Mittwoch, 30. Juni 2010

Fußball im Abseits - Partynationalismus und Starkult kommen vor dem Spiel


Fußball im Abseits –

Partynationalismus und Starkult kommen vor dem Spiel

(Nachdenkseiten)


Deutschland blüht wieder einmal im Glanze seines schwarz-rot-goldenen Glücks. "Wir" sind wieder Deutschland und die ganze Nation scheint bemüht, die Nationalismusexzesse der WM 2006 noch zu überbieten.

 

Die Nationen-Marketing-Maschine scheint täglich mehr Produkte in den Nationalfarben auf den Markt zu werfen und die Bürger scheinen sich gegenseitig in ihrem Partynationalismus überbieten zu wollen.

 

Wenn sich dieser Tage die Eine oder der Andere kritisch zu diesen Tendenzen äußert, verhallen diese Anmerkungen nahezu unbemerkt und die Fragen danach, was den neuen Nationalismus befeuert, wer die Nutznießer sind und ob durch die vermeintlich harmlosen Fußball-Nationalisten Schaden entsteht, bleiben entsprechend unbeantwortet. (…)

 

Professor Freerk Huisken, der bis 2006 in Bremen die Professur für Politische Ökonomie im Ausbildungssektor innehatte, stellt dabei fest, dass bei den aktuellen Fußball-Großereignissen der Sport eigentlich in den Hintergrund trete. Das Entscheidende sei "die Gelegenheit, eine nationale Feier zu organisieren und deutschen Nationalismus ins Zentrum einer Feier zu stellen". (…) Was kann man nun Schlechtes daran finden, dass Menschen scheinbar völlig entpolitisiert feiern und ihr Leben genießen?

 

Das Problem, meint Huisken weiter, sei, dass der Partynationalismus eben jenen schade, die ihn betreiben.

 

Die Sonntagsnationalisten sähen in ihrem Handeln einen weiteren Beweis, dass sie es mit Deutschland doch gut getroffen hätten. Das ändere zwar nichts an ihren Alltagssorgen, aber die ließen sich im Bewusstsein, zu einer Siegernation zu gehören, vielleicht etwas besser aushalten.

 

 Und das politische Ergebnis ihres unpolitischen Nationalismus könnte dann darin bestehen, dass sie immer mehr Einschränkungen in Kauf nehmen.

 

Der Fußballsoziologe Gerd Dombowski zitiert in diesem Kontext Alexandre Vaz: "Das verdinglichte Bewusstsein findet im Sport ein besonders günstiges Umfeld, weil das Vergnügen des Sportzuschauers nicht nur bedeutet, das Leiden zu vergessen, sondern es zu feiern". (…)

 

Eine weitere Gefahr wird in der 5. Folge der Suhrkamp-Reihe Deutsche Zustände – der größten quantitativen Studie in Deutschland zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit – von Wilhelm Heitmeyer ausgemacht.

 

Er konstatiert: "Kampagnen, die darauf abzielen, nationalistische oder patriotische Einstellungen zu schüren, bergen die Gefahr, die Abwertung von anderen Gruppen zu fördern." (…)

 

Laut Huisken ist die Art und Weise, wie Vorbilder im Fußball kreiert werden, eine Pervertierung eines eigentlich harmlosen Spiels, bei der es letztlich nur noch um Anerkennung und Wert der Person gehe und bei der die Übergänge zur Gewalt lediglich die radikalsten Erscheinungsformen davon seien.

 

Dabei sei der Starkult um einzelne Personen "das mediale Schmiermittel der demokratischen Lüge Nummer eins, dass nämlich jeder hierzulande seines Glückes eigener Schmied ist". Der Kreis, der mit der Fußball-WM als staatlich bereitgestellter nationaler Partydroge beginnt, schließt sich somit mit dem Vorbild des durchsetzungsfähigen Fußballmillionärs, dessen Erfolgen jeder in der kapitalistischen Demokratie nacheifern kann. Am Ende steht der Bürger, der sich seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit vor lauter Schwarz-Rot-Gold gar nicht recht bewusst wird.

Quelle: Hintergrund

 

http://www.hintergrund.de/20100623962/politik/inland/fussball-im-abseits-partynationalismus-und-starkult-kommen-vor-dem-spiel.html

 

Posted via email from Beiträge von Andreas Rudolf

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