Freitag, 25. März 2011

#Genosse #Trend ist #ein #Grüner (idw)

Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW Berlin, Renate Bogdanovic,
24.03.2011 12:29

Genosse Trend ist ein Grüner

Die Grünen könnten sich bei Wahlen dauerhaft rund um die 20-Prozent-Marke
platzieren. Jenseits aktueller Stimmungstrends kann die Partei von einem
langfristigen Anstieg ihrer Anhängerschaft profitieren. Dies ist das
Ergebnis einer heute vorgestellten Langfristanalyse des Deutschen
Instituts für Wirtschaftsforschung.


 


Die Grünen finden seit den 80er Jahren bis heute ungebrochen überproportionale


Unterstützung bei jungen Menschen.



Der Partei gelingt es zudem, diese Anhänger im späteren Lebenslauf
dauerhaft an sich zu binden.

Ein weiteres Ergebnis: Ein großer Teil der ehemals jugendlichen grünen
Anhänger ist inzwischen insbesondere unter Besserverdienenden, Beamten,
Angestellten und Selbstständigen zu finden.


 


Bündnis 90/Die Grünen machen somit hinsichtlich der Interessenvertretung


einer bürgerlichen Klientel insbesondere der Union und der FDP Konkurrenz.


 


Dennoch gilt: Bei den Schwankungen der Anhängerschaft gibt es für die


Grünen einen Austausch nahezu ausschließlich mit einer einzigen Partei - der SPD.

Bündnis 90/Die Grünen repräsentierten früher eine Partei der gebildeten,
aber schlecht verdienenden, ökologisch orientierten Jungen. "Inzwischen
ist es den Grünen gelungen, sowohl die frühen Unterstützer dauerhaft an
die Partei zu binden und bei Erst- und Jungwählern zugleich  weiterhin
überdurchschnittlich erfolgreich zu sein", sagt Martin Kroh, einer der
Autoren der DIW-Studie. "Heute sind die Grünen die Partei der
umweltbewussten, gut gebildeten, gut verdienenden Beamten und
Selbständigen mittleren Alters in Großstädten."

Formal gering Gebildete, Arbeitslose und Geringverdiener unterstützen die
Grünen hingegen kaum. Grüne Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik muss auf
diese Klientel folglich nur wenig Rücksicht nehmen. "Der Aufstieg der
Grünen ist alles andere als ein kurzfristiges Phänomen", so Jürgen Schupp,
Leiter des SOEP im DIW Berlin. "Vielmehr ist die Partei im Bürgertum sehr
dauerhaft etabliert - eine klassisch linke Klientel haben die Grünen
hingegen derzeit nicht."

Pazifisten sind keine typischen Grünen-Anhänger

Die Langfrist-Betrachtung der SOEP-Daten liefert einen weiteren
auffallenden Befund: Das Thema Pazifismus haben die Grünen an die
Linkspartei verloren. Dies zeigt sich zumindest, wenn man die Anhänger der
Grünen Jahr für Jahr nach ihren politischen Sorgen befragt. So
unterstützen Befragte, die Sorgen um den Friedenserhalt äußern, seit Ende
der 90er Jahre nicht mehr überproportional die Grünen.

Wanderungen zwischen Parteien sind selten - nur bei SPD und Grünen gibt es
eine gewisse Wanderbereitschaft

Wanderungen zwischen Parteien und insbesondere zwischen politischen Lagern
treten sehr selten auf: 84 Prozent der Grünen-Anhänger von 2009, die auch
2010 eine Partei unterstützten, nannten wieder B90/Die Grünen. Zum
Vergleich: Bei der CDU/CSU sind es 95 Prozent, bei der SPD 90 Prozent, bei
der Linken 89 Prozent und bei der FDP 61 Prozent.

Die Analyse der SOEP-Daten zeigt: Wanderungsbewegungen bei den Anhängern
der Grünen gibt es nahezu ausschließlich mit der SPD. Diese Wanderung geht
in beide Richtungen. In Zeiten politischer Krisen (Fundi-Realo-
Auseinandersetzung, Bundeswehreinsätze Ende der 90er Jahre) haben die
Grünen beispielsweise viele Anhänger wieder an die SPD verloren. Der
Austausch an Anhängern mit den bürgerlichen Parteien und der PDS/Linken
fällt für die Grünen weit weniger ins Gewicht.

Demographischer Wandel: Struktureller Vorteil für die Grünen

Klar ist: Der Anstieg der grünen Anhängerschaft kann nicht maßgeblich aus
der Zuwanderung von ehemaligen Anhängern anderer Parteien erklärt werden.
Eine plausible alternative Erklärung besteht darin, dass insbesondere das
Hineinwachsen neuer geburtenstarker Geburtsjahrgänge den Grünen einen
langsam wachsenden Rückhalt beschert hat.

Demnach sind die ersten Generationen von jungen Grünen-Anhängern aus den
80er Jahren (Jahrgänge 1950/59 und insbesondere 1960/69) der Partei auch
30 Jahre nach deren Gründung in hohem Maße treu geblieben. In dem Maße, in
dem sich im Laufe der Zeit die relative Bedeutung der Geburtsjahrgänge bis
1950 zu den Jahrgängen nach 1950 verringert, steigt auch der Anteil grüner
Parteianhänger an der Bevölkerung. Der demographische Wandel der
Gesellschaft stellt somit einen strukturellen Vorteil für die Grünen dar
und eröffnet der Partei die Möglichkeit, sich künftig tatsächlich der
20-Prozentmarke bei Wahlen zu nähern.

Die Abiturienten-Partei

Die SOEP-Analyse bestätigt zudem das Bild von den Grünen als Partei der
arrivierten, gut gebildeten Großstädter. Die Altersstruktur ihrer
Anhängerschaft spiegelt sich auch in den beruflichen Lebenswegen ihrer
Anhänger: Die Grünen rekrutieren ihre Anhänger fast ausschließlich unter
Menschen mit Abitur (etwa 18 Prozent seit 1984). Unter Menschen mit einem
Volks- oder Hauptschulabschluss finden die Grünen hingegen kaum
Unterstützung (etwa drei Prozent). Dieser Zusammenhang hat sich seit den
80er Jahren nicht verändert. Doch die ehemaligen Abiturienten und
Studenten sind inzwischen in gut bezahlte Berufe hineingewachsen - ihre
politische Anhängerschaft haben sie beibehalten.

Höchster Anteil von Grünen-Anhängern bei der höchsten Einkommensgruppe

Auch an den Einkommen der grünen Parteianhänger ist diese Entwicklung
nochmals abzulesen. Die Grünen fanden 1984 bis 1989 mit rund neun Prozent
die höchste Unterstützung bei den 20 Prozent der Bevölkerung mit den
geringsten verfügbaren Einkommen. Dieses Bild hat sich in den folgenden
Jahren ins Gegenteil verkehrt. So ist in der Periode von 2008 bis 2010 der
höchste Anteil grüner Parteianhänger bei Personen mit dem höchsten
Einkommen anzutreffen (16 Prozent Unterstützung im obersten
Einkommensfünftel).

"Keine Konkurrenz um linke Klientel"

Bezogen auf die sozialstrukturelle Position ihrer Anhänger finden die
Grünen heute somit die höchste Unterstützung bei einem gutsituierten
Bildungsbürgertum. "Gerade auch der Erfolg bei Selbstständigen und
Freiberuflern sowie bei Personen mit überdurchschnittlichen Einkommen
untergräbt den bürgerlichen Alleinvertretungsanspruch von Union und FDP
für diese Klientel", so Studienautor Martin Kroh. "Die fehlende
Unterstützung der Grünen bei Menschen mit geringer Bildung, Arbeitern und
Arbeitslosen deutet hingegen darauf hin, dass die Grünen trotz ihrer
Selbstwahrnehmung als "linke" Kraft mit der SPD und Linken faktisch nicht
um Anhänger aus dem klassischen Arbeitermilieu konkurrieren.


HINTERGRUND: Jenseits der Sonntagsfrage - Das SOEP zeigt, wie
Parteibindungen mit Einkommen, Beruf und Bildung zusammenhängen

Die heute veröffentlichte Untersuchung wirft einen analytischen Blick auf
langfristige Trends. Sie greift dabei zurück auf die vom DIW Berlin
zusammen mit TNS Infratest Sozialforschung erhobenen Daten des Sozio-
oekonomischen Panels (SOEP). Das Besondere dieser Daten: Zum einen werden
im SOEP seit mehr als 27 Jahren stets dieselben Personen zu ihren
parteipolitischen Präferenzen befragt. Zum zweiten liefert das SOEP einen
einmaligen Datenreichtum zu der Frage, wer diese Anhänger sind - wie viel
sie verdienen, welche Bildungsabschlüsse und welche berufliche Stellung
sie haben.

Was das SOEP auszeichnet: Den hier befragten rund 20.000 Personen wird
nicht die Sonntagsfrage gestellt ("Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl
wäre ..."). Vielmehr wird danach gefragt, ob man sich auch unabhängig von
Wahlterminen als Anhänger einer bestimmten Partei bezeichnen würde. Die
meisten Personen, die angeben, einer Partei verbunden zu sein, bleiben
dieser Partei auch in wiederholten Befragungen treu. Von den geschätzten
3,2 Millionen Anhängern von B90/Die Grünen des Jahres 2009 unterstützten
rund 2,3 Millionen die Grünen auch im darauffolgenden Jahr.


Arten der Pressemitteilung:
Forschungsergebnisse

Sachgebiete:
Gesellschaft
Politik

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.diw.de/sixcms/detail.php/369950 Wochenbericht Bündnis 90/Die Grünen auf dem Weg zur Volkspartei
http://www.diw.de/soep Sozio-oekonomisches Panel im DIW


Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news414960

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution375
















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