Montag, 29. November 2010

Ulrike Herrmann: Der #Hunger #der #anderen [Nachdenkseiten + taz]


Ulrike Herrmann: Der Hunger der anderen

(Nachdenkseiten)

http://www.nachdenkseiten.de/?p=7556#h07


Die Frage ist verzwickt und wird doch millionenfach gestellt: Wo bloß lassen sich die eigenen Ersparnisse noch sicher anlegen, wenn selbst Staaten in den Bankrott steuern?

Griechenland ist pleite, Irland auch, und bald dürfte Portugal EU-Hilfen beantragen.

Die Finanzkrise ist nicht vorbei, sondern bedroht die Rücklagen eines jeden.

Doch Trost ist nah.

Es gehört zu den Wundern dieser Finanzkrise, dass es in Zeiten der allgemeinen Ratlosigkeit nie an Ratgebern fehlt.

Zu einer Institution ist der Bestsellerautor Max Otte geworden.

Mit seiner von ihm sogar patentierten "Königsanalyse" gibt er auch folgende Anweisung: Kaufen Sie Ackerland! "Der Adel ist damit ja auch über die Jahrzehnte und Jahrhunderte ganz gut gefahren." Diese Selbst-Nobilitierung durch Boden-Akquise hat nicht nur Max Otte entdeckt.

Weltweit kaufen die Kapital-Investoren Böden auf. Legendär sind die Chinesen, die sich in Afrika mit Flächen versorgen.

Aber auch in Deutschland erfährt das Land eine ganz neue Wertschätzung, die sich nicht nur auf die Landlust-Leser beschränkt.

"Börse-Online", nie um eine Umfrage verlegen, hat daher 70 Fachmakler befragt.

Das Ergebnis wurde in der vergangenen Woche präsentiert und zeigt einmal mehr, dass die deutschen Äcker zum Spekulationsobjekt geworden sind: Die meisten Flächen werden nicht mehr von Landwirten gekauft – sondern von Finanzinvestoren. 85 Prozent der Käufer gaben an, sich gegen eine mögliche Inflation absichern zu wollen. Daher "suchten" sie nach einem "Sachwert". Jeweils 40 Prozent wollten vom Boom bei den Agrarrohstoffen profitieren oder aber ihr "Portfolio diversifizieren".

Übrigens muss man nicht unbedingt einen Acker kaufen, um mit Lebensmitteln zu spekulieren.

Es reicht völlig, sich an Nahrungsmittelkonzernen zu beteiligen. Max Otte rät in seinem neuesten Buch gleich mehrfach dazu, sich Nestlé-Aktien ins Depot zu legen, die für ihn "die sicherste und beste Aktie der Welt" ist.

Es ist also naheliegend, dass eine neue Blase entsteht – eine Ackerblase. Wie alle Blasen würde sie sich selbst verstärken. Wenn sich immer mehr Investoren für Agrarland interessieren, wird es automatisch teurer, und diese "Wertsteigerung" überzeugt dann weitere Anleger, dass es sich um "goldenen Boden" handelt, den man unbedingt erwerben muss. Wie jede Blase würde auch eine Acker-Blase platzen. Aber das ist kein Grund zur Schadenfreude.

Denn solange sich die Blase aufpumpt, würden weltweit die Lebensmittelpreise steigen – und ausgerechnet am Hunger der Armen wollen die neuen Agrarinvestoren verdienen.
Quelle:
taz

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