Montag, 19. Juli 2010

Elterngeld-Kürzung - Kinder der Armen sind weniger wert (Frankfurter Rundschau)


Elterngeld-Kürzung

Kinder der Armen sind weniger wert

Von Stephan Hebel
(Frankfurter Rundschau)

"Unsinnig", so lautet sogar das Urteil aus der Unionsfraktion.

Das ist noch ein schwaches Wort für das, was jemand im CDU-geführten Familienministerium aufgeschrieben hat und was die Süddeutsche Zeitung heute wiedergibt:. Nicht nur Hartz-IV-Empfänger sollen künftig vom Elterngeld ausgeschlossen werden, so die Idee. Auch Minijobber und "Aufstocker", die außer ihrem Lohn staatliche Unterstützung brauchen, sollen künftig wesentlich weniger bekommen.

So schön es ist, dass selbst im eigenen Laden solche Pläne auf Ablehnung stoßen - wir sollten nicht vergessen, dass die falsche Richtung auch ohne diese zusätzliche Gemeinheit "stimmt": Wer von Hartz IV lebt, geht bei der "Lohneresatzleistung" Elterngeld leer aus, weil er - meistens sie - ja keinen Lohn bezieht. Wer gut verdient, erhält dagegen in Zukunft genau so viel wie jetzt.

Die Grünen haben recht, wenn sie sagen: Dieser Regierung sind die Kinder reicher(er) Menschen mehr wert als die Kinder armer Menschen. Nicht, dass es unsinnig wäre, das Kinderkriegen gerade auch für berufstätige, ordentlich verdienende Frauen materiell attraktiver zu machen - bei ihnen setzt das Elterngeld auf vernünftige Weise an. Aber es ist verlogen, die Hartz-IV-Empfänger (und am Ende vielleicht zusätzlich die Minijobber und Aufstocker) leer ausgehen zu lassen, weil sie zur Idee der Berufstätigen-Förderung nicht passen. Warum bitte, hat man bei der Einführung des Elterngeldes die ach so zwingende Systematik der Lohnersatzleistung durchbrochen und auch die Hartz-IV-Empfänger begünstigt?

Man hat das, in der Zeit der großen Koalition, aus jenem Rest an sozialem Gewissen heraus getan, über den die Merkel-Regierung damals verfügte. Schon damals gab es - nicht nur, aber vor allem in der Union - den pauschalen Verdacht, am unteren Ende der Gesellschaft würde ein Elterngeld nur als Anreiz dienen, Kinder ohne Zukunft zur Welt zu bringen. Schon damals hatte nicht jeder begriffen, dass auch und gerade solche Fälle - Kinderkriegen, um Leistungen zu bekommen - die soziale Lage am bedrückendsten illustrieren. Eine Lage, die man sicher nicht durch weniger Geld für die Armen nebst Bürgerkinder-Vermehrungsprogramm lösen kann. Aber wenigstens der damals zuständigen Ministerin Ursula von der Leyen war, zumal sie mit der SPD regierte, klar: Zumindest aus polit-strategischen Erwägungen musste ein Mindestmaß an Gerechtigkeit auch für jene her, die keine oder keine für den Lebensunterhalt reichende Arbeit haben.

Wer es immer noch nicht glaubte, weiß seit Bekanntwerden des schwarz-geleben "Sparpakets": Das ist Vergangenheit. Unverhohlen und trotz allen Streits verfolgt diese Regierung eine Politik, die die Unterschicht abhängt - und dabei das Versprechen, die Mittelschicht zu fördern, nicht einmal einlöst, wie die Lastenverteilung bei der Gesundheitsreform beweist.

Ob nun der nächste Schlag gegen die Minijobber und Aufstocker tatsächlich kommt oder nicht, das macht für die Betroffenen einen gewaltigen Unterschied. Für die Bedürftigsten aber, die Hartz-IV-Empfänger, bleibt es beim Kahlschlag. Und es bleibt bei der immer deutlicher werdenden Tatsache, dass sich unsere hochgeschätzte Konsens-Kanzlerin längst wieder als Sozialabbauerin entpuppt.

Posted via email from 01159 Dresden Löbtau-Süd und Umgebung

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