Donnerstag, 30. September 2010

Im Stuttgarter Schlossgarten spitzt sich der Protest zu. Polizei setzt Knüppel, Wasserwerfer, Reizgas und Pferde ein ...


Ticker zu "Stuttgart 21"-Protesten

"Die Polizei kann auch mal hinlangen"

(taz)
http://taz.de/1/zukunft/schwerpunkt-stuttgart-21/artikel/1/erste-baeume-werden-gefaellt/

Im Stuttgarter Schlossgarten spitzt sich der Protest zu.

Die Polizei setzt Knüppel, Wasserwerfer, Reizgas und Pferde ein und löst gewaltsam Sitzblockaden auf.

 

VON STEPHAN KOSCH

 

STUTTGART taz/dpa/dapd | Der Konflikt um das Milliarden-Bahnprojekt "Stuttgart 21" eskaliert. Mit einem Großaufgebot versucht die Polizei am Donnerstag Teile des Schlossgartens mit einem massiven Einsatz von Knüppeln, Wasserwerfern, Reizgas und Pferden zu räumen und abzusperren. Dort sollen die ersten von insgesamt 300 teilweise uralten Bäumen für den Umbau des Hauptbahnhofes gefällt werden. Auch der Landtag wurde abgeriegelt. Laut Teilnehmern sind mehr als 5.000 Demonstranten in den Park gekommen, darunter zahlreiche Schüler.

Ein Polizeisprecher sagte auf dapd-Anfrage, die Beamten versuchten "eine Gitterlinie" aufzustellen, um die Bauarbeiten zu sichern. Die Zufahrt werde von "Hunderten von Menschen" blockiert, die zum Teil auch Polizisten bedrängten. Die Beamten müssten jetzt mit sehr vielen Kräften den Weg frei räumen. Dafür seien Wasserwerfer und Polizeireiter im Einsatz. Ob dabei auch Schlagstöcke verwendet wurden, konnte er nicht sagen. "Es wird unmittelbarer Zwang angewandt", sagte er lediglich. Der Sprecher verteidigte das Vorgehen der Polizei. Wenn die Demonstranten sich nicht rechtlich einwandfrei verhielten, "dann kann die Polizei auch mal hinlangen", betonte er.

Ein Sprecher der Gegner von "Stuttgart 21" kritisierte, es sei "unverantwortlich", wie die Beamten gegen Schüler vorgingen. Viele, zum Teil sehr junge Demonstranten seien von der Polizei schon am Vormittag eingekesselt worden. Er appellierte an die Polizei, ihr Großaufgebot abzuziehen. Der Pressesprecher der "Parkschützer", Matthias von Herrmann, spricht von über 50 am Auge Verletzte durch Reizgas, darunter auch ein Baby sowie zahlreiche 10- und 12-jährige Mädchen. Inzwischen sind zahlreiche Bürger zu den Schülern hinzugestoßen. Trotz mehrerer Notrufe sind keine Rettungskräfte vor Ort, um sich um die durch das Reizgas verletzten Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen zu kümmern. Außerdem wurden bislang neun Nasenbrüche gezählt.

Laut Augenzeugenberichten, die über Twitter ins Netz gestellt wurden, verhielten sich Polizisten und Demonstranten zunächst friedlich. Einzelne Teilnehmer berichteten allerdings von Übergriffen der Polizei und Schlagstockeinsätzen. Auf einem live ins Internet gestellten Videomitschnitt eines Teilnehmers war zu sehen, wie  Demonstranten versuchten, mit Sitzblockaden einen mit Absperrgittern beladenen Lkw der Polizei zu stoppen. Kurzfristig besetzte rund ein Dutzend Demonstranten den Lkw.

Nachdem die Polizei das Fahrzeug geräumt hatte, versuchten die Beamten, die Sitzblockade aufzulösen, blieben dabei aber zunächst erfolglos. Einzelne Demonstranten skandierten "Wir sind das Volk" und stimmten die deutsche Nationalhymne an.

Auch die Bundespolizei und Beamte aus anderen Bundesländern seien im Einsatz, teilte das Polizeipräsidium Stuttgart mit. Außerdem kündigte Polizeipräsident Siegfried Stumpf an, dass in der Nacht zum Freitag die ersten Bäume gefällt werden. Die Fällarbeiten sollen bis Samstag dauern. Die Stuttgart-21-Sprecher Udo Andriof und Wolfgang Dietrich erklärten, der mittlere Schlossgarten werde für die Einrichtung des Grundwassermanagements freigeräumt.

Dafür müssten knapp 300 Bäume mit einem Stammdurchmesser von mindestens 25 Zentimeter gerodet werden. Auf der Fläche sollen eine Halle mit einer Grundfläche von 1000 Quadratmeter und Wasserbehälter aufgestellt werden. Die Deutsche Bahn ist verpflichtet, nach Abschluss der Bauarbeiten 293 Bäume nachzupflanzen.


Posted via email from Beiträge von Andreas Rudolf

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