Samstag, 20. November 2010

#Firmenvorstände #wegen #systematischer #Schwarzarbeit #vor #Gericht [Neues Deutschland]


 Betrug beim Schlachten

Von Helmut Lorscheid

Firmenvorstände wegen systematischer Schwarzarbeit vor Gericht

(Neues Deutschland)

http://www.neues-deutschland.de/artikel/184566.betrug-beim-schlachten.html


Die 14. Große Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf verhandelt seit Ende Oktober gegen Verantwortliche des Schlachtereikonzerns H. aus Dormagen.
Der Vorwurf lautet: Schwarzarbeit.

Dem Inhaber Axel Wilhelm H., seinen Geschäftspartnern und den Mitangeklagten wird vorgeworfen, zwischen 2003 und 2005 »an der Vorenthaltung von Sozialversicherungsabgaben und der Hinterziehung von Umsatzsteuern und Lohnsteuerbeträgen in Millionenhöhe beteiligt gewesen zu sein«.

So liest es sich, wenn Schwarzarbeit in einer Wirtschaftsstrafkammer verhandelt wird. Die Tatsache, dass viele der meist rumänischen Werkvertragsarbeiter über zu niedrige Bezahlung und teilweise unzumutbare Unterbringung klagten, spielt in dem Wirtschaftsprozess keine Rolle.

Am Rande der Verhandlung sagte die Vertreterin der Anklage, Oberstaatsanwältin Karin Schwarz, »Lohndumping ist eine Owi (Ordnungswidrigkeit), damit haben wir uns nicht befasst«.

In der mehr als 900 Seiten dicken Anklageschrift wird genau beschrieben, wie in der Firmengruppe H. über Jahre hinweg und nach einem ausgeklügelten System Sozialversicherungsabgaben in Höhe von »wenigstens 5 900 000 Euro« den Krankenkassen vorenthalten wurden. Im gleichen Zeitraum sollen außerdem »mindestens 1 250 000 Euro an Lohnsteuer« und »nicht weniger als 6 700 000 Euro an Umsatzsteuer« hinterzogen worden sein.

Von welch zentraler Bedeutung Schwarzgeldzahlungen im Reich des Axel H. waren, wurde deutlich, als die Angeklagten Auskunft über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse und somit auch über ihre Monatsgehälter gaben. Während Axel Wilhelm H. 14 000 Euro im Monat angab, waren es bei seinen Geschäftspartnern N. 1500 Euro und S. 3220 Euro, wobei er rund die Hälfte als geldwerten Vorteil (Dienstwagen etc.) erhielt.

Den »Rest«, der ein Vielfaches dieser offiziellen Gehälter ausmachte, erhielten sie steuer- und abgabenfrei. So sagte H., dass N. statt der angegebenen 1500 tatsächlich zwischen 25 000 bis 40 000 Euro monatlich erhielt.

Da sich fast alle Angeklagten in ihren Aussagen als schuldig im Sinne der Anklage bekannten, war die Vorsitzende Richterin der 14. Großen Strafkammer am Düsseldorfer Landgericht, Brigitte Koppenhöfer, schon am zweiten Verhandlungstag bereit, den Angeklagten ein Strafangebot zu unterbreiten. Danach drohen dem Hauptangeklagten Axel Wilhelm H. eine Haftstrafe zwischen fünf und sechs Jahren, seinem Geschäftspartner N. fünf Jahre und S. drei Jahre und elf Monate.

Die übrigen Angeklagten haben bei vollständiger Kooperation mit dem Gericht Bewährungsstrafen zwischen einem und zwei Jahren zu erwarten. Lediglich einer der Angeklagten, Rolf-Dieter Sch., bekannte sich als nicht schuldig.

Er bezeichnete sich selbst als den »Fachidioten für Löhne« und behauptete, nicht eigenverantwortlich an dem Schwarzgeld- und Betrugssystem beteiligt gewesen zu sein. Er gehörte nicht zur Geschäftsführung und hat nach eigenen Angaben »nur nach Anweisung gehandelt«. Weil seine Einlassung vom Gericht nicht als Geständnis gewertet wird, soll er an den folgenden Prozesstagen mit den Aussagen seiner Mitangeklagten konfrontiert werden.

Die bisherigen Erkenntnisse aus dem Verfahren kommentierte Claus-Harald Güster, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), mit den Worten: »Dieser Fall entlarvt ein System von Raubtierkapitalismus und Menschenverachtung, das mit Werkverträgen, Leiharbeit und Niedrigstlöhnen für meist osteuropäische Arbeitnehmer billiges Fleisch nicht nur auf den deutschen Markt wirft und verramscht, sondern Arbeitsplätze in anderen europäischen Ländern vernichtet.«

Tatsächlich gilt die deutsche Schlachtindustrie europaweit als »Billiglohngebiet«. Die Facharbeiter in den Nachbarländern betrachten die Verweigerung von Mindestlöhnen in Deutschland als existenzgefährdend.

So hat die französische Fleischindustrie eine Vereinigung gegen Sozialdumping gegründet und die Europäische Kommission dazu aufgefordert, Deutschland zu zwingen, einen Mindestlohn einzuführen.


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