Mittwoch, 24. November 2010

Dem #Terroralarm sei dank, der Bundestag wird bis auf weiteres nicht von #Sozialprotesten #belästigt. (junge welt)


Innere Mobilmachung

Von Rüdiger Göbel
(Junge Welt)

http://www.jungewelt.de/2010/11-24/064.php
 

Dem Terroralarm sei dank, der Bundestag wird bis auf weiteres nicht von Sozialprotesten belästigt. Die Berliner Polizei hat die von linken Gruppen für Freitag geplante Belagerung des Parlaments im Reichstag verboten.

An dem Tag wollen die Abgeordneten den sogenannten Sparhaushalt verabschieden. Bereits am Montag war unter Verweis auf die neue deutsche Gefährdungslage die Kuppel des Reichstagsgebäudes – Symbol für die demokratische Kontrolle des Parlaments – für normale Besucher gesperrt worden.

Der Zugang zum daneben gelegenen Dachrestaurant von »Feinkost Käfer« wird zahlungskräftiger Kundschaft weiter sichergestellt (jW berichtete).

»Offensichtlich möchte die Bundesregierung ihr Kürzungspaket unter Ausschaltung der Öffentlichkeit durchpeitschen«, erklärte Michael Prütz, Sprecher des Bündnisses »Wir zahlen nicht für eure Krise«, am Dienstag nach Bekanntwerden des Ukas. Dies sei »ein weiterer Schritt zum Demokratieabbau«. Man werde mit juristischen Mitteln gegen das Verbot vorgehen.

»Wir rufen alle Berlinerinnen und Berliner auf, sich zur genehmigten Kundgebung am Brandenburger Tor um 10 Uhr zu versammeln«, so Prütz. Das Berliner Schülerbündnis »Bildungsblockaden einreißen!« hält am angekündigten Protest direkt vor dem Reichstag fest. »Auch die Hysterie um einen Anschlag auf den Bundestag oder andere Objekte in der BRD werden uns nicht davon abhalten, friedlich in die Bannmeile zu gelangen, um dort auf die wirkliche Bedrohung – den massiven Sozialabbau – hinzuweisen«, heißt es in einer gestern verbreiteten Stellungnahme. Zivilcourage gegen Sozialabbau in Terroralarmzeiten eben.

Die Kids sind damit im Prinzip voll auf Regierungslinie: Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte im Terrortalk bei »Anne Will« am Sonntag vor einem Millionenpublikum dazu aufgerufen, sich öffentlich zu versammeln: »Es ist auch ein Zeichen von Zivilcourage, daß man selbstverständlich auf einen Fußballplatz geht, auf einen Weihnachtsmarkt geht, ins Theater geht, den Reichstag besucht.«

Mit Verweis auf den in der vergangenen Woche von de Maizière ausgelösten Terroralarm werden zunehmend verfassungsfeindliche Forderungen laut. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) macht sich für den Einsatz der Bundeswehr im Inland stark.

In der Neuen Osnabrücker Zeitung (Dienstagausgabe) schlug der Verbandsvorsitzende Klaus Jansen vor, »insbesondere auf die Feldjäger der Streitkräfte zurückzugreifen, weil diese auch polizeilich geschult sind«. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) macht ebenfalls für den Inlandseinsatz der Bundeswehr mobil.

Der neue Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, wies die Überlegungen als »populistisches Schauspiel« zurück. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sprach sich klar gegen den Inlands­einsatz der Armee aus. Vertreter aller Fraktionen bekräftigten ebenfalls ihre Ablehnung.

Die Unionsfraktion diskutiert derweil, die Pressefreiheit einzuschränken. Die Medien müßten »dazu verpflichtet werden, sich zurückzuhalten, wenn die Gefährdungslage wie jetzt hoch ist«, forderte der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestages, Siegfried Kauder (CDU). »Wenn die Presse darüber berichtet, welche Orte besonders gefährdet sind, dann kann das unter Umständen ein Anreiz für Terroristen sein.« Solche meist geheimdienstlichen Erkenntnisse seien aber nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.


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