Donnerstag, 22. Juli 2010

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Unternehmer nach Angriff auf NGG-Gewerkschafter in Dortmund


»Dieser Umgang schüchtert die Leute massiv ein«

Mafiamethoden: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Unternehmer nach

Angriff auf NGG-Gewerkschafter in Dortmund.

Ein Gespräch mit Manfred Sträter

(junge welt)

Interview: Claudia Wangerin
Manfred Sträter ist Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten (NGG) in Dortmund

Ihr Kollege Selahattin Yildirim ist in der Nacht zum Samstag vom Vertriebsleiter des Dönerspießherstellers Düzgün Food GmbH tätlich angegriffen und am Knie verletzt worden. Bereits im Jahr 2008 war der Betriebsratsvorsitzende der Firma Düzgün Döner GmbH von Vermummten in Dortmund krankenhausreif geschlagen worden. Zwei Firmen, ein Familienname ...
Die Düzgün Food GmbH ist heute ein europaweit tätiges Imperium, sehr verzweigt und sehr unübersichtlich. Der Seniorchef ist Hidir Düzgün, dessen Neffe, der Vertriebsleiter Yalcin Düzgün, jetzt laut Polizei wegen das Angriffs auf den Kollegen Yildirim gesucht wird. Zur Zeit der Attacke auf den Betriebsratsvorsitzenden Mehmet Ali Turan war er Geschäftsführer bei der Düzgün Döner GmbH in Lünen.

War die Firmenneugründung durch die Familie eine Maßnahme, um Betriebsräte zu verhindern?
Nein, chronologisch war es so: 2007 haben wir die Betriebsratswahl vorbereitet, die im August durchgeführt wurde. Wenig später hat die Landesregierung NRW aber ein Betriebsverbot erlassen, weil die Hygienebestimmungen und inbesondere die Temperatur beim Transport der Fleischspieße bei Düzgün Döner in Lünen nicht eingehalten wurden. Auf Verwarnungen und Bußgelder hat die Firma nicht reagiert. Das zog sich bis Anfang 2008 hin. Während des Betriebsverbots wurde aber bereits unter einem anderen Firmennamen in Versmold weiter produziert. Mit dem Aufbau von Düzgün Food wurde nach dem Ende von Düzgün Döner sofort angefangen. Auf der Internetseite wird auch auf die jahrelange Erfahrung in der Branche verwiesen.

Wie viele Menschen arbeiten bundesweit in der Branche und unter welchenArbeitsbedingungen?
Die Betriebe sind sehr unterschiedlich groß. Ein Teil der früheren Beschäftigten von Düzgün Döner, wo gut 100 Personen gearbeitet haben, ist jetzt in ganz kleinen Wurstküchen untergekommen. Zum Teil haben die Beschäftigten sehr schlechte Deutschkenntnisse, kennen ihre Rechte nicht und sind für die Gewerkschaften schwer erreichbar. Daher ist die Branche auch sehr unübersichtlich. Es sind aber auf jeden Fall mehrere tausend Beschäftigte in Deutschland. Während der Betriebsratsgründung bei Düzgün hatten wir die Hoffnung, dauerhaft einen Fuß in die Tür zu bekommen. Damals haben die Leute dort zum Teil sechs Tage in der Woche gearbeitet, in Schichten von zehn Stunden – und das bei Bruttolöhnen ab 1300 Euro. Urlaubs- oder Weihnachtsgeld gab es nicht. Das Auftreten des Clans schüchtert die Leute massiv ein. Irgendwann haben sie aber doch den Weg zu uns gefunden und sich informiert, welche Standards es im Fleischerhandwerk gibt. Mit den Methoden der Herren Düzgün waren auch nicht alle Familienangehörigen einverstanden. Auch von ihnen haben sich welche bei uns gemeldet.

Ist Selahattin Yildirim auch wegen seiner Übersetzertätigkeit im Rahmen der gewerkschaftlichen Arbeit ins Visier geraten?
Im Grunde war er der Organisator. Selahattin Yildirim hilft uns in Dortmund seit vielen Jahren und hat in diesem Zusammenhang viel Arbeit geleistet. Am Samstag nach dem Angriff tauchten bereits wieder Komplizen von Yalcin Düzgün an dem Kiosk auf, in dem er arbeitet, und sagten einem Kollegen, sie hätten noch eine Rechnung mit ihm offen. In meinen 33 Jahren Gewerkschaftsarbeit erlebe ich so etwas zum ersten Mal. Aus der Türkei kennt man ja solche Vorgehensweisen gegen Gewerkschafter –allerdings brüstet sich Hidir Düzgün damit, er sei dort ein Linker gewesen und aus politischen Gründen geflohen.

Wie wollen Sie in dieser Sache weiter vorgehen?
Wir haben beschlossen, die Staatsanwaltschaft durch einen eigenen Fachjuristen zu unterstützen, der ihr entsprechende Informationen zur Verfügung stellt.

Posted via email from Beiträge von Andreas Rudolf

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