Samstag, 17. Juli 2010

Auswirkungen d. Aktiv- und Passivrauchens a. d. Gesundheit v. Kindern u. Jugendlichen (Pneumologie)

   

 

Serie Tabakprävention
Pneumologie 2008; 62: 423-429
DOI: 10.1055/s-2008-1038202

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
 
 
Auswirkungen des Aktiv- und Passivrauchens auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen
Effects of Active and Passive Smoking on the Health of Children and Adolescents   M.  Rosewich1, S.  Adler1, S.  Zielen1 1 Klinikum und Fachbereich Medizin - Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin (Prof. Dr. med. Hansjosef Böhles)
 
 
 

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Zusammenfassung

Der Tabakkonsum betrifft in Deutschland in erheblicher Weise auch Kinder und Jugendliche. Während vor 10 Jahren kaum jeder fünfte Jugendliche (18 %) rauchte, haben in dieser Altersgruppe 2001 über 30 % der 12 - 17-jährigen selbst geraucht. Das ist prekär, da die Peer Group einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung der Rauchgewohnheiten hat und darüber hinaus die Tabakabhängigkeit hauptsächlich vor dem 20. Lebensjahr entsteht (80 % der Erwachsenen, die regelmäßig rauchen, haben vor dem 20. Lebensjahr mit dem Rauchen begonnen). Ein früher Beginn ist aufgrund der Summationseffekte und der Unreife der Organe außerdem besonders gesundheitsgefährdend. Erfreulicherweise nimmt der Anteil der rauchenden Jugendlichen in den letzten Jahren wieder ab.
Neben dieser direkten Schädigung durch das aktive Rauchen besteht auch eine Gefahr durch das passive Rauchen. Schon vorgeburtlich wird der Fetus durch die Rauchexposition geschädigt. Vorzeitiger Blasensprung, Frühgeburtlichkeit, verlangsamtes fetales Wachstum und vermindertes Lungenvolumen lassen sich auf einen mütterlichen Tabakkonsum zurückführen. Die Passivrauchexposition führt jedoch nicht nur bei Säuglingen zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung. Typische Gesundheitsfolgen der Tabakexposition bei Kindern sind Atemwegserkrankungen, aber auch verlangsamtes Wachstum und andere Auffälligkeiten. Der mütterliche Zigarettenkonsum zeigt dabei die stärkste Korrelation mit Erkrankungen der kindlichen Atemwege. Daher müssen Präventionsbemühungen unter Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen intensiviert werden.

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Abstract

Tobacco abuse is especially a public health problem among children and teenagers in Germany. While the proportion of adolescents smoking regularly was 18 % in 1997, this has increased to more than 30 % in 2001. The high impact of peer groups in young people aggravates the development of smoking habits. Furthermore, an addiction to nicotine develops mainly before the age of 20 (80 % of all adults smokers have started as teenagers). Early and continued damage to health will result in long-term sequelae due to immaturity of the organs. Fortunately, the proportion of smoking adolescents has decreased in the last few years. Besides the well known effects of active smoking, children are especially endangered by environmental tobacco smoke (ETS). Exposure to cigarette smoke during pregnancy is directly correlated to premature rupture of the membranes, premature birth, delayed foetal development, and reduced lung function. Children are suffering from impairments of their health not only due to ETS exposure in utero but also after birth (e. g., diseases of upper and lower airways, delayed physical and mental development). Therefore, the prevention of active and passive smoking must be intensified and should consider the special situation of children and adolescents.

 

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Einleitung

Bereits 1761 berichtete der Londoner Arzt Dr. John Hill über eine Beziehung zwischen dem Schnupftabak und verschiedenen Atemwegserkrankungen. 1950 konnte der Epidemiologe Sir Richard Doll einen eindeutigen statistischen Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs herstellen. Seitdem beschäftigt sich die Wissenschaft ausführlich mit den gesundheitlichen Folgen des Zigarettenkonsums. Allein unter dem Stichwort "tobacco" listet die Datenbank Pubmed 57 360 Artikel auf (Stand 05/2008).

Trotz der bekannten Gefahren nahm die Anzahl der jugendlichen Raucher in Deutschland in den letzten Jahren zunächst erheblich zu, um dann im Verlauf wieder abzufallen (siehe [Tab. 1]). Diese Entwicklung war prekär, da Nikotin bei Kindern und Jugendlichen besonders suchtauslösend wirkt, weshalb später nur wenige mit ihrem Versuch, das Rauchen aufzuhören, erfolgreich sind [1][2]. Außerdem führt ein früherer Start zu vermehrten gesundheitlichen Problemen [3], da die Tabak-assoziierten Gesundheitsprobleme proportional zu Dauer und Intensität des Tabakkonsums sind [4].

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 Tab. 1 Anteil an Rauchern unter den 12 - 18-Jährigen

 

So begannen 86 % der männlichen und 80 % der weiblichen erwachsenen Raucher bereits vor dem 20. Lebensjahr mit dem Rauchen [5]. Ein früher Beginn ist mit einer höheren Wahrscheinlichkeit korreliert, ein Raucher zu werden, als ein späterer Beginn [6], deutet demnach als wichtigster Prädiktor auf eine "Raucherkarriere" hin [7][8], und ist mit stärkerem Nikotingebrauch korreliert [9]. Die Wahrscheinlichkeit dafür, sich zu einem regelmäßigen Raucher zu entwickeln, ist bei Beginn nach dem 20. Lebensjahr eher klein [10]. Damit ist die Tabakabhängigkeit eine pädiatrische Erkrankung [11][12], denn die meisten Raucher werden im Jugendalter nikotinabhängig [13]. Ergebnisse des deutschen Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) [14] zeigen, dass bereits in der Altersgruppe der 11- bis 13-Jährigen mit dem Rauchen begonnen wird und die Raucherquote dann in der Altersgruppe der 14- bis 17-Jährigen auf fast ein Drittel ansteigt (Jungen 31 %, Mädchen 32 %), bei 17-Jährigen auf bis zu 40 %. Das war eine erhebliche Zunahme, da 1992 nur 18 % der Jugendlichen in Deutschland rauchten [15]. Ein Fünftel der Jugendlichen raucht dabei täglich (siehe [Abb. 1]). Deutsche Jugendliche sind dabei Europameister im Zigarettenrauchen [16]. Damit entwickelten sich die Rauchgewohnheiten bei Jugendlichen zunächst entgegen dem gesamtgesellschaftlichen Trend, weshalb die Tabakprävention zu einer originär pädiatrischen Aufgabe wurde.

Abb. 1 Korrelation zwischen Sozialstatus und Prävalenz des Tabakkonsums in der jeweils betrachteten Altersgruppe (KiGGs-Studie des RKI) [14].

Auch dem Sozialstatus kommt eine wesentliche Bedeutung zu. Jungen und Mädchen aus Familien mit niedrigem Sozialstatus rauchen häufiger als diejenigen aus Familien mit mittlerem und vor allem mit höherem Sozialstatus (s. [Abb. 1]). Aus einer multivariaten Untergruppenanalyse der KiGGS-Studie geht hervor, dass dafür vor allem die besuchte Schulform und das Rauchverhalten von Eltern und Freunden verantwortlich sind [17].

In dieser Arbeit möchten wir die aktuelle Literatur zusammenstellen und bewerten, welche gesundheitlichen Folgen der Tabakkonsum auf Neugeborene, Kinder und Jugendliche hat und welche Folgen sich aus der Veränderung der Rauchgewohnheiten in Deutschland für diese Altersgruppe ergeben.

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Gesundheitliche Auswirkungen der Passivrauchexposition auf das vorgeburtliche Leben, den Säugling und das Kind

Schon vorgeburtlich wird der Fetus durch die Rauchexposition geschädigt. Vorzeitiger Blasensprung [18], Frühgeburtlichkeit [19], verlangsamtes fetales Wachstum und vermindertes Lungenvolumen lassen sich auf einen mütterlichen Tabakkonsum zurückführen [20]. In einer gepoolten Analyse von ca. 20 000 Kindern aus 9 europäischen und nordamerikanischen Ländern werteten Moshammer u. Mitarb. die unterschiedlichen Effekte von Passivrauchexposition und mütterlichem Tabakkonsum in der Schwangerschaft auf die kindliche Lungenfunktion aus und fanden voneinander unabhängige, schädigende Einflüsse [23]. Das bedeutet, dass sowohl der mütterliche Zigarettenkonsum während der Schwangerschaft als auch die postpartale Exposition gegenüber Passivrauch zu voneinander unabhängigen Verlusten der Lungenfunktion führt [24].

Beide Schädigungswege wirken bis ins Erwachsenenalter nach, d. h. die in utero und in der frühen Kindheit entstandenen Schäden sind nicht rückgängig zu machen. Kinder mit einer positiven Familienanamnese für Asthma sind für solche Verluste in der Lungenfunktion noch empfindlicher [30][31], die Verschlechterung der Lungenfunktion ist progressiver [32]. Neben den Gefahren im Mutterleib und der Verringerung der Lungenfunktion durch Passivrauchexposition sind zahlreiche weitere Folgen des elterlichen Tabakkonsums beschrieben.

Im Vergleich zu anderen Haushaltsmitgliedern zeigt der mütterliche Zigarettenkonsum jedoch auch bei den im Folgenden beschriebenen Erkrankungen die stärkste Korrelation mit Erkrankungen der kindlichen Atemwege (s. [Tab. 2]).

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 Tab. 2 Odds Ratio (95 % CI) für die Effekte des elterlichen Rauchens auf die Gesundheit von Kindern [96]

 

Vor allem das transiente frühe "wheezing" (pfeifendes Atemgeräusch) ist stark mit mütterlichem Rauchen in der Schwangerschaft korreliert [33] und kommt bei Kindern aus Haushalten, in denen geraucht wird, deutlich häufiger vor als in Nichtraucherhaushalten [34]. Bereits im ersten Lebensjahr zeigt sich eine Häufung von tiefen Atemwegsinfektionen [35][36], wie z. B. der im Säuglingsalter oft schwer verlaufenden RSV-Infektion [37]. In einer frühen Untersuchung von Rantakallio hatten rauchexponierte Kinder im ersten Lebensjahr eine um den Faktor 4 erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Hospitalisation als Kinder aus Nichtraucherhaushalten. Die Wahrscheinlichkeit für einen Krankenhausaufenthalt war dabei mit der Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten korreliert. In den ersten 5 Lebensjahren waren Lungenentzündung und Bronchitis in der rauchexponierten Gruppe um den Faktor 2 häufiger, Infekte der oberen Atemwege um den Faktor 1,5 [38].

Neben den häufig schwerer verlaufenden Infektionen der unteren Atemwege zeigen rauchexponierte Kinder auch ein häufigeres Auftreten von adenoiden Wucherungen [39], Schnarchen [40] und Mittelohrentzündungen [41], Tonsillitiden sind bei passiv rauchenden Kindern um den Faktor 2 häufiger als bei nichtexponierten Altersgenossen [42]. Das exhalierte NO ist bei rauchexponierten Kindern signifikant erhöht (keine Rauchexposition: 33,0 + 18,9, ein Elternteil raucht: 38,3 + 15,0, beide Eltern rauchen: 48,3 + 14,7 ppb) [43]. Bei älteren Kindern mit Asthma führt der elterliche Zigarettenkonsum zu einer erhöhten bronchialen Hyperreagibilität. Dies konnte für Kleinkinder bis zum Alter von 34 Monaten nicht gezeigt werden [44].

Der plötzliche Kindstod (SIDS) ist nach mütterlichem Zigarettenkonsum in der Schwangerschaft um den Faktor 4 wahrscheinlicher und auch die postpartale Passivrauchexpositon führt zu einer weiteren Zunahme an SIDS-Fällen [45]. Bei den an SIDS verstorbenen Kindern fand sich in der Gruppe der rauchexponierten Kinder eine Verdickung der Atemwegswände [46].

Epidemiologische Studien zeigen, dass die Folgen für die kindliche Gesundheit erheblich sind. In Amerika gehen pro 100 000 Einwohner pro Jahr bis zu 1 SIDS-Toter, bis zu 571 Praxisbesuche wegen Otitis media, bis zu 9 Asthmaneuerkrankungen, bis zu 357 Asthmaexazerbationen und 54 bis 107 Fälle von Bronchitis bzw. Pneumonie bei Säuglingen und Kindern auf das Konto der Rauchexposition [47].

Zur allergischen Sensibilisierung liegen widersprüchliche Daten vor [48]. Eine Zunahme der Sensibilisierung gegen inhalierbare Allergene konnte bei Kindern, deren Mütter während der Schwangerschaft geraucht haben, in aktuellen Studien nicht gezeigt werden [53][54], wohl aber eine Zunahme der Sensibilisierung gegen Nahrungsmittelallergene. Ebenso wird eine Erhöhung des spezifischen IgE passiv rauchender Säuglinge sowohl bei Nahrungsmittelallergenen als auch bei Aeroallergenen (vor allem Innenraumallergene) beschrieben [55].

Trotz der positiven Effekte von Rauchverboten auf die Gesundheit [56] wird mit den Kindern die am stärksten durch den Zigarettenrauch bedrohte Gruppe bisher nicht durch adäquate gesetzliche Initiativen geschützt.

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Rauchassoziierte Gefahren bei Jugendlichen

Neben den bereits beschriebenen Gefahren durch die Passivrauchexposition spielt bei Jugendlichen das aktive Rauchen eine zunehmende Rolle. Den Jugendlichen sind die Gefahren, die ein früher Start in eine Raucherkarriere mit sich bringt, nicht ausreichend bewusst und außerdem entsteht schnell eine Abhängigkeit. Daher ist zur Einleitung frühzeitiger Präventionsmaßnahmen eine schnelle und sichere Erkennung der jugendlichen Raucher wichtig.

Sicher erhöht regelmäßiges Rauchen bei Jugendlichen (mehr als 300 Zigaretten/Jahr) die Wahrscheinlichkeit, neu an Asthma zu erkranken (relatives Risiko 3,9) [59] und muss in der Differenzialdiagnose des Asthmas berücksichtigt werden. Das relative Risiko für Jugendliche ohne Allergien und solche, die bereits in utero durch die rauchende Mutter belastet waren, war noch höher [60]. In der British national childhood development study wurde die Asthmainzidenz bei Kindern und Jugendlichen in Großbritannien untersucht. Asthmaneuerkrankungen im Alter zwischen 17 und 33 Jahren waren auch in dieser Kohorte stark mit aktivem Zigarettenrauchen korreliert [61].

Die Zunahme der Asthmahäufigkeit in dieser Altersgruppe ist nicht auf eine Zunahme von Allergien zurückzuführen, sondern auf eine Zunahme der bronchialen Hyperreagibilität [62]. Während das Passivrauchen in der Schwangerschaft und in den ersten 3 Lebensjahren eine allergische Sensibilisierung möglicherweise begünstigen kann, konnte dies für ältere Kinder und Jugendliche nicht gezeigt werden [63]. Es gibt sogar Hinweise auf einen protektiven Effekt gegen eine allergische Sensibilisierung von Rauchern und Passivrauch-Exponierten mit positiver Familienanamnese für atopische Erkrankungen [64][65]. Nach diesen Studien nahm die Wahrscheinlichkeit, eine allergische Sensibilisierung zu entwickeln, bei Rauchern um mehr als die Hälfte ab. Dies wird auf einen immunmodulierenden Effekt des Rauchens zurückgeführt [66].

Während also die frühkindliche und die regelmäßige Rauchbelastung zu einer Zunahme der bronchialen Reaktivität führen, ist es unklar, wie früh erste Veränderungen der Lungenfunktion, Zunahme der bronchialen Hyperreagibilität und bronchiale Entzündung nach Tabakkonsum auftreten. Die [Tab. 3] zeigt eine Zusammenstellung der Datenlage bei Jugendlichen. In einer eigenen Untersuchung an jugendlichen Rauchern (Zigarettenkonsum (pack years): Median 3,5 Range 1,1 - 9,4) und Nicht-Rauchern zeigten sich keine Unterschiede in der Lungenfunktion (VC 103 vs. 95 %; FEV1 116 vs. 106 %; Tiffeneau Index 95,2 vs. 94,6 %). Bei der Messung der bronchialen Reizempfindlichkeit (BHR) konnte dagegen eine signifikante Zunahme (p < 0,05) nachgewiesen werden; 19 der 24 Raucher vs. 8 der 24 Nicht-Raucher wiesen einen signifikanten Abfall des FEV1 nach Methacholintestung auf [67]. Die Zunahme der bronchialen Reizempfindlichkeit ist eines der ersten nachweisbaren Zeichen des chronischen Zigarettenkonsums bei jugendlichen Rauchern.

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 Tab. 3 Hyperreagibilität und bronchiale Entzündung nach Tabakkonsum

 

Darüber hinaus sind heute einige Bestandteile des Exhalates direkt online messbar. Reichhaltige und konsistente Daten liegen für exhaliertes Stickstoffmonoxid (eNO) [54][68] und exhaliertes Kohlenmonoxid (CO) [71][72] vor. Das eNO ist sowohl bei Passivrauchexponierten als auch bei Rauchern vermindert, während das eCO erhöht ist. Dies konnte auch in der von uns untersuchten Gruppe gezeigt werden (eCO bei Rauchern 24 ppb vs. 3 ppb bei den Nichtrauchern, eNO: 8 ppb vs. 17 ppb). Der Abfall des eNO verstärkt sich bei Rauchern mit zunehmendem Alter [73].

Passivrauchexponierte Kinder zeigen dagegen eher eine Zunahme des eNO [74]. Interessanterweise sind bei Rauchern nicht nur das exhalierte NO, sondern auch das alveoläre NO und die Gewebekonzentration des NO vermindert. Eine tatsächliche Dosisabhängigkeit konnte jedoch nicht gezeigt werden [75]. Diese Effekte gelten für das chronische Rauchen. Unmittelbar nach dem Zigarettenkonsum kommt es zunächst zu einem Anstieg des eNO [76]. Bereits nach 15 Minuten [77] (bzw. 30 und 90 Minuten [78]) sind jedoch keine Effekte mehr nachweisbar.

Die Pathomechanismen der rauchassoziierten Erkrankungen sind noch nicht vollständig verstanden. Tatsächlich scheint der Zigarettenrauch sowohl ein pro-inflammatorischer als auch ein immunsuppressiver Reiz zu sein. Er führt in vitro einerseits zu einer MAP-Kinasen- und NF-κB-abhängigen Induktion pro-inflammatorischer Zytokine, anderseits hemmt der Zigarettenrauch die durch Bakterien induzierte Expression von β-Defensinen [79]. Chronisches Zigarettenrauchen führt zu einer verminderten Fähigkeit Pathogene, zu eliminieren. So nehmen Schwere, Häufigkeit und Dauer respiratorischer Infektionen zu [80]. Ein Mechanismus scheint die Beeinflussung der NF-κB abhängigen angeborenen Immunantwort mit einer Verzögerung der LPS induzierten Zytokinproduktion zu sein [81].

Mehre Studien konnten zeigen, dass im Atemkondensat von Rauchern die inflammatorischen Zytokine IL-8, IL-6, TNF und das LTB4 erhöht waren [82].

Eine mögliche Ursache für diese Inflammation ist der LPS-Gehalt der Zigaretten. Hasady konnte zeigen, dass bis zu 15 ng LPS pro Zigarette freigesetzt wird [85]. Im Prinzip entspricht somit die Zigarettenrauchexposition einer leichtgradigen LPS-Inhalation. In eigenen Vorarbeiten konnten wir zeigen, dass die LPS-Inhalation bei gesunden Nicht-Rauchern zu einer Erhöhung der CRP-und LBP-Konzentration im Serum führt [86].

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Was kann präventiv unternommen werden

Eltern haben die wichtigste Vorbildfunktion und können durch den Verzicht auf die eigene Zigarette eine Raucherkarriere ihrer Kinder möglicherweise verhindern, da die Einstellung zum Tabak bereits in der Kindheit erworben wird und ein Leben lang bestehen bleibt. Jugendliche beginnen das Rauchen nicht wegen eines Genusseffektes, sondern weil sie entsprechende Vorbilder haben. Hier können Programme zur Tabakentwöhnung von Eltern und vor allem von Schwangeren helfen, Jugendliche vor einem Einstieg zu bewahren. Zur Tabakentwöhnung bei COPD liegt eine S3 Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin vor, die wertvolle Hinweise für dieses Ziel gibt [87].

Neben den bereits geschilderten Gründen mit dem Rauchen zu beginnen, spielen das (Nicht)-Rauchverhalten der Geschwister und Freunde, das Wissen über die Auswirkungen des Tabakkonsums, die Zugänglichkeit von Zigaretten, die Werbung und geringe Einschränkungen und Regeln im familiären, schulischen und Freizeitbereich eine wichtige Rolle [88][89]. Auch Kinder von Alleinerziehenden beginnen leichter mit dem Rauchen [8].

Das Probierverhalten Jugendlicher, die noch nicht geraucht haben, scheint durch US-amerikanische Filme, in denen geraucht wird, begünstigt zu werden [90]. Interessanterweise wird dieser Effekt bei Jugendlichen, deren Eltern nicht rauchen, signifikant häufiger beobachtet.

Diese Arbeiten unterstreichen, wie wichtig Vorbilder für die Entwicklung des Rauchverhaltens Jugendlicher sind. Viele Jugendliche werden nach den ersten Versuchen schnell von der Zigarette abhängig und entwickeln ein echtes Suchtverhalten [91]. Da sich die Tabakabhängigkeit im Jugendalter schneller und nachhaltiger entwickelt als bei Erwachsenen und damit ein Aufhören umso schwieriger ist, muss vor allem der Prävention ein höherer Stellenwert eingeräumt werden. Dazu sind einige Ansätze veröffentlicht. Ein Beispiel beschreibt, dass sich Schulklassen verpflichten, über 6 Monate rauchfrei zu bleiben. Im Erfolgsfall konnten attraktive Preise gewonnen werden. Mit dieser Methode konnte sowohl der Einstieg verzögert als auch die Gesamtzahl der Raucher vermindert werden [92]. Mit insgesamt 20 % aller 12 - 15-jährigen Jugendlichen war die Beteiligung an einer solchen Maßnahme in Deutschland groß [93]. Eine Cochrane Analyse kommt jedoch zu dem Schluss, dass solche Programme meist keinen nachhaltigen, sondern nur einen kurzfristigen Effekt zeigen [94]. Auch diese Arbeit kommt zu dem Schluss, dass Maßnahmen zur Tabakentwöhnung von Erwachsenen effektiver als Präventionsprogramme bei Jugendlichen sind.

Kann der Beginn einer Raucherkarriere nicht verhindert werden, sind die Jugendlichen später als Erwachsene unter anderem durch chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Lungenentzündung, Herzinfarkt, Schlaganfall, Arteriosklerose, Bluthochdruck und bösartige Neubildungen bedroht [95]. Je früher mit dem Rauchen begonnen wird, desto wahrscheinlicher werden diese Erkrankungen im späteren Leben [96]. Daher ist es eine wichtige ärztliche Aufgabe, einen beginnenden Tabakkonsum bei Jugendlichen früh zu entdecken, um durch schnelle Intervention einer Tabakabhängigkeit vorbeugen zu können.

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