Mittwoch, 24. November 2010

Joseph E. Stiglitz: #Gerechtigkeit #für #einige (Nachdenkseiten)


Joseph E. Stiglitz:

Gerechtigkeit für einige

(Nachdenkseiten)

http://www.nachdenkseiten.de/?p=7453#h06

In Amerika ist die Korruptheit auf einer höheren Ebene angesiedelt. Es werden keine bestimmten Richter gekauft, sondern die Gesetze selbst – durch Wahlkampfspenden und Lobbyismus, was mittlerweile als "Korruption im amerikanischen Stil" bezeichnet wird.

 

Es war weithin bekannt, dass Banken und Hypothekengesellschaften rücksichtslose Kreditvergabepraktiken hatten und die Kunden mit der geringsten Bildung und den wenigsten Finanzkenntnissen ausnutzten, um Kredite zu vergeben, die den Kreditnehmern maximale Gebühren und gewaltige Risiken aufbürdeten. (Gerechterweise muss man anmerken, dass die Banken auch versuchten, Kunden mit mehr finanziellem Fachwissen auszunutzen, z. B. mit den von Goldman Sachs zusammengestellten Wertpapieren, die auf Verlust ausgelegt waren.)

 

Doch setzten die Banken all ihre politische Kraft ein, um die einzelnen Staaten davon abzuhalten, Gesetze zu erlassen, die diese rücksichtlose Kreditvergabe beschnitten hätten.


Als deutlich wurde, dass die Kunden ihre Schulden nicht zurückzahlen konnten, änderten sich die Spielregeln. Insolvenzgesetze wurden geändert, um ein System der "partiellen Schuldknechtschaft" einzuführen. Eine Person mit Schulden in Höhe von, sagen wir mal, 100 % ihres Einkommens könnte gezwungen werden, der Bank für den Rest ihres Lebens 25 % ihres Brutto-Einkommens vor Steuern zu überlassen, denn die Bank könnte jedes Jahr z. B. 30 % Zinsen auf den geschuldeten Betrag aufschlagen.

 

Am Ende würde der Hypothekennehmer der Bank wesentlich mehr schulden, als sie je bekommen hat, obwohl der Schuldner tatsächlich ein Viertel seiner Arbeitszeit für die Bank gearbeitet hat. Als dieses neue Insolvenzgesetz verabschiedet wurde, beschwerte sich niemand, dass es in die Vertragstreue eingriff: Als die Kreditnehmer ihre Schulden aufnahmen, gab ihnen ein humaneres – und wirtschaftlich sinnvolleres – Insolvenzrecht eine Chance auf einen Neuanfang, falls ihre Schuldenlast zu erdrückend wurde.
Nun, wo eine von vier Hypotheken in den USA "unter Wasser" ist – das heißt, die Schulden übersteigen den Wert des Hauses –, herrscht zunehmende Einigkeit, dass der einzige Weg aus diesem Schlamassel ist, den Wert der Hauptsumme (was geschuldet wird) herabzusetzen.

Amerika verfügt über ein spezielles Verfahren für Unternehmensinsolvenzen, genannt Chapter 11, das eine schnelle Umstrukturierung ermöglicht, indem Schulden abgeschrieben und ein Teil davon in Firmenkapital umgewandelt wird. Es ist wichtig, Unternehmen als geschäftstätige Betriebe am Leben zu erhalten, um Arbeitsplätze und Wachstum zu schützen. Doch ist es auch wichtig, Familien und Gemeinden intakt zu halten. Also braucht Amerika ein "Chapter 11 für Eigenheimbesitzer".

Quelle: Project Syndicate

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