Freitag, 23. Juli 2010

Rezension: Die geplünderte Republik (Nachdenkseiten)


Rezension: Die geplünderte Republik

(Nachdenkseiten)

http://www.nachdenkseiten.de/?p=6258#h23

Der Autor will erkunden, »wie uns Banken, Spekulanten und Politiker in den Ruin treiben«.

 

Folglich ist dieses Buch eine Sammlung von Fakten, wer wo und wie Geld an sich gebracht hat. Und wer es verlor.

Betrachtet werden die Jahre von 2006/07 bis heute. Die Tatsachen sind demjenigen, der die Wirtschaftspolitik aufmerksam verfolgt hat, bereits alle begegnet.

 

Sie hier gesammelt zu finden, ist dem besseren Durchblick auf das dahinterstehende neoliberale System dienlich, das seit der Agenda 2010 von den Regierenden in der Bundesrepublik praktiziert wird unter dem Begriff »alternativlos«.

 

Der Autor nimmt sich alle Pleitebanken vor.

 

Am Beispiel der HRE (Hypo Real Estate) wird über 13 Stationen »das Szenario des Schreckens« beleuchtet, wie sie vom 28. September 2008 bis zum 4.Oktober 2009 mit der »unverfrorenen Plünderung des Staatsvermögens« zu einem Fass ohne Boden wurde.

 

Aber HRE war eigentlich nur die Spitze des Eisbergs in der Chronik des Versagens.

 

Diese wie andere Banken galten als systemrelevant, weshalb über ihnen der bekannte Rettungsschirm von 480 Milliarden Euro aufgespannt wurde.

 

Das veranlasst den Autor zu untersuchen, wo überall das Zauberwort »systemrelevant« für die Vergabe unmäßiger Steuerzahlergeschenke hergehalten hat. Manches streift er nur sehr knapp, lässt aber kein Gebiet aus, auf dem die Staatskassen – also die Steuerzahler – belastet werden.

 

Wie steht es um die Subventionen, fragt er – gerade stehen sie aktuell zur Diskussion und betreffen beileibe nicht nur den Steinkohlebergbau, sondern den Molkereikonzern Campina wie den Stromriesen RWE oder landwirtschaftliche Adelsgüter.

 

Weiter: Ungeheure Summen fließen für externe Berater der Politiker; das höchste Einzelhonorar von rund 1,1 Mio € wurde 2007 beim Gesetzentwurf zur Neuorganisation der Eisenbahnen gezahlt.

 

Beraterfirmen können in Deutschland bestens leben. Das ist nicht nur ein Finanzproblem, sondern wirft ein Schlaglicht auf die unverschämte Praxis, Gesetzesvorlagen von Lobbyisten verfertigen zu lassen.

Unverblümt verurteilt der Autor die seit Jahren betriebene Umverteilung von unten nach oben. Dazu passt die abgedruckte UNO-Rangliste zur Lebensqualität: Auf ihr erreicht die reiche Bundesrepublik einen hinteren Platz 22.

 

Zur Plünderung gehört eben zunehmend die des Sozialstaates. Während der Anteil der Sozialausgaben 2004 noch 31,52 Prozent der Gesamtausgaben betrug, sank er 2008 auf 28,96 Prozent.

»Lieber reich und gesund« ist ein Kapitel ironisch überschrieben, in dem das Gesundheitswesen beleuchtet wird. In irgendeiner Weise hat jeder unbemittelte Bürger den Sozialabbau bereits am eigenen Leib zu spüren bekommen, was mit den aktuellen Sparbeschlüssen potenziert wird – mit Recht spricht der Autor nicht nur von materiellen Einbußen, sondern vom Plündern der Lebensqualität.

Dieses Buch erschien kurz bevor die schwarz-gelbe Regierungsmehrheit ihr Sparpaket verkündete. Hier ist nachzulesen, wo Quellen für die Staatssanierung sprudeln, aber nicht angezapft werden. Und wie maßlos unsozial das Beschlossene ist. Ärgerlich fragt der Autor, »was der größere Skandal ist: Die unverschämte Misswirtschaft zu Lasten der Allgemeinheit oder die Tatsache, dass die Bürger ihre eigene Ausplünderung nahezu lethargisch hinnehmen«.

Wieczorek schreibt mit frecher spitzer Feder, sein unakademischer klarer Stil macht das Verstehen leicht. Wer nachfragen möchte, findet ein umfangreiches Quellenregister.
Annemarie Görne. Aus das "Sprachrohr" ver.di Juli 2010

Thomas Wieczorek: Die geplünderte Republik.
Knaur Taschenbuch. 284 Seiten. 8,95 €.
ISBN 978-3-426-78373-3

Posted via email from 01159 Dresden Löbtau-Süd und Umgebung

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