Dienstag, 23. August 2011

Die absurden #Blüten des #Regierungssponsorings - mehr in #ReportMainz um 20:15 Uhr (23.08.) in #EinsExtra

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Die absurden Blüten des Regierungssponsorings
Staatssekretär als Werbeikone

Und noch ein Blick in die Zeitung. Mit einer fetten Anzeige informiert uns der Herr Staatssekretär Müller vom Bundesministerium für Ernährung darüber, dass - Achtung! - ausgewogene Ernährung gesünder ist und Obst die Konzentrationsfähigkeit unserer Kinder steigert. Donnerwetter! Nicht zum ersten Mal erschien diese Anzeige und immer erscheint sie neben der Anzeige eines großen Drogeriemarktes. Zufall?

Natürlich nicht, wie Achim Reinhardt herausgefunden hat bei seinen Recherchen. Recherchen, die zeigen, welch fragwürdige Wege das Ministerium beschreitet, um seine Botschaften unters Volk zu bringen. Und am Wegesrand: unter anderem auch mal ein prominenter Fernsehkoch.

Fototermin mit Tim Mälzer an einer Wiesbadener Realschule. Der Starkoch bringt den Schülern das Kochen bei. Denn die Schule hat bei einem Wettbewerb des Bundesverbraucherschutzministeriums gewonnen.

Der Preis: Mälzers Besuch und diese neue Küche. Damit will das Ministerium Lust auf gesundes Essen machen. Gesponsert hat die Küche die Firma Nolte. Eigentlich eine gute Sache. Oder etwa nicht?

O-Ton, Tim Mälzer, Koch:

"Ich habe lange drüber nachgedacht, ob die Zusammenarbeit nicht grenzwertig ist. Weil man liest ja doch immer wieder über diese subtile Werbung, in Anführungszeichen. Da ich aber nicht glaube, dass irgendein 16-Jähriges Kind jetzt losgeht und sich eine Nolte-Küche kauft, nur weil das hier in der Schule sozusagen angebracht ist, hab ich mich bereit erklärt, auch mit der Industrie zusammen zu arbeiten."

Der Vertreter von Nolte Küchen sieht das Sponsoring seiner Firma nicht ganz so uneigennützig.





O-Ton, Steffen Hagemann, Nolte-Küchen:

"Wir begeistern natürlich auch junge Menschen, das sind natürlich auch hoffentlich alles Leute, die unsere Küche mit Begeisterung erleben hier im Unterricht und vielleicht später auch eine Nolte-Küche kaufen."

Staat und Küchenhersteller machen hier gemeinsame Sache. Ein Deal, der offenbar für beide Vorteile hat. Wir recherchieren im Internet und entdecken, dass die Firma Nolte für ihre Küchen ganz offen mit der Ministerin wirbt.

Der Geschäftsführer von Nolte-Küchen und Verbraucherschutzministerin Aigner Seit' an Seit'. Ganz billig war die Ministerin als Werbegesicht übrigens nicht. Rund 20 Küchen musste Nolte dafür schon springen lassen. Aber darf man das?

Für das Sponsoring von Ministerien gelten eigentlich strenge Regeln. REPORT MAINZ liegen die vertraulichen internen Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung vor. Danach darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Dienststelle sich an kommerzieller Produktwerbung des Sponsors beteiligt.

Wir zeigen dem Staatsrechtler Professor Battis die Nolte-Werbung. Er hält das Sponsoring für unzulässig.






O-Ton, Prof. Ulrich Battis, Staatsrechtler:

"Damit erweckt man den Eindruck, als sei die Ministerin als Werbeträgerin für dieses Unternehmen tätig."

Frage: Und wie finden Sie das?

O-Ton, Prof. Ulrich Battis, Staatsrechtler:

"Nun, das widerspricht den Aufgaben, dem Amtsverständnis, das von der Verfassung von einem Regierungsorgan verlangt wird."





Was die Ministerin kann, kann ihr Staatssekretär schon lange. Uns fällt diese Anzeigenkampagne in der Bild-Zeitung auf. Fast täglich grüßt hier Staatssekretär Gerd Müller von Seite vier. Immer direkt daneben Reklame der Drogeriemarkt-Kette dm. Reiner Zufall?

Der Geschäftsführer des dm-Konzerns verrät uns: Es handelt sich um eine gemeinsame Anzeige, eine neue clevere Form des Sponsorings von dm.

O-Ton, Erich Harsch, Geschäftsführer dm:

"Der Anzeigenplatz ist von uns zur Verfügung gestellt, von dm-Drogeriemarkt als Sponsoring für das Ministerium. Und das Ministerium hat‘s entsprechend genutzt."

Über die Höhe des Sponsorings schweigt er lieber vornehm. Doch wir recherchieren und finden heraus, es geht um rund 340.000 Euro. Nicht gerade ein Schnäppchenpreis. Aber das ist dem Drogeriemarkt-Konzern die werbewirksame Nähe zum Bundesministerium und zum Staatssekretär schon wert.

Wir legen unsere Recherchen den Staatsrechtlern Professor Battis und Professor von Arnim vor. Beide kommen zur gleichen Bewertung.

O-Ton, Prof. Ulrich Battis, Staatsrechtler:

"Hier wird massiv der Eindruck erweckt, dass das Ministerium mit Adler, mit Siegel und mit dem Staatssekretär hier Arm in Arm auftritt mit einem Unternehmen, das seine Produkte bewirbt, und es ist hier überhaupt keine Distanz mehr feststellbar."





O-Ton, Prof. Hans Herbert von Arnim, Staatsrechtler:

"Ich halte diese Anzeigenkampagne, die dm zusammen mit dem Verbraucherministerium macht, für unzulässig, für rechtswidrig, ja sogar ein Verstoß gegen das Grundgesetz. Sie muss, kann in dieser Form nicht weitergeführt werden."







Gerne hätten wir dazu die Ministerin oder einen ihrer Staatssekretäre befragt, doch es gibt kein Interview. Schriftlich teilt man uns lediglich mit: Ziel dieser Anzeigen sei es, die Leser zu einem gesunden Lebensstil zu motivieren. Aha!

Genau deswegen gibt der Staatssekretär hier auch so wertvolle Tipps wie "öfter mal zu Fuß zu gehen" oder "im Sommer besonders wichtig: viel trinken".

Im Interview mit REPORT MAINZ verlangen der Fraktionsvorsitzende der Grünen und die verbraucherschutzpolitische Sprecherin der SPD jetzt Konsequenzen.






O-Ton, Elvira Drobinski-Weiß, SPD, Verbraucherschutzpolitische Sprecherin:

"Ich fordere, dass hier diese Anzeigenkampagne gestoppt wird, und zwar sofort, und dass in Zukunft das Ministerium sich mit solchen Anzeigen auch von anderen Anbietern tatsächlich hier an der Neutralität auch messen lässt."






O-Ton, Jürgen Trittin, B'90/Die Grünen, Fraktionsvorsitzender:

"Es geht nicht, dass eine Bundesregierung für ein Unternehmen, das im Wettbewerb zu anderen Unternehmen steht, selber sozusagen Partei ergreift."









Nolte-Küchen und dm - zwei Beispiele für fragwürdiges Regierungssponsoring. In den vergangenen acht Jahren haben sich die Sponsoringsummen, die von der Wirtschaft an Ministerien geflossen sind, nahezu verdoppelt. Angesichts der Recherchen von REPORT MAINZ fordern Experten mehr Zurückhaltung.

O-Ton, Prof. Ulrich Battis, Staatsrechtler:

"Die Fälle, die wir hier heute besprechen, zeigen ja, es wird, es besteht eine erhebliche Missbrauchsgefahr, und je mehr Sponsoring stattfindet, umso größer ist auch die Gefahr des Missbrauchs."

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