Freitag, 14. Mai 2010

Rauchgewohnheiten in Deutschland (...) (Das Gesundheitswesen)



Originalarbeit
Gesundheitswesen 2004; 66: 511-517
DOI: 10.1055/s-2004-813527

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
 
 
Rauchgewohnheiten in Deutschland - Ergebnisse des telefonischen Bundes-Gesundheitssurveys 2003

Smoking Habits in Germany - Results of the German National Telephone Health Survey 2003
 
T. Lampert1, M. Burger1
1 Robert Koch-Institut, Berlin
 
Zusammenfassung
Abstract
Einleitung
Datenbasis
Verbreitung und Intensität des Rauchens
Aufhörbereitschaft und Aufhörversuche
Soziale Differenzierung des Rauchverhaltens
Zeitliche Trends
Diskussion
Literatur
 
 

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Zusammenfassung

Der telefonische Bundes-Gesundheitssurvey 2003 liefert aktuelle Daten zum Rauchverhalten der 18-jährigen und älteren Bevölkerung Deutschlands. Demnach rauchen derzeit etwa 37 % der Männer und 28 % der Frauen. Rund 95 % der Raucher greifen ausschließlich oder vorzugsweise zur Zigarette. Andere Tabakwaren fallen lediglich bei Männern im mittleren und höheren Lebensalter ins Gewicht. Von den täglichen Zigarettenrauchern konsumieren fast die Hälfte der Männer und ein Drittel der Frauen 20 und mehr Zigaretten pro Tag. Das durchschnittliche Alter bei Beginn des Rauchens ist insbesondere bei Frauen im Zeitverlauf sukzessive zurückgegangen und liegt bei den zwischen 1970 und 1985 geborenen Frauen mit knapp 16 Jahren im Bereich des Einstiegsalters der Männer. Unter Hinzuziehung von Daten vorgängiger bundesweiter Gesundheitssurveys wird gezeigt, dass in den letzten 20 Jahren der Anteil der Raucher bei Männern nur geringfügig gesunken und bei Frauen sogar angestiegen ist. Darüber hinaus bestätigt die Untersuchung den aus anderen Studien bekannten Befund deutlich ausgeprägter sozialer und sozioökonomischer Differenzen im Rauchverhalten.

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Abstract

Analyses are based on the National German Telephone Health Survey 2003, which provides data on current smoking behaviour among residents aged 18 years and older in Germany. Smoking prevalence is approximately 37 % for men and 28 % for women. About 95 % of the smokers prefer cigarettes, whereas other tobacco goods are secondary and predominantly consumed by men from middle age onwards. Among cigarette consumers, almost half of the men and one third of the women smoke 20 or more cigarettes per day. Over the years, the average age at onset of smoking has become earlier in life, particularly among women. Women born between 1970 and 1985 started smoking at the age of nearly 16, which is comparable to the age at onset among men. Considering data of preceding German National Health Surveys, the percentage of smokers has slightly decreased among men but increased among women during the past twenty years. The presented analyses confirm previous results on unequivocal social and socio-economic differences in smoking.

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Schlüsselwörter

Rauchen - Einstiegsalter - Exraucher - Tabakpolitik - telefonischer Bundes-Gesundheitssurvey 2003

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Key words

Smoking - age at onset - former smokers - tobacco policy - German National Telephone Health Survey 2003

 

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Einleitung

Das Rauchen ist noch immer ein weit verbreitetes Verhaltensmuster, obwohl die gesundheitsschädigenden und lebenszeitverkürzenden Konsequenzen den meisten Rauchern bekannt sind. In Deutschland sterben jedes Jahr zwischen 110 000 und 140 000 Menschen an den Folgen von Erkrankungen, die sich mit dem Rauchen in Verbindung bringen lassen [1][2]. Zu den Erkrankungen, die bei Rauchern verstärkt auftreten, zählen Herzkrankheiten, zerebrovaskuläre Erkrankungen, Hypertonie, Arteriosklerose, Lungenentzündung, chronische Bronchitis sowie bösartige Neubildungen der Lunge, Bronchien, Mundhöhle, Speiseröhre, Niere und Bauchspeicheldrüse. Außerdem kann Rauchen zu Veränderungen des Erbgutes führen, die körpereigenen Abwehrkräfte schwächen und das Fortschreiten bestehender Erkrankungen und Gesundheitsstörungen beschleunigen [3].

Die gesundheitsschädigenden Inhaltsstoffe im Tabakrauch sind in erster Linie das Kohlenmonoxid und die Bestandteile des Kondensats. Das Kohlenmonoxid schädigt die Gefäße und leistet dadurch Durchblutungsstörungen, Arteriosklerose und Herz-Kreislauf-Krankheiten Vorschub, während die Kondensatbestandteile vor allem bei der Entwicklung von Krebserkrankungen eine Rolle spielen. Das im Tabakrauch enthaltene Nikotin wirkt auf das Herz-Kreislauf-System, erhöht z. B. die Herzfrequenz und den Blutdruck und vermindert darüber hinaus das Hungergefühl. Für die körperliche und psychische Abhängigkeit vom Tabakkonsum ist zuvorderst die psychotrope Wirkung des Nikotins ausschlaggebend, die sich über zentralnervöse Aktivierungen entfaltet. Zu den als positiv empfundenen Effekten gehören eine höhere Konzentrationsfähigkeit, ein subjektives Entspanntheitsgefühl und ein allgemein gesteigertes Wohlbefinden [4].

Darüber hinaus ist die Tabak- bzw. Nikotinabhängigkeit im Zusammenhang mit der Einbettung des Rauchens in eine oftmals auch symbolisch bedeutsame Lebensweise zu sehen. So ist das Zigarettenrauchen für viele Jugendliche ein Ausdruck ihrer Zugehörigkeit zu einer Gleichaltrigengruppe oder Jugendkultur. Auch für Erwachsene ist das Rauchen ein wichtiges Kontakt- und Kommunikationsmittel. Um sich das Rauchen abzugewöhnen, muss daher nicht nur die körperliche und psychische Abhängigkeit überwunden werden, sondern zugleich eine Veränderung des Selbstbildes sowie der Alltags- und Freizeitgestaltung vonstatten gehen. Eine Abhängigkeit bildet sich Schätzungen zufolge bei 70 bis 80 % der Raucher heraus [5]. Demnach wären in Deutschland derzeit zwischen 14 und 16 Millionen Menschen nikotinabhängig.

Der Tabakkonsum schädigt aber nicht allein die Gesundheit der Raucher, sondern stellt auch für passiv "mitrauchende" Personen eine erhebliche gesundheitliche Gefährdung dar [6]. Die gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen des Rauchens lassen sich neben Krankheitsprävalenzen und vorzeitigen Todesfällen an den volkswirtschaftlichen Kosten ablesen. Die Ausgaben für die gesundheitliche Versorgung, die verlorene Produktivität sowie Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit belaufen sich auf mindestens 17 Milliarden € pro Jahr [7]. Durch die Einnahmen aus der Tabaksteuer werden diese nicht annähernd gedeckt. Zwar sind die Tabaksteuereinnahmen in den vergangenen Jahren sukzessive gestiegen, sie lagen aber auch im Jahr 2002 mit etwa 13,8 Milliarden € deutlich unter den durch das Rauchen verursachten Kosten [8].

Die eindeutigen Nachweise für die individuellen wie gesellschaftlichen Folgeschäden des Rauchens zeigen zugleich Potenziale für eine Verbesserung des Gesundheitszustands der Bevölkerung auf. Jede Verringerung des Tabakkonsums schlägt sich mittel- bis langfristig in einem verminderten Krankenstand und Versorgungsbedarf sowie einer längeren Lebenszeit nieder. Aus diesem Grund gehört die Tabakprävention zu den Aufgabenfeldern, für die derzeit nationale Gesundheitsziele formuliert und Maßnahmen zu deren Umsetzung entwickelt werden [9]. Um den Gesundheitszieleprozess voranzutreiben und ein nationales Programm zur Senkung des Tabakkonsums und Förderung des Nichtrauchens zu unterstützen, sind regelmäßig verfügbare Daten zum Rauchverhalten der Bevölkerung erforderlich. In Deutschland werden aussagekräftige Daten zum Tabakkonsum durch die Repräsentativerhebung zum Gebrauch psychoaktiver Substanzen des Instituts für Therapieforschung (IFT), den Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes, die Drogenaffinitätsstudie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und die bundesweiten Gesundheitssurveys des Robert Koch-Instituts (RKI) bereitgestellt. Im Folgenden werden aktuelle Ergebnisse des telefonischen Bundes-Gesundheitssurveys 2003 berichtet und durch Verknüpfung mit vorgängigen Gesundheitssurveys zeitliche Trends in den Rauchgewohnheiten aufgezeigt.

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Datenbasis

Der vom Robert Koch-Institut konzipierte und in eigener Regie durchgeführte telefonische Bundes-Gesundheitssurvey 2003 stellt bundesweit repräsentative Daten für die 18-jährige und ältere Wohnbevölkerung Deutschlands bereit [10]. Für den Survey wurden zwischen September 2002 und Mai 2003 insgesamt 8318 computerassistierte Telefoninterviews realisiert, was einer Ausschöpfung von fast 60 % entspricht. Die Stichprobenbasis bildete ein nach dem Gabler-Häder-Design gezogenes und vom Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen (ZUMA) in Mannheim zur Verfügung gestelltes Sample von etwa 45 000 zufallsgenerierten Rufnummern privater Telefonanschlüsse. Das Gabler-Häder-Design bezieht auch Haushalte ein, die nicht in den allgemeinen Telefonverzeichnissen eingetragen sind, und ermöglicht dadurch eine bundesweit repräsentative Zufallsauswahl aller Privathaushalte. Die Repräsentativität auf Personenebene ist gewährleistet, weil in Mehrpersonenhaushalten diejenige volljährige Person befragt wurde, die beim Erstkontakt mit dem Haushalt als Nächste Geburtstag hatte ("Next-birthday-Methode"). Für repräsentative Aussagen werden die Daten anhand eines Gewichtungsfaktors an die auf Basis der Bevölkerungsstatistik des Statistischen Bundesamtes ermittelte Alters-, Geschlechts- und regionale Verteilung in der Grundgesamtheit (Stichtag: 31. Dezember 2001) angepasst [11].

Die Datenerfassung erfolgte durch speziell geschulte Interviewer direkt am Computer, unterstützt durch das Programm Interviewer-Suite 4.3 der Firma VOXCO. Dieses Programm ermöglicht eine komfortable Dateneingabe und optimale Umsetzung von Intervieweranweisungen und übernimmt darüber hinaus die Verwaltung der Anrufe, einschließlich der Steuerung von Anrufen, bei denen noch kein Kontakt mit dem Haushalt bzw. der Zielperson zustande kam. Durch automatische Anwahl der Rufnummern sind Fehlanrufe nahezu ausgeschlossen, so dass von einer sauberen Stichprobenrealisierung ausgegangen werden kann [10].

Thematischer Schwerpunkt des telefonischen Bundes-Gesundheitssurveys sind chronische Krankheiten und Beschwerden, wobei neben dem Vorkommen auch den Risikofaktoren und der Versorgung ein besonderes Interesse gilt. Das Themenspektrum erstreckt sich darüber hinaus auf Krankheitsfolgen, subjektive Aspekte der Gesundheit, das Gesundheitsverhalten und die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen. Für die Datenerhebung wurde auf viele Instrumente zurückgegriffen, die sich im Bundes-Gesundheitssurvey 1998 [12][13] bewährt hatten. Sie wurden den Erfordernissen einer telefonischen Befragung so angepasst, dass die Vergleichbarkeit gewährleistet werden kann. Dies gilt auch für das Fragenmodul zum Rauchen, das insgesamt sieben Fragen umfasst, die sich auf das gegenwärtige und frühere Rauchverhalten, die bevorzugte Tabaksorte, die Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten, das Alter bei Beginn des Rauchens, Aufhörversuche im letzten Jahr und dabei verwendete Hilfsmittel beziehen.

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Verbreitung und Intensität des Rauchens

Zur Beschreibung des Rauchverhaltens wird zwischen Befragten unterschieden, die täglich rauchen ("tägliche Raucher"), nur gelegentlich zur Zigarette oder einem anderen Tabakprodukt greifen ("Gelegenheitsraucher"), früher täglich oder gelegentlich rauchten, inzwischen aber enthaltsam sind ("Exraucher"), und Befragten, die nie geraucht haben ("Nieraucher").

Gegenwärtig raucht fast ein Drittel der 18-jährigen und älteren Bevölkerung Deutschlands (Abb. [1]): 25,4 % rauchen täglich und 7,1 % gelegentlich. Weitere 26,9 % sind ehemalige Raucher, so dass sich der Anteil der Bevölkerung, der jemals geraucht hat, auf fast 60 % beläuft.

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Abb. 1 Prävalenz des Rauchens in der 18-jährigen und älteren Bevölkerung (n = 8316).

Tab. [1] gibt die Verbreitung des Rauchens nach Geschlecht und Alter wieder. Fasst man die täglichen und gelegentlichen Raucher zusammen, dann beträgt der aktuelle Raucheranteil bei Frauen 28 % im Vergleich zu 37,3 % bei Männern. Immerhin die Hälfte der Frauen hat nie geraucht, während dies lediglich auf knapp ein Drittel der Männer zutrifft. Für die Ermittlung von Altersdifferenzen wurden vier Altersgruppen gebildet, die für das junge (18 - 29 Jahre), mittlere (30 - 44 und 45 - 64 Jahre) sowie höhere Erwachsenenalter (65 und mehr Jahre) stehen. Sowohl bei Männern als auch bei Frauen zeigt sich ein im Altersgang abnehmender Raucheranteil, mit den niedrigsten Prävalenzen in der Gruppe der 65-Jährigen und Älteren. Bei Frauen ist ein Teil der Altersvariation einem Kohorteneffekt zuzuschreiben, da in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts allenfalls Frauen aus besser gestellten Gesellschaftsschichten geraucht haben [14].

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 Tab. 1 Anteil der täglichen Raucher, Gelegenheitsraucher, Exraucher und Nieraucher nach Geschlecht und Alter (in %, n = 8316)

 

Die meisten Raucher konsumieren Zigaretten. Etwa 92 % der Männer und 99 % der Frauen, die rauchen, greifen ausschließlich oder vorzugsweise zur Zigarette. Andere Tabakwaren erfahren einzig bei Männern im mittleren und höheren Lebensalter eine gewisse Verbreitung: Von den 65-jährigen und älteren Männern rauchen immerhin 9 % Pfeife und 10 % Zigarren, Zigarillos oder Stumpen.

Die Intensität des Rauchens lässt sich anhand der Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten ermitteln. Ausgehend von den täglichen Zigarettenrauchern wird dazu zwischen leichten (bis 10 Zigaretten pro Tag), mittelstarken (11 - 19 Zigaretten pro Tag) und starken Rauchern (20 + Zigaretten pro Tag) differenziert [15]. Demnach sind 39,6 % der täglichen Zigarettenraucher als starke, 27,4 % als mittelstarke und 33 % als schwache Raucher zu klassifizieren. Bei Männern ist der Anteil der starken Raucher mit 47 % gegenüber 31,2 % deutlich höher als bei Frauen. Abb. [2], in der die Rauchintensität nach Altersgruppen differenziert dargestellt ist, beschreibt bei Frauen wie Männern bis zum Alter von 65 Jahren einen sukzessiven Anstieg der starken Zigarettenraucher. Ein Grund hierfür dürfte sein, dass bei Nikotinabhängigkeit mit zunehmender Dauer eine höhere Nikotinzufuhr erfolgen muss, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Dass der Anteil der starken Raucher in der Gruppe der 65-Jährigen und Älteren geringer ausfällt, wird vor dem Hintergrund des verstärkten Vorkommens von tabakassoziierten Erkrankungen und Todesfällen verständlich.

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Abb. 2 Intensität des Zigarettenrauchens nach Geschlecht und Alter (nur tägliche Zigarettenraucher, n = 2068).

Für die gesundheitsschädigende Wirkung des Tabakkonsums ist von Bedeutung, in welchem Alter mit dem Rauchen begonnen wird. Aus Abb. [3] lässt sich für die täglichen Zigarettenraucher das durchschnittliche Einstiegsalter nach Geschlecht und Geburtskohorte ablesen. Für die Kohortenbetrachtung werden ausgehend von den einzelnen Geburtsjahrgängen sechs Geburtskohorten unterschieden: 1906 - 29, 1930 - 39, 1940 - 49, 1950 - 59, 1960 - 69 und 1970 - 85 Geborene. In der Kohortenfolge lässt sich eine deutliche Abnahme des Einstiegsalters beobachten. Frauen, die vor 1930 geboren sind, haben im Durchschnitt erst im Alter von 22 Jahren mit dem Zigarettenrauchen begonnen, während das Einstiegsalter bei den 1970 - 85 geborenen Frauen bei unter 16 Jahren liegt. Bei Männern fällt der kohortenspezifische Rückgang des Einstiegsalters schwächer aus. Auch die Ergebnisse der Drogenaffinitätsstudie der BZgA deuten auf einen frühen Rauchbeginn hin. In der Erhebung aus dem Jahr 2001 wird für die 12- bis 25-Jährigen ein durchschnittliches Alter bei der ersten Zigarette von 13,7 Jahren berichtet [16].

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Abb. 3 Durchschnittsalter bei Beginn des Rauchens nach Geschlecht und Geburtsjahr (nur tägliche Zigarettenraucher, n = 2148).

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Aufhörbereitschaft und Aufhörversuche

Aus Public-Health-Sicht interessiert nicht allein, wie dem Tabakkonsum vorgebeugt werden kann, sondern auch, wie sich Tabakkonsumenten zum Aufhören bewegen lassen. Einen wichtigen Anhaltspunkt hierfür liefert die so genannte Aussteigerquote, die den Anteil der Exraucher auf die Summe aller Personen bezieht, die jemals geraucht haben. Insgesamt hat in der 18-jährigen und älteren Bevölkerung fast die Hälfte der Männer und Frauen, die jemals geraucht haben, das Rauchen wieder aufgegeben. Abb. [4] ist zu entnehmen, dass die Aussteigerquote bei beiden Geschlechtern mit dem Alter stark ansteigt. In der Gruppe der 65-Jährigen und Älteren beträgt sie 73,8 % bei Frauen und 77 % bei Männern. Erkrankungen und Gesundheitsstörungen, eine geringere Stressbelastung nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben und der zunehmende Wunsch, die eigene Abhängigkeit endlich zu überwinden, dürften Gründe für die ab dem mittleren Lebensalter rapide ansteigenden Aussteigerquoten sein [17].

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Abb. 4 Aussteigerquote nach Geschlecht und Alter (n = 5056).

Von den aktuellen Zigarettenrauchern hat im vergangenen Jahr weniger als ein Drittel einen oder mehrere Tage nicht geraucht, weil sie mit dem Rauchen aufhören wollten. Noch am häufigsten werden Aufhörversuche in der jüngsten Altersgruppe, also von den 18- bis 29-Jährigen, unternommen. Wie Tab. [2] zeigt, versuchen gelegentliche Zigarettenraucher häufiger als tägliche Zigarettenraucher, sich das Rauchen abzugewöhnen. Bei täglichen Zigarettenrauchern nehmen die Aufhörversuche mit der Intensität des Rauchens ab. In der Gruppe der starken Raucher haben lediglich 17,4 % der Frauen und 24,5 % der Männer im letzten Jahr versucht, von der Zigarette loszukommen. Diese Zahlen unterstreichen, dass die Beendigung des Rauchens vor dem Hintergrund der körperlichen und psychischen Abhängigkeit sowie der Notwendigkeit von Verhaltensänderungen, die weit über den Tabakkonsum hinausgehen, zu sehen sind.

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 Tab. 2 Anteil der Zigarettenraucher, die in den letzten 12 Monaten versucht haben, sich das Rauchen abzugewöhnen, nach Geschlecht und Alter (in %, n = 2667)

 

Bei dem Versuch, das Rauchen aufzugeben, werden nur selten Hilfsmittel in Anspruch genommen. Mehr als drei Viertel der Aufhörwilligen verzichtet ganz auf Hilfsmittel, die übrigen nutzen zuvorderst Nikotinpflaster, gefolgt von Medien wie Bücher, Broschüren, Tonkassetten oder Videos, Nikotinkaugummis sowie Akupunktur, Akupressur oder Hypnose. Sonstige Hilfsmittel, z. B. Entwöhnungskurse oder -seminare, spielen eine untergeordnete Rolle. Männer bevorzugen eher Nikotinpflaster und Nikotinkaugummis, während Frauen häufiger auf Bücher und andere Medien vertrauen.

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Soziale Differenzierung des Rauchverhaltens

Das Rauchverhalten unterscheidet sich in verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Deutliche Unterschiede zeigen sich zum Beispiel nach sozialer Schichtzugehörigkeit, Erwerbsstatus und Familienstand. Zur Messung der Schichtzugehörigkeit wird im telefonischen Bundes-Gesundheitssurvey auf den Schichtindex von Winkler zurückgegriffen. Dazu wird auf der Grundlage von Angaben zum Haushaltseinkommen, zur beruflichen Stellung und zum Bildungsniveau ein ungewichteter additiver Index gebildet, um dann durch Aggregation der Indexwerte drei soziale Schichten (untere, mittlere und obere Sozialschicht) voneinander abzugrenzen [18].

Abb. [5] stellt die Verbreitung des Zigarettenrauchens und die Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten in den drei Sozialschichten dar. Die Angehörigen der höchsten Schicht rauchen demnach weitaus seltener als die Angehörigen der beiden anderen Schichten, zwischen denen keine Unterschiede in der Häufigkeit des Rauchens bestehen. Wenn die Angehörigen der oberen Schicht zur Zigarette greifen, dann rauchen sie häufiger stark, wobei dieser Unterschied insbesondere im Vergleich zur unteren Sozialschicht zutage tritt (41,9 gegenüber 35,2 %). Durch eine differenzierte Betrachtung erschließen sich geschlechts- und altersspezifische Ausprägungen des Zusammenhangs zwischen Sozialschicht und Rauchverhalten. Bei Frauen wird in der oberen Sozialschicht seltener geraucht als in den beiden anderen Schichten, während sich bei Männern ein deutliches Schichtgefälle zuungunsten der mittleren und insbesondere der unteren Sozialschicht abzeichnet. Der Schichtgradient ist im Alter 30 - 64 Jahre am stärksten ausgeprägt, was auf einen Zusammenhang zwischen Erwerbsarbeit und Rauchen und insbesondere auf berufsspezifische Anforderungen und Belastungen hindeuten könnte [19].

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Abb. 5 Prävalenz des Rauchens und Intensität des Zigarettenrauchens nach Schichtzugehörigkeit (n = 8.174).

Der Einfluss des Erwerbsstatus lässt sich unter anderem daran festmachen, dass Vollzeiterwerbstätige im Vergleich zu Teilzeiterwerbstätigen und Nichterwerbstätigen häufiger angeben, Zigaretten zu rauchen, und vermehrt zu den starken Rauchern zählen. Vor allem Frauen und Männer im Vorruhestand oder in Rente sowie Hausfrauen rauchen vergleichsweise selten. Die Arbeitslosen stellen in Bezug auf das Rauchen eine Hochrisikogruppe dar, mit Prävalenzen von fast 60 % bei Männern und 45 % bei Frauen.

Ein höherer Raucheranteil findet sich darüber hinaus unter den Alleinlebenden. Dies gilt sowohl für ledige als auch geschiedene Personen, allen voran aber für getrennt lebende Ehepartner. Eine Ausnahme bilden lediglich die Verwitweten, die mehrheitlich vorgerückten Alters sind. Die meisten verwitweten Frauen haben nie geraucht, während viele der verwitweten Männer das Rauchen aufgegeben haben. Der Familienstand spielt vor allem bei Männern im mittleren Lebensalter eine Rolle für das Rauchverhalten. Dies dürfte sowohl mit der Rücksichtnahme auf die Familie als auch mit der sozialen Kontrolle des Gesundheitsverhaltens im Familienkontext zusammenhängen.

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Zeitliche Trends

Für die Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur Verringerung des Tabakkonsums müssen zeitliche Trends frühzeitig erkannt werden. Abschließend sollen deshalb Veränderungen in den Raucheranteilen über die letzten 20 Jahre nachgezeichnet werden. Möglich ist dies, weil in den vorgängigen bundesweiten Gesundheitssurveys das Rauchverhalten mit ähnlicher Methodik wie im telefonischen Bundes-Gesundheitssurvey 2003 erhoben wurde. Herangezogen werden Daten des Nationalen Gesundheitssurveys 1984 - 86 (n = 4790, 25 - 69 Jahre), des Nationalen Gesundheitssurveys 1990 - 91 und Gesundheitssurveys OST 1991 - 92, für die ein gepoolter Datensatz vorliegt (n = 7466, 25 - 69 Jahre), sowie des Bundes-Gesundheitssurveys 1998 (n = 7124, 18 - 79 Jahre). Da sich die Surveys auf verschiedene Altersspannen beziehen, muss für Aussagen über zeitliche Trends eine Eingrenzung auf die Altersgruppe der 25- bis 69-Jährigen erfolgen. Aus Abb. [6] gehen Veränderungen des Raucheranteils bei Frauen und Männern in den alten und neuen Bundesländern hervor.

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Abb. 6 Entwicklung des Anteils der Raucher bei 25- bis 69-jährigen Frauen und Männern in West- und Ostdeutschland 1984 - 86 bis 2003.

Bei Männern in Westdeutschland hat der Anteil der Raucher seit Mitte der 1980er-Jahre von 41,6 auf gegenwärtig 37,7 % abgenommen. Auch für Männer in Ostdeutschland ist ein leichter Rückgang auf 38,9 % im Jahr 2003 zu beobachten. Für Frauen lässt sich hingegen ein deutlicher Anstieg des Raucheranteils feststellen. Während der Anteil der Raucherinnen in den alten Bundesländern im Beobachtungszeitraum sukzessive auf derzeit 32,3 % zugenommen hat, ist für die neuen Bundesländer eine Ausweitung von 21,8 auf 28,7 % zwischen 1990 - 92 und 1998 zu verzeichnen, dem ein Rückgang auf 26,1 % bis zum Jahr 2003 folgte. Der Rückgang der letzten Jahre sollte aber nicht vorschnell als Trendwende interpretiert werden, da der starke Anstieg des Raucheranteils in den Vorjahren vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Transformationsprozesses in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung zu sehen ist.

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Diskussion

Der Tabakkonsum und insbesondere das Zigarettenrauchen stellen in Deutschland nach wie vor eines der bedeutendsten Gesundheitsrisiken dar. Trotz aller Bemühungen um eine wirksame Tabakprävention und Tabakkontrolle ist es offenbar nicht gelungen, die Rauchgewohnheiten der Bevölkerung nachhaltig zu beeinflussen und die tabakbedingten gesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Konsequenzen einzudämmen. Für Männer <!?breakb b16?>lässt sich zwar in den letzten Jahren ein leicht rückläufiger Trend feststellen, aber noch immer raucht mehr als ein Drittel der erwachsenen männlichen Bevölkerung. Bei Frauen ist sogar ein im Zeitverlauf zunehmender Raucheranteil zu beobachten, so dass es zu einer allmählichen Angleichung der Verbreitung des Rauchens bei Frauen und Männern kommt. Als besorgniserregend sind darüber hinaus das zusehends frühere Einstiegsalter und die soziale Ungleichheit im Rauchverhalten zu werten.

Angesichts dieser Ergebnisse ist zu begrüßen, dass die nachhaltige Senkung des Tabakkonsums vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung zu einem vorrangigen nationalen Gesundheitsziel erklärt worden ist [9]. Zur Umsetzung dieses Gesundheitsziels ist ein Bündel von aufeinander abgestimmten Maßnahmen erforderlich, die sowohl am individuellen Verhalten als auch an den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Tabakkonsums ansetzen müssen. Zu den Maßnahmen der Verhältnisprävention gehören Erhöhungen der Tabaksteuer, eine Einschränkung der medialen Präsenz und Bewerbung von Tabakwaren, Verbote der Abgabe von Tabakprodukten an Kinder und Jugendliche, eine Eindämmung des illegalen Handels sowie Bestimmungen zum Schutz vor Passivrauchen. Die Rauchgewohnheiten lassen sich aber letztlich nur durch verhaltensbezogene Maßnahmen beeinflussen. Erforderlich erscheinen einerseits breit angelegte Aufklärungskampagnen und Konzepte zur Tabakprävention, die schon bei Kindern und Jugendlichen ansetzen sollten, um einem frühzeitigen Rauchbeginn entgegenzuwirken. Andererseits müssen Raucher zum Aufhören motiviert und bei der Rauchentwöhnung unterstützt werden [20].

Regelmäßig verfügbare Daten zum Rauchverhalten der Bevölkerung sind eine Grundvoraussetzung für eine effektive Tabakkontroll- und Tabakpräventionspolitik. Sie ermöglichen darüber hinaus, den Erfolg und die Wirkungsweise der umgesetzten Maßnahmen und Konzepte zu evaluieren. Die bundesweiten Gesundheitssurveys des Robert Koch-Instituts leisten hierzu einen wichtigen Beitrag, weil sie in regelmäßigen Abständen und mit vergleichbarer Methodik durchgeführt werden. Dass die aktuellen Daten im Rahmen einer telefonischen Befragung erhoben wurden, schränkt ihre Aussagekraft und Vergleichbarkeit nicht ein. Schon im Zusammenhang mit dem Bundes-Gesundheitssurvey 1998 konnte gezeigt werden, dass in Telefoninterviews erfasste Angaben zu den Rauchgewohnheiten eine ähnliche Validität und Reliabilität besitzen wie die Daten postalischer und persönlicher Befragungen [21]. Telefonische Befragungen liefern somit belastbare Daten zum Rauchverhalten und leisten einen wichtigen Beitrag für ein regelmäßiges Monitoring zu den Rauchgewohnheiten in Deutschland.

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Literatur

1 John U, Hanke M. Tabakrauch-attributable Mortalität in den deutschen Bundesländern. Gesundheitswesen 2001; 63: 363-369

2 Deutsches Krebsforschungszentrum. Gesundheit fördern - Tabakkonsum verringern. Handlungsempfehlungen für eine wirksame Tabakkontrollpolitik in Deutschland. Rote Reihe Tabakprävention und Tabakkontrolle, Sonderband I. dkfz Heidelberg: 2002

3 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg). Rauchentwöhnung in Deutschland. Grundlagen und kommentierte Übersicht. BZgA Köln: 2000

4 Elbert T, Rockstroh B. Psychopharmakologie, Anwendung und Wirkungsweisen von Psychopharmaka und Drogen. Hogrefe Göttingen: 1993

5 Batra A, Fagerström KO. Neue Aspekte der Nikotinabhängigkeit und Raucherentwöhnung. Sucht 1997; 43: 277-282

6 Wiebel FJ. Health effects of passive smoking. The tobacco epidemic 1997; 28: 107-121

7 Welte R, König HH, Leidl R. The costs of health damage and productivity losses attributable to cigarette smoking in Germany. Eur J Public Health 2000; 10: 31-38

8 Thamm M, Junge B. Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, Eds.; Tabak - Zahlen und Fakten zum Konsum. Neuland Geesthacht: Jahrbuch Sucht 2004 2003, p. 37-63

9 Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (Hrsg). gesundheitsziele.de. Forum zur Entwicklung und Umsetzung von Gesundheitszielen in Deutschland. BMGS Bonn: 2003

10 Robert Koch-Institut. Telefonischer Bundes-Gesundheitssurvey 2003 - Ergebnisbericht. RKI Berlin: 2004

11 Robert Koch-Institut. Telefonischer Bundes-Gesundheitssurvey 2003 - Methodenbericht. RKI Berlin: 2004

12 Bellach BM, Knopf H, Thefeld W. Der Bundes-Gesundheitssurvey 1997/98. Gesundheitswesen 1998; Sonderheft 2: 59-68

13 Bellach BM. Der Bundes-Gesundheitssurvey 1998. Erfahrungen, Ergebnisse, Perspektiven. Gesundheitswesen 1999; Sonderheft 2: 55-56

14 Hess H. Rauchen: Geschichte, Geschäfte, Gefahren. Campus Frankfurt/Main: 1987

15 Kraus L, Augustin R. Repräsentativerhebung zum Gebrauch psychoaktiver Substanzen bei Erwachsenen in Deutschland 2000. Sucht 2001; Sonderheft 1: 51-86

16 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland 2001. BZgA Köln: 2001

17 Junge B, Nagel M. Das Rauchverhalten in Deutschland. Gesundheitswesen 1999; Sonderheft 2: 121-125

18 Winkler J, Stolzenberg H. Der Sozialschichtindex im Bundes-Gesundheitssurvey. Gesundheitswesen 1999; Sonderheft 2: 178-183

19 Helmert U, Borgers A. Rauchen und Beruf. Eine Analyse von 100.000 Befragten des Mikrozensus 1995. Bundesgesundheitsbl 1998; 3: 102-107

20 Pott E, Lang P, Töppich J. Gesundheitsziel: Tabakkonsum reduzieren. Bundesgesundheitsbl-Gesundheitsforsch-Gesundheitsschutz 2003; 46: 150-155

21 Meyer N, Fischer R, Weitkunat R. et al. Evaluation des Gesundheitsmonitorings in Bayern mit computer-assistierten Telefoninterviews (CATI) durch den Vergleich mit dem Bundes-Gesundheitssurvey 1998 des Robert Koch-Instituts. Gesundheitswesen 2002; 64: 329-335

Thomas Lampert
Robert Koch-Institut, Abt. Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung
Seestr. 10
13353 Berlin
e-Mail: t.lampert@rki.de

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