Dienstag, 19. April 2011

Offener Brief an die bonding Studenteninitiative e.V., Hochschulgruppe Dresden [via caz Die Campus-Zeitung]


Offener Brief an die bonding Studenteninitiative e.V., Hochschulgruppe Dresden

[caz Die Campus-Zeitung]

 

http://www.caz-lesen.de/index.php/anreisser-1_2.html
 

Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen,

die bonding Studenteninitiative e.V. gibt es nun schon seit 21 Jahren in Dresden, doch von Erwachsenwerden fehlt jede Spur. Auch in diesem Jahr beschlagnahmt ihr für mehrere Tage das Hörsaalzentrum und bittet verschiedenste Unternehmen von Rang und Namen sich der Studierendenschaft als lukrative Arbeitgeber zu präsentieren.

Doch nach den Protesten im letzten Jahr möchtet ihr auf Nummer sicher gehen und jegliche Kritik an dieser Veranstaltung von Vornherein unterbinden. Auf die Kritikpunkte einzugehen oder gar daraus zu lernen, ist für euch scheinbar nicht möglich. Ihr habt Gespräche mit dem Rektorat und der Geschäftsführung des StuRa geführt. Nach eurer Auffassung darf die Firmenkontaktmesse auf gar keinen Fall zu einer Plattform für politische Diskussionen "entarten".

Die bonding-Hochschulgruppe sei ein hundertprozentig unpolitischer Verein und ihr wünscht keine Störung durch Sambatrommeln oder gar durch das Verteilen von Flugblättern.

Die Behauptung "unpolitisch" zu sein ist bestenfalls lächerlich. Doch bleibt das Lachen sofort im Halse stecken, wenn uns schon auf Seite 8 eurer Broschüre von 2010 Bildungsministerin Annette Schavan und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle mit politischen Schlagworten wie Globalisierung, Arbeitsmärkte, Exzellenzinitiative und Bolognapaket begrüßen.

Auch in der aktuellen Broschüre schwärmt Oberbürgermeisterin Helma Orosz von ihren hochgesteckten Zielen. Sind diese Aussagen von Politiker_innen etwa unpolitisch? Sollten wir darüber nicht eine politische Diskussion führen? Vielleicht lesen wir das Büchlein doch erst bis zum Ende.

Auf den nächsten Seiten folgt ein Leitfaden für junge Menschen, sich möglichst effizient auf dem Arbeitsmarkt zu prostituieren. Der diesjährige Aufruf auf einem eurer Fotos "Titten raus, es ist Messe" ist wohl an Sexismus kaum zu überbieten (Seiten 2 und 5 der aktuellen bombing-Broschüre). Seid ihr euch sicher, dass wir das brauchen?

Wäre es nicht sinnvoller, sich um die tatsächliche Situation der Praktikant_innen in den teilweise prekären Arbeitsverhältnissen zu kümmern? Auch die Vernichtung von Arbeitsplätzen durch Praktikumsstellen wäre ein passendes Thema für euch – allerdings ein politisches.

Bei aufmerksamer Lektüre der Unternehmensprofile vom Vorjahr stechen Branchenbegriffe wie "Sicherheit" oder "Verteidigung" ins Auge. Hier habt ihr tatsächlich etwas gelernt. Denn dieses Jahr wurden diese Begriffe fast überall durch "sonstiges" ersetzt.

Wollt ihr etwa verbergen, dass viele der von euch eingeladenen Unternehmen einen Großteil ihrer Profite im Rüstungsbereich machen? Auch die Verwendung des Wortes "Zukunftsbranche" an dieser Stelle ist überaus zynisch. Wissen schafft Brücken.

Doch scheinbar dürfen alle Absolvent_innen der TU Dresden dieses Wissen ohne Skrupel benutzen, um genau die Bomben zu entwickeln, die jene Brücken andernorts wieder zerstören. Sollten wir das nicht kritisch beleuchten? Wollt ihr tatsächlich diesen Waffenproduzenten den hochqualifizierten Nachwuchs liefern? Ist das der Grund, warum ihr keinen Protest im Hörsaalzentrum duldet? Ihr wollt doch nur verhindern, dass jene unbelehrbaren Unternehmen von unserer Kritik abgeschreckt werden.

Es muss eine offene Diskussion zu diesen Themen geben. Und diese muss auch während der Messe möglich sein. Es ist geradezu dreist von euch, den StuRa zu bitten, er möge doch den sogenannten Nörglern und Miesmachern für die zwei Messetage das Maul verbieten.

Auch die TU Dresden muss aktiv werden. Gerade sie hat den Auftrag, den Studierenden Bildungsinhalte zum verantwortungsvollen Handeln gegenüber ihren Mitmenschen, der Gesellschaft und Umwelt zu vermitteln (Grundordnung der TU, §3 Abs. 7).

Sollen diese Prinzipien denn sofort über Bord geworfen werden, nur weil einige Gäste aus der Industrie sich auf dem Unigelände präsentieren? Es muss eine Zivilklausel in die Grundordnung. Die Berufung auf Verantwortung reicht nicht aus. Andernfalls wirkt die TU Dresden unglaubwürdig und neben innovativ, familienfreundlich und exzellent kann nur noch das Prädikat gewissenlos hinzugefügt werden.

Ja zur Friedensbindung der Universitäten – Nein zur Militärforschung. Es ist Zeit zum Handeln!

 

Mit freundlichen Grüßen

Kritische Studentinnen und Studenten der TU Dresden


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