Montag, 22. November 2010

Das #Geschäft mit dem #Tod - Sportökonomen der Universität Jena legen #Analyse des #Bestattungsmarkts vor


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Sebastian Hollstein, 19.11.2010 09:30

Das Geschäft mit dem Tod

Sportökonomen der Universität Jena legen Analyse des Bestattungsmarkts vor

Jena (19.11.10) Der November ist der Trauermonat des Jahres. Drei Tage
stehen ganz im Zeichen des Gedenkens an die Verstorbenen: Allerseelen, der
Volkstrauertag und Totensonntag. Auf den Friedhöfen herrscht reger
Betrieb. Die Angehörigen stellen Schnittblumen auf oder bedecken das Grab
mit Nadelbaumzweigen und schmücken es mit einem Kranz. Meist tun sie das
schweigend, denn über den Tod redet man nicht gern. Man möchte ihn am
liebsten erledigen. Stirbt aber tatsächlich ein geliebtes
Familienmitglied, sind die Hinterbliebenen oft übermannt von der Trauer
und fühlen sich überfordert mit der Verantwortung, eine angemessene
Beerdigung zu organisieren. Gut, dass sich Bestattungsinstitute um alles
kümmern. Doch ist der letzte Weg mit allem, was dazu gehört, kein billiges
und ein undurchsichtiges Unterfangen.

Wissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben jetzt eine
umfassende Analyse des Bestattungsmarktes in Deutschland durchgeführt. "Es
gibt zwei wichtige Faktoren, die das Bestattungswesen so besonders
machen", erklärt Prof. Dr. Frank Daumann vom Institut für
Sportwissenschaft der Universität Jena. "Zum einen ist das ganze Thema
höchst tabuisiert. Gesellschaftliche Normen verbieten etwa einen
Preisvergleich zwischen verschiedenen Anbietern. Zum anderen müssen
Angehörige hierbei in enorm kurzer Zeit und unter hoher seelischer
Belastung über viel Geld entscheiden", fasst der Initiator der Studie
zusammen. Viele Aspekte, die den Markt für andere Dienstleistungen
begleiten, greifen hier nicht. Das Netz aus staatlichen Reglementierungen
für eine Beisetzung ist sehr eng. So darf etwa der Leichnam nur 36 Stunden
in privaten Räumen aufbewahrt werden. Meist sind die Angehörigen deshalb
froh, dass der Bestatter sich um alles kümmert. Auf der Rechnung sehen sie
dann aber, wofür im Einzelnen bezahlt werden muss.

"Dieses Komplettpaket sorgt dafür, dass Angehörige nicht selten viel zu
hohe Preise für eine Bestattung bezahlen", sagt Prof. Daumann. "Manche
Bestatter nutzen den emotionalen Stress aus, über Geld wird gar nicht
gesprochen." Die durchschnittlichen Kosten für eine Bestattung beliefen
sich im Jahr 2007 auf etwa 5.000 Euro. Marketing – sonst ein wichtiger
Baustein in der Wirtschaft – wird unter Bestattern kaum betrieben. Sie
leben in erster Linie von privater Werbung bzw. Mundpropaganda. Dabei ist
das Geschäft mit dem Tod nicht krisensicher. Gestorben wird zwar immer,
aber der Markt schrumpft. So nehmen beispielsweise die Sozialbeerdigungen
– also Bestattungen, die mit Sozialleistungen unterstützt werden – zu.
Auch geht der Trend zur billigeren Feuerbestattung zulasten der
Erdbestattung.

Davon profitierten kurzzeitig vor allem die Krematorien. Doch neu
gegründete Einrichtungen verschärfen nun die Konkurrenz. Vor allem die
etablierten, kommunalen Krematorien – etwa zwei Drittel der 150 deutschen
Krematorien – haben immer weniger zu tun. Außerdem fahren deutsche
Leichenwagen zur Brandbestattung sogar ins osteuropäische Ausland.

Mit der ausländischen Konkurrenz haben auch die Sarghersteller zu kämpfen,
sind sie doch dem freien Wettbewerb am meisten ausgeliefert, da ihre Ware
die einzige ist, die vorproduziert werden kann. Ein großer deutscher
Erdmöbelproduzent hat seine Fabrikation bereits ins Ausland verlagert. Da
es keine Direktvermarktung gibt, sind Sargbauer außerdem von Kontakten zu
Bestattern oder dem Großhandel abhängig. Weitere Marktfaktoren, die in der
Studie untersucht wurden, sind Friedhöfe und Steinmetze.

"Beerdigungen werden in Zukunft immer individueller", wagt der Jenaer
Professor für Sportökonomie einen Ausblick. "Särge zum Selbstgestalten
beispielsweise sind keine Seltenheit mehr. Außerdem wird die Rolle des
Bestatters immer wichtiger. Seine Arbeit wandelt sich verstärkt zur
Dienstleistung am Hinterbliebenen als am Verstorbenen. Eine solche
Ausrichtung hin zur Trauerbegleitung öffnet andererseits neue
Einnahmequellen."

Frank Daumann, der sich seit mehr als zehn Jahren für diesen scheinbar
unsichtbaren Markt interessiert und ihm deshalb auch während seiner
Aufgabe in der Sportwissenschaft nachging, hat einen persönlichen Schluss
gezogen: "Jeder sollte sich rechtzeitig mit seinem eigenen Ableben
beschäftigen und weitestgehend Vorkehrungen treffen. Damit nimmt man den
Druck von den Angehörigen und kann selbst bestimmen, wie man von dieser
Erde verschwinden will."

Kontakt:
Prof. Dr. Frank Daumann
Institut für Sportwissenschaft der Universität Jena
Seidelstraße 20, 07749 Jena
Tel.: 03641 / 945641
E-Mail: Frank.Daumann[at]uni-jena.de

Arten der Pressemitteilung:
Forschungsergebnisse

Sachgebiete:
Wirtschaft

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.uni-jena.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter der WWW-Adresse:
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Auch in diesem Jahr werden die Friedhöfe an Totensonntag gut besucht sein.

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