Freitag, 18. Juni 2010

"Deutschland schlägt sich selbst" Zurück auf dem Boden der WM-Tatsachen (...)


Deutschland schlägt sich selbst

Zurück auf dem Boden der WM-Tatsachen: Bei der Niederlage gegen Serbien beraubt sich Deutschland selbst der guten Ausgangslage. Klose muss früh mit Gelb-Rot vom Feld und Podolski verschießt einen Strafstoß. Den Serben genügt Jovanovics Tor.

Von Michael Horeni, Port Elizabeth


18. Juni 2010 

 

Als der Schiedsrichter den letzten deutschen Angriff abpfiff, weil er im Strafraum ein Foul an Dejan Stankovic gesehen hatte, knallte Jogi Löw wütend eine Wasserflasche auf den Boden. Wenige Sekunden später beendete Alberto Undiano dann die Partie und der Bundestrainer schickte ihm einen bösen Blick hinterher und verschwand schimpfend in der Kabine. Der Bundestrainer sah sich bei der 0:1-Niederlage gegen Serbien vom spanischen Unparteiischen um den Lohn für seine Mannschaft gebracht.

Ein Platzverweis für Miroslav Klose in der 37. Minute und der Treffer von Milan Jovanovic (38.) mitten hinein in die plötzliche deutsche Verwirrung, waren an diesem Tag zu viel für das junge deutsche Team - zumal Lukas Podolski nach 60 Minuten auch noch mit einem schwach geschossenen Elfmeter scheiterte, zum ersten Mal nach sechs Jahren in der Nationalmannschaft. Der bittere Rückschlag nach dem glanzvollen 4:0-Triumph über Australien zum Auftakt des Turniers bringt den Bundestrainer und sein Mannschaft nun in eine heikle Lage - die Partie am Mittwoch gegen Ghana (20.30 Uhr/ FAZ.NET-WM-Liveticker) wird zum befürchteten Endspiel um den Einzug ins Achtelfinale. Bei einer Niederlage droht den Deutschen das vorzeitige Ende bei einer Weltmeisterschaft, die mit so schönem Fußball und so großen Hoffnungen begonnen hatte. Ein Unentschieden könnte gegen die Afrikaner schon zu wenig sein, um das Achtelfinale zu erreichen, wenn Ghana am Samstag gegen Australien punktet. "Wir dürfen den Kopf nicht hängenlassen. Wir haben es noch in der eigenen Hand, das Achtelfinale zu erreichen", sagte Löw.

Bis zum Endspiel gegen Ghana ist die deutsche WM-Begeisterung jedenfalls erst einmal jäh gestoppt - denn auch bis zu den entscheidenden Momenten spielte und kombinierte das Team längst nicht so stark und entschlossen wie beim 4:0 zum Auftakt. "Wir waren nicht so dominant, wie wir es uns vorgenommen hatten", gab der Bundestrainer zu.

Schiedsrichter mit überharter Linie

Es war die 37. Minute, die Deutschland aus dem Konzept und für einen kurzen, aber entscheidenden Moment aus der Fassung brachte. Miroslav Klose eilte nach einem von den Serben abgefangenen Angriff Mittelfeldspieler Dejan Stankovic hinterher, und er versuchte, sich von hinten den Ball in der serbischen Hälfte zu angeln. Doch Klose ging ungestüm hinterher - und traf den Serben am Fuß. Als Schiedsrichter Alberto Undiano nun auf Klose zulief, da ahnte man schon das Unheil. Denn bereits nach zwölf Minuten hatte der Stürmer nach einem Tritt in die Hacken von Branislav Ivanovic die Gelbe Karte gesehen. "Er hätte da vorsichtiger sein müssen", sagte Löw. Der harte, aber konsequente Spanier schickte Klose daraufhin mit der Gelb-Roten Karte vom Feld, die deutschen Spieler konnten es kaum glauben und Klose musste kopfschüttelnd seinen Platz räumen. "Wenn es hier in jedem Spiel eine Rote Karte gibt, muss man sich überlegen, ob es überhaupt Sinn macht", sagte Bastian Schweinsteiger, der sich in der Pause beim Gang in die Kabinen beim Schiedsrichter beschwerte. "So macht es keinen Spaß. Das ist lächerlich."
Tragische Figur: Podolski verschießt kläglich

Tragische Figur: Podolski verschießt kläglich

Die Deutschen hatten sich noch nicht von dem Schreck erholt, da hatten sie schon den nächsten, noch härteren Rückschlag zu verkraften. Auf der linken deutschen Abwehrseite setzte sich zum dritten Mal in der ersten Halbzeit Milos Krasic scheinbar mühelos gegen den an diesem Tag mit der Abwehrarbeit überforderten Holger Badstuber durch, seine weite Flanke erreicht Nikola Zigic, der das Kopfballduell gegen Lahm gewann. Im Fünfmeterraum stand Milan Jovanovic frei - und erzielte die Führung für die Serben (38.).

Torhüter Manuel Neuer, der erst an die Flanke nicht herankam, konnte sich auch nicht mehr rechtzeitig dem Serben entgegen werfen. "Es war ein sehr bitterer Platzverweis, und dann wurde es natürlich schwer mit zehn Mann. Dann kam sofort das ganz blöde Gegentor", sagte Kapitän Lahm.

Pech für Khedira

Trauriger Abgang: Klose nach der Hinausstellung

Trauriger Abgang: Klose nach der Hinausstellung

Nun begann ein neues Spiel, und es war ein Spiel, das die Deutschen nun in einer ziemlich düsteren Lage sah. Mit einem Treffer gegen die spielstarken und kombinationssicheren Serben in Rückstand - da musste schon ein kleines Wunder her, um die drohende Niederlage noch abzuwenden. Trainer Joachim Löw jedenfalls reagierte erst einmal nicht. Er nahm keine Umstellung vor, Mesut Özil interpretierte seine ursprüngliche Rolle nur etwas offensiver.

Der Wille der Mannschaft, aus der prekären Lage das Beste zu machen, war aber schnell spürbar. In der 43. Minute leitete Özil den ersten Angriff in Unterzahl ein, als er den aufgerückten Sami Khedira im Strafraum frei spielen wollte, sein Zuspiel geriet aber zu unpräzise. Aber das Signal, nicht aufzugeben, kam an. In der 45. Minute fehlte der jungen Mannschaft nicht mehr viel, um auf die Rückschläge ein zählbare Antwort zu finden. Khedira fiel nach einer Faustabwehr von Torwart Vladimir Stojkovic nach einer Flanke von Lahm der Ball vor die Füße - aber sein krachender Schuss prallte von der Unterkante der Latte ins Feld zurück.

Ein bis zur 37. Minute ausgeglichenes Spiel hatte mit dem Platzverweis seine entscheidende Wendung. Schiedsrichter Undiano hatte es dabei mit seiner harten, aber konsequenten Regelauslegung viel stärker geprägt als nötig. In einer fairen Partie verteilte er neben der Gelb-Roten Karte gegen Klose noch sieben weitere Verwarnungen (vier für Serbien, drei für die Deutschen Schweinsteiger, Khedira und Lahm), fast jedes Foul wurde auf diese folgenreiche Weise geahndet.

Podolski verschießt

Nach dem Wechsel machten sich die Deutschen dennoch sofort daran, den Druck zu verstärken. Und innerhalb von vier Minuten sollte Lukas Podolski zur zweiten tragischen Figur im deutschen Spiel werden. Nach einem Traumpass von Özil setzte sich der Kölner auf der linken Seite durch, aber sein Schuss verfehlte knapp das Tor (57.). Zwei Minuten später - Özil hatte diesmal den Ball klug im Strafraum in Richtung Podolski prallen lassen - landete der Schuss des Kölners am Außennetz (59.). Wieder hatte er eine Großchance vergeben.

Nach einer Stunde war die Belohnung für das junge Team dann aber nah: Nach einer Flanke von links ging Vidic vollkommen unbedrängt mit der Hand im Strafraum zum Ball - ganz ähnlich, wie Kuzmanovic beim 0:1 im ersten Spiel gegen Ghana. Podolski schnappte sich trotz seiner vorangegangenen Fehlschüsse den Ball, doch seinen schwach geschossenen Elfmeter wehrte Stojkovic ab.

Dieser selbstverursachte zweite Rückschlag traf die Deutschen noch härter - er rüttelte an ihrem Glauben, die Partie noch einmal wenden zu können. "Das muss ich auf meine Kappe nehmen. Diese Niederlage ist natürlich ganz bitter. Wir hätten einen großen Schritt Richtung Achtelfinale machen können", sagte Podolski. Löw brachte 20 Minuten vor Schluss schnell nacheinander Cacau, Marin und Gomez für Özil, Müller und Badstuber ins Spiel - sein Zeichen für den letzten Aufbruch. Aber auch das war an diesem Tag ein Versuch, der die deutsche Mannschaft kein bisschen zählbar weiter brachte.

Deutschland - Serbien 0:1 (0:1)
Deutschland:
Neuer - Lahm, Mertesacker, Friedrich, Badstuber (ab 77. Gomez) - Schweinsteiger, Khedira - Müller (ab 70. Cacau), Özil (70. Marin), Podolski - Klose - Trainer: Löw
Serbien:
Stojkovic - Ivanovic, Subotic, Vidic, Kolarov - Kuzmanovic (ab 75. Petrovic), Stankovic - Krasic, Jovanovic (79. Lazovic) - Ninkovic (70. Kacar), Zigic - Trainer: Antic
Schiedsrichter: Alberto Undiano (Spanien)
Tor: 0:1 Jovanovic (38.)
Zuschauer in Port Elizabeth: 38.294
Gelb-Rote Karte: Klose wegen wiederholten Foulspiels (37.)
Gelbe Karten: Khedira, Lahm, Schweinsteiger - Ivanovic, Kolarov, Subotic, Vidic
Bes. Vorkommnis: Stojkovic hält Handelfmeter von Podolski (60.)

Text: F.A.Z.
Bildmaterial: AFP, dpa, REUTERS

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