Donnerstag, 21. Oktober 2010

#Frankreich #blockiert - Von Hansgeorg Hermann [Junge Welt]


Frankreich blockiert

Von Hansgeorg Hermann, Paris
(Junge Welt)
 
http://www.jungewelt.de/2010/10-22/028.php

Die französischen Gewerkschaften wollen den landesweiten Protest gegen die geplante Rentenreform auch nach deren parlamentarischer Verabschiedung fortsetzen.

Während der Senat am Donnerstag weiter über die Gesetzesvorlage der Regierung des Präsidenten Nicolas Sarkozy beriet, kündigte der Generalsekretär der Gewerkschaft CGT, Bernard Thibault, »einen neuen Höhepunkt« der Mobilisation für Beginn nächster Woche an.

Spezialeinsatzkräfte der Polizei räumten derweil auf Anordnung Sarkozys besetzte Benzindepots. In Marseille blockierten Gewerkschafter den Flughafen für rund fünf Stunden. Die 200 Streikenden gaben die Zufahrtsstraßen schließlich wieder frei.

Von den 12500 Tankstellen des Landes hatten am Donnerstag immer noch mehr als 3000 ihre Zapfsäulen geschlossen. Umweltminister Jean-Louis Borloo erklärte, von den »93 besonders wichtigen Benzindepots des Landes« seien allerdings nur noch 14 unter der Kontrolle der streikenden Raffineriearbeiter. Die Situation werde sich bis zum Wochenende vermutlich normalisieren. Am Samstag beginnen in Frankreich die Herbstferien. Viele Familien fürchten, daß sie wegen des Kraftstoffmangels und der von den Fernfahrern auf vielen Streckenabschnitten blockierten Autobahnen ihren Urlaub nicht wie geplant in den Bergen oder am Meer werden verbringen können.

Der Senat beschäftigte sich erneut bis in die Abendstunden mit Sarkozys Rentenplänen (nach jW-Redaktionsschluß). Kernpunkte sind die Anhebung des Renteneintrittsalters von 60 auf 62 Jahre und des Bezugsalters der Vollrente von 65 auf 67.

Die regierungsnahe Tageszeitung Le Figaro meldete am Donnerstag, Sarkozy habe seine Mehrheit im Senat zur Eile getrieben. Er wolle eine abschließende Entscheidung über sein Rentengesetz spätestens am Freitag abend haben. Die Senatoren seien angewiesen, nur jene Änderungen im Regierungsentwurf zu verabschieden, die vom Staatschef und seinen Ministern bereits gebilligt worden seien.

Demonstranten, die Gewalt anwendeten, drohte der Präsident während einer Kabinettssitzung mit harten Strafen. Man werde »sie finden und einsperren, ohne jede Schwäche zu zeigen«.

Schüler und Studenten kündigten unterdessen neue Aktionen an. In Lyon, der Universitätsstadt Nanterre und in Rennes war es am Mittwoch zu schweren Unruhen gekommen.

Jugendliche Demonstranten hatten Autos in Brand gesetzt und Barrikaden errichtet. Vertreter von Schülerorganisationen erklärten, daß möglicherweise Provokateure im Dienst der französischen Geheimdienste beteiligt waren. Die Tageszeitung Le ­Monde wunderte sich mit Hinweis auf die zunächst ausgesprochen friedlichen Kundgebungen über »das Erscheinen eines ungeklärten Phänomens«.

In Lyon hatten sich in Anwesenheit von Innenminister Brice Hortefeux mehr als 800 Polizisten schwere Straßenschlachten mit etwa hundert Demonstranten geliefert. Von den mehr als 4300 Gymnasien in Frankreich waren am Donnerstag 312 geschlossen, weil Schüler und Lehrkräfte sich dem Streik angeschlossen hatten.

Probleme bereitet inzwischen auch der Streik der Müllarbeiter. In der Haupstadt Paris und in den meisten großen Provinzmetropolen wie Marseille, Lyon und Bordeaux türmen sich die Müllhaufen vor allem in den Straßen der Vorstädte.


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