Mittwoch, 27. April 2011

#Klimaneutral ist #kein #Verkaufsargumen

Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Hochschule München, Christina Kaufmann, 27.04.2011 14:53

Klimaneutral ist kein Verkaufsargument

Tourismus-Symposium an der Hochschule München beleuchtet, wie Gäste und
Anbieter im Alpenraum sich an den Klimawandel anpassen.

Tourismusforscher aus dem deutschsprachigen Alpenraum stellten Mitte April
2011 Ergebnisse aus dem EU-Projekt ClimAlpTour an der Hochschule München
vor. Neue Fakten zu Nachfrage und Markt wurden dabei präsentiert.
ClimAlpTour zielt auf Strategien ab, wie Tourismusregionen sich dem
Klimawandel stellen können. Insgesamt arbeiten im Projekt 17 Partner,
davon elf Forschungsinstitute mit 22 Modellregionen aus dem gesamten
Alpenraum zusammen.

Rund 50 Fachleute waren der Einladung der Fakultät für Tourismus an die
Hochschule München gefolgt, darunter Wissenschaftler ebenso wie Vertreter
aller wichtigen Teilbranchen des alpinen Tourismus: Bergbahnbetreiber,
Destinationentwickler, Hoteliers, Veranstalter, Regionalpolitiker,
Naturschützer und Verbraucher. Die Forscher stellten Ergebnisse der
angewandten wissenschaftlichen Forschung (Delphi-Studie,
Quellmarktbefragung, Netzwerkanalyse) sowie aus Workshops mit Praktikern
in Tirol, Wallis/Graubünden, Bayern und Südtirol vor. Die Erfahrungen aus
verschiedensten alpinen Tourismusregionen, die sich in Höhe, Lage,
bestehender Infrastruktur, ökonomischem Wohlstand, aber auch durch mehr
oder weniger gute Zusammenarbeit vor Ort unterscheiden, wurden diskutiert.
Eines der Ergebnisse lautete: Anbieter sollten versuchen, die Klimawirkung
innerhalb dieser Angebote zu optimieren, anstatt Klimaschutz als
Hauptaspekt zu vermarkten.

Die Hochschule für Technik Rapperswil befragte in einer alpenweiten
Delphi-Studie Experten zu veränderter Nachfrage, Anpassungsstrategien und
Hauptakteuren im alpinen Sommer- und Wintertourismus. Die Befragten
standen ordnungspolitischen Strategietypen wie Verboten skeptisch
gegenüber. Vielmehr favorisierten sie auf Freiwilligkeit basierende
Strategien, etwa durch Marktanreize. Als wichtigste Akteure für die
Anpassung nannten die Experten Gemeinden, Regionen und
Tourismusdestinationen. Während ein Großteil der Gäste das Problem
Klimawandel anerkenne, glauben die Fachleute, dass nur eine Minderheit
bereit sei, das Urlaubsverhalten zu ändern beziehungsweise sich an den
Klimawandel anzupassen.

Ähnlich war das Bild bei der Quellmarktanalyse, wofür die Fakultät für
Tourismus der Hochschule München deutsche Urlauber befragen ließ: „Ändern
potentielle Alpen-Gäste ihre Reiseentscheidungen aufgrund des
Klimawandels?“ Die Vorstudie ergab: Derzeit blenden Urlauber die Folgen
des Klimawandels und nötige Anpassung weitgehend aus, setzen kaum auf
Verzicht und selten auf nachhaltigen Tourismus, sondern eher auf „wie
bisher“ oder sogar auf „erleben, solange es noch geht“. Für die Zukunft
erwarten die Münchner Tourismusforscher eine stärkere, allerdings wohl
eher kostengetriebene Anpassung, zum Beispiel durch die Wahl anderer,
näherer Reiseziele, weniger Flugreisen und weniger energieintensive
Reisen. Im Herbst werden die ersten Ergebnisse der repräsentativen
Befragung vorliegen.

Die Unsicherheit der Verbraucher sowie die Kluft zwischen deren
Bewusstsein und Handeln sprach auch der Hauptredner des ersten Symposium-
Tages an. Ron Schmid von der Vereinigung der BIO-Hotels erklärte
pragmatisch: „Wir können den Gast mit seiner diffusen Angst nicht allein
lassen. Notfalls müssen wir ihm die Entscheidung abnehmen, und es einfach
tun.“

Das Projektteam der Hochschule Chur entlarvte Kommunikationsmängel als
Stolpersteine im alpinen Tourismus, „Kirchturmpolitik“ verhindere häufig
gemeinsame Aktivitäten. In der Gotthard-Region untersuchten die Schweizer
anhand einer „Netzwerkwolke“ und in Workshops, wer mit wem wie intensiv
kommuniziert. Schwachstellen zwischen den „big fish“ und kleineren
Partnern wurden deutlich und Verbesserungen angeregt, wie man die
Bevölkerung vor Ort für einen Erneuerungsprozess gewinnt.
Aufbruchsstimmung in der Region herrscht derzeit jedoch eher durch das
Großprojekt „Andermatt Swissalps“, das den Themenbereich
Klimawandelanpassung allerdings in den Hintergrund stellt.

Die Universität Innsbruck führte in zwei Tiroler Pilotregionen (Wilder
Kaiser, Stubaital) und im Vorarlberger Brandnertal Workshops mit
Praktikern durch. Die erste Workshop-Runde spiegelte die völlig
unterschiedlichen Ausgangsbasen und Ausrichtungen der Destinationen wider,
während in der zweiten Workshop-Runde Schlagworte wie
„Regionalität/Authentizität“, „Gesundheit“, „Natur“ im Rahmen einer
möglichen angepassten Tourismusausrichtung in allen drei Regionen genannt
wurden. Die Ergebnisse beider Workshop-Runden werden bis Herbst in
Empfehlungen umgesetzt.

In Bayern zeigt das Alpenforschungsinstitut (AFI) zwei weitere praktische
Ansätze auf: Gemeinsam mit der Gemeinde Grainau entwickelte es einen
alpinen Naturerlebnispark unterhalb der Zugspitze, wo Gäste ab Ende 2011
mit allen Sinnen erfahren können, wie sich das Leben als auch das Klima im
Laufe der Zeit gewandelt haben. So zielt Grainau neben den klassischen
Ski-Touristen auf neue Gästeschichten. Parallel dazu beleuchtete das AFI,
welche Chancen und Risiken ein Naturpark rund um das Karwendel auf
bayerischer Seite birgt.

Insgesamt arbeiten in ClimAlpTour 22 höchst unterschiedliche
Modellregionen mit: Von hochalpinen Lagen wie Monte Rosa bis zu Talorten
wie Kranjska Gora, von klassischen Wintersportorten wie Val d’Isère bis zu
Ganzjahreszielen wie dem Hochpustertal. Das Team der Hochschule München
erstellte gemeinsam mit dem Institut de la Montagne Ortsprofile und
Produktportfolien und befragte dazu im Jahr 2010 Leistungsträger und
Besucher zu Investitionsklima, Preiselastizität oder Arbeitsmarktstruktur.
Dabei unterschieden sich die Ergebnisse zwischen Sommer- und
Winterdestinationen ebenso deutlich wie zwischen Tourismuspart-nern und
Besuchern. So gaben sich die Gäste zum Beispiel weniger preissensibel, als
die Leistungsträger befürchteten. Immerhin gaben 47% der Besucher in
Sommerorten an, dass sie trotz einer Verteuerung der Kosten aufgrund von
Klimaschutzmaßnahmen dem Urlaubsort treu bleiben würden, die Gastgeber
erwarteten das nur zu 10%.

„Alpine Destinationen laden wir ein, die Erfahrungen aus den Pilotregionen
zu nutzen, mit ihrer eigenen Situation zu vergleichen, individuelle
Strategien festzulegen und in der Region zu verankern“, erklärte
Projektleiter und Gastgeber des Symposiums Professor Dr. Felix Kolbeck.
Vertretern aus Politik, von Verbänden und aus der Verwaltung bat er,
angesichts der Heterogenität des Alpenraums eine Vielzahl verschiedener
Anpassungswege zuzulassen und zu fördern. Der Fokus sollte dabei eher auf
Anpassung, als auf Vermeidung liegen. Tourismuspartner rief Kolbeck zur
Zusammenarbeit auf und betonte: „Der Gast will keinen „Klimaurlaub“
machen, also die Klimaverträglichkeit als Leitmotiv seines Urlaubs haben,
sondern in für ihn attraktiven Themen angesprochen werden, wie etwa
Ernährung, Sport, Wellness. Daher sollten die Anbieter versuchen, die
Klimawirkung innerhalb dieser Angebote zu optimieren anstatt Klimaschutz
als Hauptaspekt zu vermarkten.“

Das Nachhaltigkeits-Paradigma aus „ökologisch-ökonomisch-sozial“ könnte
man laut Kolbeck für den Tourismus umformulieren in: Rentabilität (für die
Anbieter), Urlaubsqualität (für den Gast) und Lebensqualität (für die
Bevölkerung). Johannes Reißland, Geschäftsführer des forum anders reisen
e.V. beschrieb den Ansatz des nachhaltigen Tourismus dagegen gemäß einer
asiatischen Weisheit: Mit Feuer kann man Suppe kochen oder das ganze Haus
abbrennen. Wir wollen Suppe kochen.“

Alle Vorträge des Tourismus-Symposiums sind ab 27. April 2011 unter
<
www.tourismus.hm.edu> als Download erhältlich. Das Projekt ClimAlpTour
wird von Mitteln des EU-Alpenraumprogramms gefördert und Ende 2011
abgeschlossen.

Arten der Pressemitteilung:
Forschungsergebnisse
Wissenschaftliche Tagungen

Sachgebiete:
Gesellschaft
Meer / Klima
Umwelt / Ökologie
Wirtschaft




Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news420064

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution152























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