Samstag, 22. Januar 2011

Hilfe, die Kommunisten kommen - eine #bizarre #Debatte im #Bundestag [Neues Deutschland - 22.01.2011]


Elf gegen Einen

Hilfe, die Kommunisten kommen – eine bizarre Debatte im Bundestag

[Neues Deutschland]

http://www.neues-deutschland.de/artikel/189136.elf-gegen-einen.html

Das Ganze hat etwas Skurriles: Der derzeit mächtigste Kommunist, Hu Jintao, Staatschef und Generalsekretär der KP Chinas, wird in Washington mit einem pompösen Bankett empfangen, Konzernchefs applaudieren ihm. In Deutschland mühen sich Konservative, Liberale, Grüne und Sozialdemokraten zeitgleich, ein Gespenst zu vertreiben, das niemanden bedroht.

 

Berlin (ND-Oertel/Reents). Die mit großer Spannung erwartete gestrige Aktuelle Stunde im Bundestag zu den Kommunismus-Äußerungen der Linkspartei-Vorsitzenden Gesine Lötzsch wurde zu dem, was zu fürchten stand – ein großes Haudrauf auf die LINKE. An dem beteiligten sich nicht nur die Initiatoren des parlamentarischen Scherbengerichtes, Union und FDP, sondern auch SPD und Grüne nach Herzenslust: mit elf Rednern gegen einen.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe gab mit einer Aufzählung der im Namen des Kommunismus zu beklagenden Toten in der Sowjetunion, in China und Kambodscha den Aufschlag und zugleich die beabsichtigte Richtung der Debatte vor: Regierungsverantwortung für die Linkspartei darf es nicht geben – weder in Brandenburg und Berlin, noch sonstwo.

Ins gleiche Horn blies Jens Ackermann (FDP), der Gesine Lötzsch kurzerhand zur geistigen Brandstifterin erklärte. Er forderte SPD und Grüne auf, die Kooperation mit der LINKEN einzustellen. Mit gespieltem Pathos rief der 35-jährige FDP-Mann in den Plenarsaal: »Eines muss Demokraten einen: Nie wieder Kommunismus auf deutschem Boden.«

Wolfgang Thierse (SPD) gab vor, die Debatte eher lästig zu finden – beteiligte sich dann aber mit gleichem Tonfall daran. Die Ignoranz der »Nachfolgepartei der SED« gegenüber den Opfern des Kommunismus nannte er »beschämend, verletzend, skandalös und verräterisch«. Angesichts der Lötzsch-Äußerung sei es unglaubwürdig, dass die Linkspartei sich radikal mit ihrer Geschichte beschäftigt und Lehren daraus gezogen habe.

Dennoch räumte Thierse ein, dass es wichtige und anständige Motive gebe, am Traum von Gerechtigkeit festzuhalten – das ginge jedoch nur mit einer radikalen Kommunismus-Kritik. »Sie müssen sich entgültig entscheiden, was Sie wollen«, rief auch der SPD-Politiker den Abgeordneten der Linksfraktion ein wenig theatralisch zu.

Ganz im Unterschied zu Wolfgang Wieland von den Grünen, dem sowohl zu Sahra Wagenknecht als auch zu Gesine Lötzsch und Klaus Ernst nur ein paar abschätzige Bemerkungen einfielen – und der ansonsten bei der LINKEN nur Heuchelei, Nebelkerzen, beleidigte Leberwürste und verfolgte Unschuld ausmachte.

Sein Fazit: »Keine Relativierung des Kommunismus und erst recht keine Rehabilitierung der Täter.« Solcherlei Drohung verschärfte nur noch der Staatssekretär des Bundesinneministeriums Wolfgang Bergner (CDU), der meinte, wer Wege zum Kommunismus suche, suche Wege aus dem Grundgesetz und müsse sich über Verfassungsschutz-Beobachtung nicht wundern.

Ulrich Maurer, der einzige Redner, der der Linksfraktion in dieser Proporz-Stunde zustand, schäumte zurück und erklärte das ganze Theater im Bundestag zum Wahlkampf. Mit Verweis auf die lange Geschichtsdebatte der Linkspartei und zuvor der PDS sagte er, man könne sich nur wünschen, dass sich die Union in gleicher Weise von der Kollaboration der Adenauer-Ära mit den Nazis abgrenze.

Die LINKE sei die einzige Partei, die Gewalt ablehne, sie sei eine Gegnerin jedes Krieges, stehe für die Wiedergewinnung von Sozialstaat und Gerechtigkeit und bekämpfe als einzige Partei den Finanzmarktkapitalismus.

Dass sich Maurer damit keine Freunde im Plenarsaal machte, versteht sich von selbst – aber endgültig um die Fassung der Abgeordneten aller anderen Fraktionen war es geschehen, als er aus der Apostel-Geschichte zitierte: Das dort geschilderte Gemeineigentum sei »Kommunismus pur«. Unglaublich, rief da ein Abgeordneter – und qualifizierte damit ungewollt das ganze Spektakel im Parlament.

Das bekam Gesine Lötzsch freilich nur aus der Entfernung mit: Sie war nicht bei der Debatte anwesend, was von mehreren Rednern heftig kritisiert wurde.


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