Montag, 12. Dezember 2011

--->>> #Die #staatlich #geförderte #Ausbeutungsmaschine (Teil 2) #Leiharbeit [via le-bohemien.net]

 

Leiharbeit

 

Die staatlich geförderte Ausbeutungsmaschine (Teil 2)

[via le-bohemien.net]

 


Von Florian Hauschild und Sebastian Müller

Leiharbeit – Die passende Antwort auf Flexibilitätsanforderungen in einer globalisierten Welt oder staatlich organisierte Unterwanderung des Arbeitnehmerschutzes? Das deutsche Beschäftigungsmodell befindet sich in einem massiven Umbruch, der tiefe Auswirkungen auf die Gesamtgesellschaft haben wird. Effizienzsteigerung und Verteidigung der Exportweltmeisterschaft sind die Ziele, die mit Hilfe einer sozialen und institutionellen Fragmentierung umgesetzt werden sollen.

Nachdem im ersten Teil der Serie die politischen und rechtlichen Grundlagen der Leiharbeit skizziert wurden, stellt sich nun die Frage nach den arbeitsmarktpolitischen und sozialen Folgen der Leiharbeit.

Das Sprichwort, dass im Krieg die Wahrheit immer zuerst stirbt, lässt sich auch auf die gegenwärtige Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik anwenden. Seit 2002 wird stets von "Reformen" gesprochen, wenn eigentlich tiefe Einschnitte in Rechte und Privilegien gemeint sind. Verbunden wird die Reformrhetorik mit teils mehr, teils weniger glaubwürdigen Argumenten. Ein immer wieder zu beobachtendes Muster dabei: Ist die Politikmaßnahme erst einmal umgesetzt, interessieren die einstigen Argumente und deren Realitätsbezug kaum noch.

Auch mit dem staatlich geförderten, expansiven Ausbau der Leiharbeit wurden zunächst hehre Ziele verknüpft. Leiharbeit sollte Arbeitslosen, Arbeitnehmern und Arbeitgebern gleichermaßen helfen. Wie kaum ein anderes Instrument sei doch die Leiharbeit in der Lage, Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte wieder in den regulären Arbeitsmarkt einzugliedern, so die quer durch alle politischen Lager reichende Überzeugung. Die Phase der Leiharbeit sei dabei als eine Phase des Übergangs zu verstehen, die im Regelfall in einer Festanstellung des Leiharbeiters münden solle.

Für Unternehmen ist diese Regelung zweifelsohne profitabel. Sie können, bei einer sich schnell verbessernden Marktlage, ohne Rücksicht auf den Kündigungsschutz Arbeitskräfte einstellen. In einer globalisierten Weltwirtschaft, in der Flexibilität einen entscheidenden Erfolgsfaktor darstellt, kann nach Ansicht der Wirtschaftsverbände diese Vergrößerung der Handlungsspielräume hiesiger Unternehmen nicht hoch genug eingeschätzt werden. "Just in time" lautet das Credo nun also auch bei der Personalplanung, statt starrer Strukturen die letztendlich allen schaden.

Kritiker, die vor allem auf die Gefahr einer sozialen Schieflage hinweisen, konfrontieren die Befürworter der Leiharbeit mit dem im Gesetz verankerten Equal Pay/Equal Treatment –Prinzip, auch Gleichstellungsgrundsatz genannt. Dadurch soll sichergestellt sein, dass Zeitarbeiter in einem Unternehmen zu den gleichen Bedingungen tätig werden wie die dort fest angestellte Belegschaft. Soweit die Theorie.

Dass das Equal Pay/Equal Treatment-Prinzip allerdings faktisch gar nicht umsetzbar ist, wird klar, wenn man auf die organisatorischen Realitäten der Leiharbeit blickt. Allein die drei großen Verleiher Adecco, Randstad und Manpower erzielten in Deutschland im Jahr 2007 einen Gewinn von 260 Millionen Euro.[1]

Die entscheidende Frage ist jedoch, worauf dieser Gewinn fußt. Da Unternehmen letztendlich nicht mehr für Leiharbeiter als für ihre Stammbelegschaft ausgeben wollen, gibt es gar keine andere Möglichkeit als die Vermittlungskosten dem Arbeitnehmer in Rechnung zu stellen. Im Ergebnis erhalten Leiharbeiter 20 bis 40 Prozent weniger Lohn als Beschäftige mit Festanstellung.

Von den Verleihern wird nur ungern erwähnt, dass eine Aushebelung des Gleichstellungsgrundsatzes – wie in Teil 1 beschrieben -, über den Umweg gesonderter Tarifverträge für die Leiharbeitsbranche stattfindet. Auch ist es zulässig, zuvor arbeitslose Leiharbeitnehmer geringfügiger zu entlohnen, als dies nach dem Gleichstellungsgrundsatz angemessen wäre.[2] Oft erhalten diese Geringverdiener trotz einer Vollzeit-Anstellung so wenig Lohn, dass sie weiter Anspruch auf Arbeitslosengeld II (Hartz IV) haben. Die so genannte "working poor" ist längst kein US-amerikanisches Phänomen mehr.

Zwar besteht der Niedriglohnsektor nicht nur aus Leiharbeitskräften, diese bilden aber eine wachsende Gruppe unter den Geringverdienern. Wie jüngst berechnet, wurden seit dem Jahr 2005 Niedriglöhne mit rund 50 Milliarden Euro – das sind über 20 Prozent der Gesamthöhe des ALG II-Etats – subventioniert.[3] Hartz IV verkommt damit zu einem Subventionsprogramm für lohndrückende Unternehmen, die dank Hartz I dafür gleich noch das passende Werkzeug mitgeliefert bekamen.

Allerdings werden mit dieser Subvention keineswegs bessere Chancen der Leiharbeitnehmer auf eine Festanstellung erkauft, wie es sich die Politik erhoffte. Denn in den meisten Fällen sind Unternehmen gar nicht an Festanstellungen interessiert. Lediglich 15 Prozent der Leiharbeitnehmer konnten sich im Anschluss an diese Tätigkeit über eine reguläre Beschäftigung freuen.[4]

Neben den individuellen Folgen für die beschäftigten Leiharbeiter und den sozialen Kosten durch strukturelles Lohndumping, beeinflusst der Ausbau der Zeitarbeit aber auch die Arbeitnehmerrechte regulär Beschäftigter. Zum einen werden Flächentarifverträge durch gesonderte Tarifverträge in der Leiharbeitsbranche zunehmend unterwandert, zum anderen verschlechtert sich dadurch auch die Verhandlungsposition der Gewerkschaften in den Tarifverhandlungen. Wo Zeitarbeit als mahnendes Menetekel prangert, werden Lohnkürzungen oder der Abbau von Arbeitnehmerrechten eher in Kauf genommen, als dies bei einem ausgeglichenen Kräfteverhältnis der Fall wäre.

Die IG-Metall konstatiert zudem eine zunehmende Verschlechterung der innerbetrieblichen Atmosphäre.[5] Leiharbeiter und Stammbelegschaft bilden demnach oft zwei gesonderte Gruppen, die sich misstrauisch beäugen und im jeweiligen Gegenpart eher einen Konkurrenten als einen Kollegen sehen. Ähnlich wie bei schlecht gemanagter Migration entstehen gegenseitige Ressentiments und Vorurteile zwischen den verschieden privilegierten Gruppen, wodurch langfristig auch die Innovationsfähigkeit des Gesamtunternehmens negativ beeinflusst werden kann.

Während der Durchsetzung der Agenda 2010-Reform wurde die Leiharbeit von den Medien und quer durch alle etablierten Parteien als notwendiger und segensreicher Schritt gepriesen. Mehr als fünf Jahre später bleibt das Ergebnis, dass die Leiharbeit hauptsächlich den Unternehmen genutzt hat. Die Institutionalisierung der Leiharbeit ist ein wesentlicher Grund dafür, dass das deutsche Wirtschaftsmodell seine angestammte Identität der Übertragung von wirtschaftlichem Erfolg in sozialen Erfolg verloren hat.

Mit kontinuierlichen Unternehmenssteuersenkungen, der Errichtung der Zeitarbeitsbranche, ferner der Subventionierung von Niedriglöhnen durch den Staat und dem damit verstärkten Druck auf die Löhne und die Gewerkschaften, wird auf der einen Seite ein immer größeres Heer von prekarisierten Arbeitnehmern geschaffen, auf der anderen Seite ein umfassender Sozialstaat für Unternehmer und Vermögende errichtet.

Dabei wird ein entscheidender Aspekt von den Apologeten flexibilisierter und deregulierter Arbeitsmärkte völlig aus den Augen gelassen: Dass Standards wie ausgebaute Arbeitnehmerrechte, soziale Sicherheit oder ein förderliches Betriebsklima – also solche sozialen Bedingungen und Institutionen, die dem spontanen und freien Wirken von Marktkräften im Wege stehen – ebenso Produktivität und Wachstum auf nachhaltige Weise fördern können.[6]

Doch der aktuelle Ausblick ist düster. Mit der kontinuierlichen Ausweitung der Leiharbeit findet ein Generalangriff auf die sozial- und rentenversicherungspflichtigen regulären Beschäftigungsverhältnisse und damit auf das Fundament von Wohlstand und Gerechtigkeit statt.

5 http://www.gleichearbeit-gleichesgeld.de/leiharbeit/argumente/negative-auswirkungen-auf-betriebsklima/

6 Vgl. Lehndorff, Steffen (Hg.): Abriss, Umbau, Renovierung? Studien zum Wandel des deutschen Kapitalismusmodells, Hamburg 2009.

Zum Thema:

- Leiharbeit: Die staatlich geförderte Ausbeutungsmaschine (Teil 1)



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