert und damit die KPRF ideologisch enteignet. Mittlerweile bilden die Antagonisten von einst – Liberale, Kommunisten und Nationalisten – eine Allianz.

 

Der Nationalismus, der sich im Sog der versuchten liberalen Revanche entwickelt, unterscheidet sich freilich deutlich vom Nationalpatriotismus der 1990er Jahren, obwohl einiges davon schon damals angelegt war. Der gegen Jelzin gerichtete Patriotismus war von der Trauer um die untergegangene UdSSR beherrscht, der gegen Putin gerichtete Nationalismus ist aggressiv xenophob – gefordert wird unter anderem die Entlassung der Kaukasus-Region aus der Rußländischen Föderation.

Wurde in den 90ern die Opposition als »rot-braun« verteufelt, so entwickelt sich gegenwärtig tatsächlich ein liberal-braunes Bündnis. Dieses hat mit dem Blogger Alexej Nawalnij eine »Kultfigur« hervorgebracht, der die liberale Freiheitsphrase ebensogut beherrscht wie die rassistische Hetze.



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