Dienstag, 22. November 2011

-> #Portugal #bereitet #sich #auf #Generalstreik #vor [in D. dagegen herrscht Corporate Identity im Sinne der Gebenden]


Breite Front

Portugal bereitet sich auf Generalstreik vor

Von Rui Paz
[via Junge Welt]

 

Kommenden Donnerstag könnte Portugal stillstehen. Zahlreiche Gewerkschaftsverbände rufen zu einem Generalstreik gegen die Kürzungspolitik der seit Juni amtierenden Regierung auf. Diese hatte ihre Arbeit mit Ankündigungen begonnen, die ihrer Wahlpropaganda völlig widersprechen. Das Regierungsprogramm sieht eine Politik nach den Vorgaben von Europäischer Union, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) vor.

Im Mai dieses Jahres hatten die sozialdemokratische PS, die konservative PSD und die rechtskonservative CDS-PP – alle drei Verfechter einer neoliberalen Politik – ein Memorandum mit der Troika aus EU, EZB und dem IWF unterschrieben. In diesem verpflichteten sie sich, radikale Sparmaßnahmen und somit Angriffe auf die in der Verfassung festgeschriebenen sozialen und Arbeiterrechte durchzuführen. Der anhaltende Widerstand gegen die verschiedenen EU-Pakte »für Stabilität und Wachstum« hatte zuvor zum Rücktritt der Regierung des sozialistischen Premierministers José Sócrates und zur Auflösung des Parlaments geführt.

Während des nachfolgenden Wahlkampfes im Mai und Juni dieses Jahres herrschte großes Schweigen über den Inhalt des geheimen Memorandums. Die PSD versprach sogar, alles rückgängig zu machen, was die antisoziale Politik der PS-Regierung bereits zerstört hatte, während die Sozialisten den Kopf in den Sand steckten und versuchten, durch linke Rhetorik ihre rechte Politik der vergangenen Jahre vergessen zu machen. Die Wahlen, gekennzeichnet durch eine Rekordenthaltung, brachten schließlich einen Sieg der PSD und ihres Kandidaten für das Amt des Regierungschefs, Passos Coelho.

Bereits Anfang September warnte der Generalsekretär der Portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP), Jerónimo de Sousa, den Premier, daß die Regierung im Falle einer Durchführung der zwischen Koalition und Troika vereinbarten Maßnahmen auf eine kraftvolle Widerstandswelle stoßen würde. Die danach folgenden Ankündigungen der Exekutive, insbesondere bezüglich des Staatshaushalts, übertrafen die schlimmsten Befürchtungen. Am 1. Oktober folgten in Lissabon und Porto 200000 Menschen dem Aufruf der Einheitsgewerkschaft CGTP-Intersindical National, gegen die Regierung und deren Maßnahmen zu protestieren.

Am 16. Oktober appellierte das Zentralkomitee der PCP an alle Arbeiter und die gesamte portugiesische Bevölkerung, »eine kraftvolle Protest- und Kampfbewegung gegen den Aggressionspakt der Troika zu bilden«. Ziel müsse es sein, »den Sturz des Landes in den Abgrund zu verhindern, die Interessen der Arbeiter und der gesamten Bevölkerung zu garantieren, die drakonischen Zwänge und Erpressungen des Großkapitals und der EU abzuwehren«.

Seitdem überschlugen sich die Ereignisse. In den Fabriken, Büros, Kommunen, auf öffentlichen Plätzen und Straßen fanden Streiks, Kundgebungen, Demonstrationen und Blockaden statt. Am 19. Oktober kündigte der Nationalrat der CGTP-IN einen Generalstreik für den 24. November an. Sogar der von Sozialdemokraten und Rechtskonservativen gegründete kleine Gewerkschaftsverband UGT beteiligt sich und unterstützt den Ausstand.

Nach einer gemeinsamen Generalversammlung, an der mehr als 1500 Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten, darunter Generäle und Admirale im aktiven Dienst, teilgenommen haben, riefen die drei Militärverbände der Streitkräfte alle Heeresangehörigen zur Teilnahme an einer Protestkundgebung am 12. November auf. Während der Sitzung wurden Wahlkampfvideos von Premier Passos Coelho gezeigt, in denen er genau das Gegenteil von dem versprach, was seine Regierung heute tut. Oberst Vasco Lourenço, Vorsitzender des Vereins »25. April«, sagte nach dem Treffen vor laufenden Kameras: »Eine Bande von Lügnern hat die Macht ergriffen.« Das Volk solle Widerstand leisten, und »falls die Regierung es schaffen würde, die Sicherheitskräfte zu instrumentalisieren und gegen die protestierenden Menschen vorzugehen, bliebe die Armee auf seiten des Volkes«.

Doch auch die Gewerkschaft der Polizei solidarisiert sich mit den Protesten. Viele Polizisten nahmen an der beeindruckenden Demonstration von 180000 Beamten und Angestellten am 12. November teil. Zur gleichen Zeit versammelten sich 10000 Mitglieder der Streitkräfte und defilierten zwischen den zentralen Plätzen Rossio und Terreiro do Paço in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon.

Mehrere Generäle äußerten sich positiv zu der Demonstration. Der Generalstabschef der Armee, General Pinto Ramalho, sagte, »bei den Militärs herrschen die gleichen Sorgen und Mißstimmungen wie in der gesamten Gesellschaft«.

Die Verbundenheit zwischen Streitkräften und der Bevölkerung beruht in Portugal auf der Zeit der Nelken-Revolution und findet bereits Ausdruck in der Präambel der Verfassung, deren erster Satz lautet: »Am 25. April 1974, nach langem Widerstand des portugiesischen Volkes und im Einklang mit seiner tiefsten Gesinnung, stürzte die Bewegung der Streitkräfte das faschistische Regime.«

Auch bei der katholischen Kirche kehrt nach etlichen Jahren festen Glaubens an die Ewigkeit des heiligen Königreichs des Kapitalismus Nachdenklichkeit ein. So erklärte kürzlich die portugiesische Bischofskonferenz: »Die dunklen Spiele des Kapitals gefährden die Demokratie.« Der Bischof von Porto, Manuel Clemente, fügte hinzu: »Der Generalstreik ist nicht nur legitim, sondern auch gesund.« Januario Torgal, Bischof der Streitkräfte, sprach sogar von »purem Terrorismus« in bezug auf die Politik der Regierung und die von der Troika verordneten Maßnahmen.

Auch der Verband der Richter empfahl den Gerichten auf einer nationalen Versammlung auf den Azoren, bei der sich 400 Delegierte aus ganz Portugal trafen, immer nach den Prinzipien der portugiesischen Verfassung und nicht nach den von Parlament oder Regierung verabschiedeten verfassungswidrigen, antisozialen Gesetzen und somit gemäß EU-Verordnung zu urteilen. Und schließlich sagte der Trainer von Benfica Lissabon, des mitgliederstärksten Fußballvereins der Welt, Jorge de Jesus, in einem Interview: »Wenn solche Politiker Fußballtrainer wären, würden sie nach ein paar Tagen sofort entlassen.«

Die offizielle Ankündigung der CGTP-IN zum Generalstreik lautet: »Am 24. November findet eine totale Arbeitsniederlegung aller Arbeiter, Gewerkschaftsmitglieder und Nichtmitglieder in allen staatlichen und privaten Unternehmen und Dienststellen, unabhängig von der juristischen Natur der Arbeitgeberinstitution und gültig für das gesamte Territorium des Landes, statt.« Es folgen 14 Ziele der Proteste, darunter die Verteidigung des flächendeckenden Arbeitsvertrags, die Ablehnung von Privatisierung und Veräußerung von öffentlichem Eigentum an das Privatkapital, die Neuverhandlungen der Auslandsschulden, die Forderung nach Investitionen und Dynamisierung des öffentlichen Sektors und nach dem Schutz der nationalen Souveränität des Landes.

Das portugiesische Streikrecht ist eine der größten demokratischen Errungenschaften der Aprilrevolution. Laut Artikel 57 der Verfassung ist es »exklusive Kompetenz der Arbeiter, die Breite der zu verteidigenden Interessen durch den Streik zu bestimmen, deren Umfang per Gesetz nicht begrenzt werden darf«.

In den letzten Wochen haben zahlreiche Gewerkschaftsorganisationen ihre Teilnahme am Generalstreik bestätigt. Eisenbahner, Arbeiter der Schiffahrt, Angestellte von Air Portugal, die Fluglotsen und Arbeiter der Flughäfen, der öffentlichen Verkehrsmittel und aus allen Bereichen des öffentlichen Dienstes wollen sich an dem Ausstand am Donnerstag beteiligen. Es könnte einer der größten Generalstreiks in der Geschichte Portugals gegen eine Regierung werden, die es in nur wenigen Monaten geschafft hat, das ganze Land gegen sich aufzubringen.

* Rui Paz ist Vertreter der Portugiesischen KP (PCP) in der Bundesrepublik



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