Sonntag, 20. November 2011

Das chaotische Erbe des #rechtslastigen #Thüringer #Ex-Geheimdienstchefs Helmut #Roewer [via Neues Deutschalnd]

"(...) Erfurt im Herbst 2000: Mit Entsetzen musste damals der Hauptvorstand der Handels- und Bankengewerkschaft HBV »von der bisher nicht für möglich gehaltenen Tatsache Kenntnis nehmen, dass Mitarbeiter des thüringischen Verfassungsschutzes eng mit der neofaschistischen Szene des Landes zusammenarbeiten«. Statt »gegen Rassismus und Neofaschismus in Thüringen vorzugehen«, klagten die Gewerkschafter damals, »haben Mitarbeiter des VS den Landesbezirksleiter der Gewerkschaft HBV in Thüringen, Angelo Lucifero, bespitzelt und verfolgt. Von VS-Mitarbeitern wurden sogar Flugblätter, die Lucifero verunglimpfen und zu einer Gefährdung seiner Person führen, in Umlauf gebracht.« (...)"

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Von Jörg Meyer und Velten Schäfer

»Es ist alles aus dem Ruder gelaufen«

Das chaotische Erbe des rechtslastigen Thüringer Ex-Geheimdienstchefs Helmut Roewer


Mitte bis Ende der 90er Jahre sind in Thüringen offenbar unkontrollierbare Verflechtungen zwischen Verfassungsschutz (VS) und Neonazis entstanden, die schon vor der »NSU«-Affäre himmelschreiend waren. Ein Fallbeispiel.
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Helmut Roewer
Foto: dpa/Schutt

Richard Sorge, Arvid Harnack und Harro Schulze-Boysen, berühmt als Sowjetkundschafter gegen Hitler, hatten es nicht drauf. Sie sahen, was sie sehen wollten und bramarbasierten sich um Kopf und Kragen - schreibt der Publizist Helmut Roewer in einem 2010 herausgekommenen Schinken. Das Werk, verlegt im einschlägigen Ares-Verlag, vertritt die »Präventivkriegsthese« und wäre schon Ärgernis genug. Wäre der Autor nicht auch noch von 1994 bis 2000 Chef des Erfurter VS gewesen - und würde sich jetzt im Licht des »NSU«-Geheimdienstskandals nicht abermals zeigen, welches Chaos er hinterlassen hat.

Erfurt im Herbst 2000: Mit Entsetzen musste damals der Hauptvorstand der Handels- und Bankengewerkschaft HBV »von der bisher nicht für möglich gehaltenen Tatsache Kenntnis nehmen, dass Mitarbeiter des thüringischen Verfassungsschutzes eng mit der neofaschistischen Szene des Landes zusammenarbeiten«. Statt »gegen Rassismus und Neofaschismus in Thüringen vorzugehen«, klagten die Gewerkschafter damals, »haben Mitarbeiter des VS den Landesbezirksleiter der Gewerkschaft HBV in Thüringen, Angelo Lucifero, bespitzelt und verfolgt. Von VS-Mitarbeitern wurden sogar Flugblätter, die Lucifero verunglimpfen und zu einer Gefährdung seiner Person führen, in Umlauf gebracht.«

Linksradikal musste man nicht sein, um im Thüringen des Helmut Roewer bespitzelt zu werden. Nicht nur den streitbaren, als Antirassisten bekannten Gewerkschafter, der seit 1991 mit Attacken und Drohungen leben musste, hat Roewer bespitzeln lassen. Auch den heutigen LINKE-Fraktionschef Bodo Ramelow traf es; die Prozesse sind Legende.

Zugleich hat Roewer de facto viel Geld in die Naziszene gepumpt. 2001 wurde der damalige NPD-Landesvize und langjährige Anführer der Nazikameradschaft »Thüringer Heimatschutz«, Tino Brandt, als V-Mann enttarnt. Brandt soll etwa 200 000 DM erhalten haben. Roewer selbst hat einmal von 1,5 Millionen DM gesprochen, die an Informanten gegangen seien. Nach eigener Darstellung hat zumindest Brandt aber nur scheinbar kooperiert und mit dem Geld den »Heimatschutz« aufgebaut, aus dem »Anti-Antifa«-Milieu, den Spezialisten für die »Feindbekämpfung«.

Im Bett mit den Rechten haben sich die Schlapphüte abziehen lassen, stützt eine Erfurter Quelle Brandts Version: Besonders bis 1998 seien delikate Kontakte in die Naziszene entstanden, die dem Apparat über den Kopf gewachsen sein dürften. Um 2000, als Roewer abtrat, sei »alles außer Kontrolle geraten«. Demnach hat der Verfassungsschutz Brandt auch nach dem Rücktritt Roewers tatsächlich noch beschäftigt, was offiziell bestritten wird. Vermutlich haben sich die Schlapphüte seinerzeit also instrumentalisieren lassen, legen die Informationen nahe. Darüber hinaus bleibt die Frage, die seinerzeit die HBV umtrieb: Was hat der Dienst von seinen Top-Quellen beispielsweise über die mehr als zehn Angriffe erfahren, die zwischen 1991 und 2000 auf den Gewerkschafter Lucifero verübt wurden, den er selbst im Visier hatte? Ist bei den Tätern das Gefühl entstanden, ihr Handeln werde geduldet?

Das Erbe Roewers, der nun im Fall des »NSU« jede Verantwortung von sich weist, soll endlich in einem Landtagsausschuss untersucht werden. Lucifero kann das nicht mehr verfolgen: Die Angriffe auf ihn rissen nicht ab, 2007 war es so weit: Als sich abermals eine drohende Truppe näherte, zog er eine Schreckschusspistole - das Resultat war der Verlust seines Arbeitsplatzes. Er kollabierte. Und die, die noch Kontakt haben, bitten, ihn in Ruhe zu lassen.

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