Montag, 28. Februar 2011

#Werbung vs. #Wahrheit - Anzeigenfinanzierte Fortbildungszeitschriften für Ärzte neigen zu einer #unkritischen #Berichterstattung


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Philipps-Universität Marburg, Johannes Scholten, 28.02.2011 08:09

Werbung vs. Wahrheit

Anzeigenfinanzierte Fortbildungszeitschriften für Ärzte neigen zu einer
unkritischen Berichterstattung über neue, umstrittene Medikamente. Das
haben Marburger Allgemeinmediziner und ihre Kollegen aus Göttingen,
Hamburg und Toronto herausgefunden, indem sie Zeitschriften mit und ohne
Werbung verglichen. Bei einzelnen Gratismagazinen lässt sich sogar
nachweisen, dass eine Empfehlungen im redaktionellen Teil mit dem
Vorhandensein von Anzeigen im gleichen Heft korrelieren, schreibt  die
Forschergruppe um Professorin Dr. Annette Becker und Professor Dr. Norbert
Donner-Banzhoff in der aktuellen Online-Ausgabe des kanadischen
Fachblattes CMAJ, die am heutigen Montag erscheint.

"Unsere Studie zeigt, dass die Tendenz, die Verschreibung eines
Medikaments zu empfehlen, von der Finanzierung der jeweiligen Zeitschrift
abhängt", schreiben die Autoren. Die medizinische Fortbildung
niedergelassener Ärzte beruht im Wesentlichen auf zwei Arten von
Zeitschriften, erläutern die Wissenschaftler: "glänzend aufgemachte, aber
überwiegend durch Anzeigen finanzierte Zeitschriften, die gratis an
Arztpraxen geschickt werden; und nüchterne, anzeigenfreie, die sich
ausschließlich von ihren Abonnenten getragen werden". Alle Zeitschriften
sollen Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Studien in die Praxis
transportieren. Sie tun dies aber auf sehr unterschiedliche Weise.

Die Wissenschaftler werteten 465 Ausgaben von elf viel gelesenen deutschen
Weiterbildungsmagazinen aus. Sie identifizierten 638 Anzeigen für
innovative Arzneimittel sowie 497 redaktionelle Beiträge, die eine
Empfehlung für oder gegen diese Präparate aussprechen. Die Tendenz der
Artikel wurde durch zwei Mitarbeiter systematisch eingeschätzt  – das
Ergebnis: Während werbefreie Magazine dazu neigen, von einer Verschreibung
der genannten Medikamenten abzuraten, gilt für anzeigenabhängige
Gratisjournale das Gegenteil. "Wir präsentierten unseren Testpersonen zwar
alle Artikel in neutraler Aufmachung", berichten die Autoren der aktuellen
Studie, "aber mit zunehmender Erfahrung vermochten die Probanden den
Zeitschriftentyp allein aufgrund des Schreibstils ohne weiteres
zuzuordnen." Bei zwei der untersuchten Journale lässt sich sogar zeigen,
dass sich die Wahrscheinlichkeit einer therapeutischen Empfehlung mehr als
verdoppelt, wenn eine Anzeige geschaltet wurde.

Die Befunde verdienen Beachtung vor dem Hintergrund einer früheren Studie
zum Leseverhalten kanadischer Ärzte, von denen demnach mehr als die Hälfte
ihre Informationen aus kostenlosen Magazinen beziehen.  "Ärzte sollten
sich über die Alternative im Klaren sein, entweder für Zeitschriften mit
objektiver Berichterstattung zu bezahlen, oder auf die tendenziöse
Berichterstattung in Gratis-Zeitschriften zu vertrauen", resümieren die
Autoren der aktuellen Untersuchung. In einem Kommentar warnt der Mediziner
Dr. Aaron Kesselheim von der Harvard Medical School, Pharma-Werbung könne
"zum unnötigen, überflüssigen Gebrauch von Arzneimitteln beitragen oder
dazu führen, dass sie ohne ausreichenden Wirksamkeitsnachweis bei neuen
Indikationen eingesetzt werden."
Originalveröffentlichung: Canadian Medical Association Journal, Online-
Ausgabe, 28. Februar 2011, doi: 10.1503/cmaj.100951

Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Professorin Dr. Annette Becker,
Institut für Medizinische Psychologie
Tel.: 06421 28-66250
E-Mail: <Annette.Becker@staff.uni-marburg.de>

Professor Dr. Norbert Donner-Banzhoff,
Abteilung für Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin
Tel.: 06421 28-65119
E-Mail: <norbert@staff.uni-marburg.de>

Arten der Pressemitteilung:
Forschungsergebnisse
Wissenschaftliche Publikationen

Sachgebiete:
Medizin

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter der WWW-Adresse:
http://idw-online.de/de/image136081
Professorin Dr. Annette Becker

http://idw-online.de/de/image136082
Professor Dr. Norbert Donner-Banzhoff

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter:
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Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution376



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