Mittwoch, 29. Dezember 2010

--->>> Schlecht geht es dem Land oder #Von der #Entmenschlichung #durch #die #Ökonomie <<<---


global news 2249 26-12-10:

Schlecht geht es dem Land oder

Von der Entmenschlichung durch die Ökonomie

(auch ein Rückblick über 60 Jahre)

(jjahnke.net)

http://www.jjahnke.net/rundbr80.html#2249


Die Menschheit hat nun eine viele Jahrtausende alte Zivilisations- und Organisationsgeschichte hinter sich, die nur und erst in den letzten zweihundert Jahren immer mehr unter das Diktat der Ökonomie und ökonomischen Effizienz gestellt wurde, und das auch noch unterschiedlich von Land zu Land und von Zeit zu Zeit.

Dabei wurde ökonomische Effizienz zunehmend und einseitig im Sinne der Profitabilität privaten Eigentums und der Geringschätzung staatlicher Leistungen definiert.

Die "efficient market hypothesis", also die Annahme einer allein durch den Markt automatisch entstehenden maximalen Effizienz menschlicher Gesellschaft galt fortan als ein Grundgesetz der Gesellschaft.

Es unterstellt fälschlich, daß alle Marktteilnehmer eine perfekte Kenntnis aller gegenwärtigen und künftigen ökonomischen Fakten haben und daher immer die effizientesten Entscheidungen treffen können - eine spätestens durch die derzeitige schwere globale Krise widerlegte Annahme. Die Annahme ist ebenso falsch wie die Annahme der Planer im Sowjetkommunismus, alle gegenwärtigen und künftigen menschlichen Bedürfnisse zu kennen und planen zu können.

Gegen diese Unterstellung hatte sich schon vor der Krise Joseph Stiglitz gewandt, der 2001 den Nobelpreis in Ökonomie für seine Arbeit an Märkten mit asymetrischer Information bekommen hatte. Nach Stiglitz funktionieren Märkte nur unter außergewöhnlichen Umständen effizient.

Die USA hatten die längste Zeit ein viel strikteres Verhältnis zur Ökonomie menschlichen Lebens als das alte Europa. Das ökonomische Diktat verschärfte sich seit den 60er Jahren immer weiter und trieb auf der einen Seite sagenhaften Reichtum und auf der anderen bitterste Armut hoch.

Verdiente 1968 typischerweise der Chef von General Motors sechsundsechzigmal so viel wie ein durchschnittlicher Arbeiter im Unternehmen, so verdient heute der Chef des Einzelhandelskonzerns MalMart neunhundertmal so viel wie seine durchschnittlichen Angestellten.

Die Familie des WalMart-Gründers kommt auf ein Vermögen, das dem von 120 Millionen Amerikanern zusammengenommen oder 40 % der Bevölkerung der USA entspricht. Im Verlaufe dieser Entwicklung expandierte der Finanzsektor immer weiter und übernahm die Führung der Volkswirtschaft.

In Europa stellte sich Großbritannien an die amerikanische Seite und seit 20 Jahren in Asien vor allem China. Das kontinentale Europa ging dann seit den 70er Jahren und vor allem seit dem Ende des Kommunismus sowjetischer Prägung auf den gleichen Trip, die Lebensqualität zunehmend einseitig von der Ökonomie und angeblichen ökonomischen Effizienz bestimmen zu lassen.

Für die Europäische Union schlug mit der Lissabon Agenda das neue ökonomiebestimmte Zeitalter. Selbst klassische sozialdemokratische Positionen, die Wert auf sozialen Ausgleich und die Rolle des Staates gelegt hatten, wurden unter New Labour in Großbritannien, Schröders SPD in Deutschland und entsprechende Entwicklungen anderswo aufgegeben und sind trotz der Krise bisher nicht wiederbelebt worden.

Die erfolgreiche Phase sozialen Ausgleichs, die von 1945 bis in die 70er Jahre gedauert hatte und der in Deutschland das Wirtschaftswunder mit der Sozialen Marktwirtschaft oder in Frankreich "Les Trentes Glorieuses" entsprungen waren, ging zu Ende. Hierzu ein neues und sehr empfehlenswertes Buch von Tony Judt, "Ill fares the land" oder "Schlecht geht es dem Land":

"Ill faires the land, to hastening ills a prey,
Where wealth accumulates, and men decay."

"Schlecht geht es dem Land, eine Beute für beschleunigte Übel,
Wo sich Reichtum ansammelt, und Menschen verrotten."

(Oliver Goldsmith, 1770)

Das deutsche Wirtschaftswunder der Sozialen Marktwirtschaft und sein Ende zeigen sich deutlich in der Entwicklung der Bruttoinvestitionen, die von rund 28 % der deutschen Wirtschaftsleistung auf nur noch weniger als 17 % zurückgefallen sind (Abb. 14988). Hier wird dokumentiert, wie die deutsche Industrie zunehmend Investitionen im Inland durch meist spekulative Finanzinvestitionen im Ausland ersetzt hat. Gleichzeitig ging seit den 80er Jahren der bis dahin steigende Anteil der Arbeitnehmereinkommen an der Wirtschaftsleistung von 57 % auf weniger als 51 % zurück (Abb. 14989). Seit 1970 stieg die Arbeitslosenquote steil an, wobei der leichte Rückgang seit 2005 vor allem auf statistischen Tricks und dem Aufbau eines wuchernden und unsicheren Niedriglohnsektors beruhte (Abb. 04197); dabei stieg die Arbeitsproduktivität seit den 90er Jahren immer stärker - Ergebnis von mehr Automaten und stärkeren Arbeitsdrucks (Abb. 14990). Die ökonomische Effizienz diktierte das Leben immer mehr.




Der Staatsapparat wurde seit 1995 immer weiter abgebaut und allein die Beamtenzahl von 1.7 Millionen auf nur noch 1,2 Millionen zusammengestrichen (Abb. 14991), die Wertschöpfung des Staates als Anteil an der gesamten Wirtschaftsleistung auf nur noch 13 % gedrückt, viel niedriger als in Vergleichsländern (Abb. 15615, 15616).


Da sind wir nun heute, und die eigentlich augenöffnende Krise ist noch längst nicht zu Ende. Ist diese Entwicklung hin zum Diktat der Ökonomie unwiderruflich, auch nachdem das theoretische Fundament eines alleffizienten Marktes zerbrochen ist?

Muß eine dreißig Jahre unter tausenden von Jahren andauernde, die Kultur und Menschlichkeit verdrängende Verirrung nun auch unendlich die Zukunft der Menschheit bestimmen? Wohl kaum!

 






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