Donnerstag, 24. Februar 2011

Der US-Präsident hält den "Defense of Marriage Act" für verfassungswidrig. [via queer.de]

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Obama macht homopolitische Kehrtwende

Der US-Präsident hält den "Defense of Marriage Act" für verfassungswidrig. Weitgehende Folgen möglich.



Von Norbert Blech
Der amerikanische Präsident Barack Obama hat am Mittwoch überraschend sein Justizministerium angewiesen, in Gerichten nicht mehr ein Bundesgesetz zu verteidigen, das die Ehe als Verbindung von Mann und Frau definiert. Diese Entscheidung, die weitreichende Folgen haben kann, kündigte Justizminister Eric Holder in einer Erklärung an. Obama begründe die Entscheidung damit, dass er das Gesetz für verfassungswidrig halte, erklärte Holder.
Der Defense of Marriage Act (DOMA) war 1996 von einem republikanisch dominierten Kongress mit großer Mehrheit eingeführt worden, mit der Unterschrift des demokratischen Präsidenten Bill Clinton. Damals kam die Angst auf, dass Gerichte aus Gleichberechtigungsgründen die Ehe für Schwule und Lesben in bestimmten Staaten öffnen könnten. Abschnitt Zwei besagt, dass Bundestaaten die Homo-Ehen anderer Staaten nicht anerkennen müssen.



Der dritte Abschnitt (einen ersten und einen weiteren gibt es nicht) definiert die Ehe als Verbindung von Mann und Frau. Damit erkennt die Bundesregierung Homo-Ehen aus den einzelnen Bundesstaaten nicht an. Aufgrund mehrerer aktueller Gerichtsprozesse, die derzeit durch die Instanzen gehe, habe er nun dem Präsidenten ein Umdenken empfohlen, schreibt Holder in einer langen Erklärung an den Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, John Boehner. Die Anweisung des Präsidenten bezieht sich nur auf diesen dritten Abschnitt.

Zwei akute Fälle, und viele mehr

Damit zieht sich die amerikanische Regierung zugleich aus zwei aktuellen Fällen vor US-Bundesgerichten zurück, mit dem Hinweis an die Gerichte, dass sie das Gesetz für verfassungswidrig und eine Anerkennung der Homo-Ehen für sinnvoll hält. Allerdings steht es durch die Verfassung Mitgliedern des Kongresses offen, als Partei in die Prozesse einzutreten und ihre Argumente gegen die Anerkennung der Homo-Ehe vorzubringen.



Die Gerichte müssen der Argumenation der Regierung (mehr dazu unten) nicht folgen und es ist nicht ausgeschlossen, dass letztlich doch der Supreme Court über die Verfassungsmäßigkeit des DOMA entscheidet. Solange der Kongress oder die Justiz das Gesetz nicht abschafft, ist es noch zu befolgen, befahl der Präsident.



Die beiden Fälle zeigen, dass es nicht nur ein theoretisches Problem geht. In einem Fall hatte Thea Spyer den Staat auf eine reduzierte Erbschaftssteuer verklagt, wie sie Eheleuten zusteht. Die Witwe hatte 44 Jahre lang mit ihrer Partnerin zusammengelebt und war in New York eine Lebenspartnerschaft eingegangen, die aber von der Bundesregierung mit Verweis auf DOMA nicht anerkannt wird.



In einem anderen Fall, Pedersen v. Office of Personnel Management, klagen gleich fünf Paare auf Anerkennung im Steuer- und Rentenrecht und in Fragen weiterer sozialer Absicherung. Insgesamt behindert DOMA die Anerkennung von 1.138 Rechten und Pflichten, die Eheleute betreffen und nicht für Lebenspartnerschaften gelten.

"Affirmative Position"

Bisher hatte die US-Regierung in Gerichten die strenge Ehe-Definition vertreten. Diese Haltung hielte jedoch einer genauen Prüfung nicht stand, erklärt Holder in seiner langen Begründung. Stattdessen müsse die Bundesregierung eine "bejahende" ("affirmative") Position einnehmen.



Bei Gesetzen, die die Rechte von Minderheiten beschränken, sei eine genauere Prüfung verlangt als bei anderen. Das Wort "heightened scrutiny" ist dabei ein juristischer Schlüsselbegriff; er besagt, dass eine Beeinträchtigung von Grundrechten durch den Staat einer bedeutenden Begründung bedürfe (die nun folglich bei DOMA nicht mehr vorliege). Zwar habe das Oberste Gericht Maßstäbe für eine solche "heightened scrutiny" noch nicht auf die Frage der sexuellen Orientierung angewandt, man käme dazu aber im Vergleich. Holder benennt dafür vier Gründe:
Das Gesetz sei diskriminierend und Schwule und Lesben hätten als Gruppe schon viel Diskriminierung erfahren, so der Justizminister. Zudem sei die sexuelle Orientierung eines Menschen unveränderlich. Dass es weiterhin keinen bundesweiten Schutz gegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung gebe, sei ein Hinweis, dass diese Personengruppe nicht genügend Macht habe, um sich selbst zu schützen. Zuletzt ändere die sexuelle Orientierung nichts daran, wie gut sich jemand in die Gesellschaft einbringe.



Wie bisherige Gerichtsdebatten gezeigt hätten, habe der "Defense of Marriage Act" auch keine rationale Basis, schreibt Holder. In den letzten 15 Jahren habe sich die juristische Landschaft verändert.

Reaktionen



Nur wenige Minuten nach der Erklärung Holders legten die Kläger gegen die Volksabstimmung Proposition 8 in Kalifornien, die die Homo-Ehe in dem Bundesstaat derzeit verbietet, einen Antrag zu ihrer Klage vor. Das Gericht müsse Homo-Ehen vorläufig wieder erlauben, bis es eine Entscheidung in der Hauptsache treffe. Das war bislang abgelehnt worden.



Die Human Rights Campain lobte die "monumentale Entscheidung" des Präsidenten. Nun sei der Kongress aufgefordert, "keinen weiteren Dollar aus Steuermitteln zu verschwenden", um das verfassungswidrige und diskriminierende Gesetz zu verteidigen. Die Organisation "Freedom To Marry" lobte den "großen Schritt vorwärts".
In einer ersten Stellungnahme für die Republikaner kritisierte John Boehner die Entscheidung. "Während Amerikaner wünschen, dass sich Washington auf die Schaffung von Jobs und das Kürzen von Ausgaben fokussiert, muss der Präsident erklären, warum er denkt, dass nun die beste Zeit für ihn ist, ein kontroverses Thema aufzuwirbeln, dass die Nation scharf trennt."
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