Freitag, 21. Mai 2010

--->>> Kirche und Arbeitswelt - Gute Arbeit<<<--- (Gottes Wort im Kirchenjahr)


Kirche und Arbeitswelt

»Gute Arbeit«

Lesung: Ex 5,1-4.19

Evangelium: Joh 10,11-18

Die Arbeitswelt von heute ist der Angstmacher der Nation. Das belegen seit Jahren alle Umfragen. »Wo finde ich einen Ausbildungsplatz, und werde ich dann auch übernommen?« fragen die Jungen. »Halte ich das noch durch bis zum Schluss?« bangen die Älteren. Und Millionen von Arbeitslosen steht die nackte Angst im Gesicht, ob sie überhaupt noch mal einen Happen Erwerbsarbeit erwischen. Unbeschreiblich ist die Not der Arbeitslosigkeit.

Immer dramatischer aber wird auch die Not derer, die (noch) Arbeit haben. Doch davon redet man nicht. »Hauptsache Arbeit!«, so lautet die Devise, und man müsste ergänzen: »Frag nicht, welche ...« Die Menschen haben keine Wahl, sie müssen nehmen, was kommt.

Fast 7 Millionen Frauen arbeiten in Mini-Jobs. Zahllose reguläre Arbeitsplätze wurden in solche »Billigheimer« umgewandelt. Sie schaffen so gut wie keine soziale Sicherung im Alter und in der Arbeitslosigkeit. Immer mehr Arbeit wird als Leiharbeit organisiert. Im Durchschnitt verdient man dort 14% weniger als in der Stammbelegschaft. Dabei wird gerade schwere Arbeit, Drecksarbeit, minderwertige Arbeit auf den Knochen dieser Leute abgeladen. Viele werden in Scheinselbständigkeit hineingedrückt, füllen Regale, fahren dicke LKWs, die man auf Pump überlassen hat, arbeiten als Putzhilfen - immer auf eigene Rechnung und mit höchstem Risiko. Befristete Arbeit ist schon ganz normal - bis zu zwei Jahren, ohne Begründung, ohne Kündigungsschutz.

Ein modernes Nomadentum macht sich breit: Wie einst Abraham mit seinen Herden, ziehen die Menschen von heute der Arbeit nach. Hier ein Häppchen, dort ein Häppchen und übermorgen arbeitslos. So kann man kein Leben und erst recht keine Familie planen.

Das ist Arbeit in erbärmlichem Gewande. Sie erfüllt oft nicht einmal ihre wichtigste Funktion, nämlich ein ausreichendes Einkommen zu sichern. Fast eine Million Menschen erreichen in Vollzeit-Arbeit nicht einmal mehr das Existenzminimum und müssen sich noch staatlich auffüttern lassen. Ohne einen gesetzlichen Mindestlohn wie in anderen europäischen Staaten stürzen bei uns die Niedriglöhne im freien Fall.

Doch auch die ganz reguläre Arbeit, abgesichert über Tarifverträge, von Betriebsräten überwacht, ist gewaltig unter Druck geraten. Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich ist schon normal. Unternehmensberaterfirmen fegen mit eisernen Besen durch die Hallen und lassen noch die letzte Luft raus. Vor allem aber wird die Arbeitslast immer unerträglicher. Arbeit rund um die Uhr, rund um den Globus. Arbeit ohne Maß. Keine Zeit mehr für Familie, für Kultur, Kirche und Politik.

»Man bedrücke die Menschen mit Arbeit ...«

Neu ist das alles nicht: Über Arbeit wurden die Menschen immer schon in Schach gehalten. Auch der ägyptische Pharao (Lesung) sah darin die Wunderwaffe gegen sein aufmüpfiges Sklavenvolk Israel. Dem fehlte es nicht an den vollen Fleischtöpfen, aber man hatte wohl erkannt: So, wie wir leben, ist das kein Leben mehr. Auf, hinaus in die Wüste: Dort sieht man klarer, dort blickt man durch, dort feiern wir ein Fest, dann werden wir einen neuen Weg für uns erkennen. Der Pharao witterte die Gefahr: Wer feiert, der wird auch kämpfen ... Hatte bislang die »Arbeitsvorbereitung« Stroh als Hilfsmittel zum Ziegelbrennen zur Verfügung gestellt, so wird nun diese Abteilung geschlossen. Die Ziegelbrenner müssen selber erst hinaus auf die Äcker, um Stroh zu besorgen. Am Abend aber ist die gleiche Stückzahl an Ziegeln abzuliefern. Arbeitsverdichtung, Stellenabbau heißt das in unserer Sprache, und Ausbeutung dazu.

Hier tut Erinnerung not: Der Gott der Juden, der auch unser Gott ist, lässt so was nicht ungestraft durch. »Ich habe das Schreien meines Volkes gehört, gehört habe ich seine Klage...«, spricht Gott. Und über Mose und Aaron wird die Befreiung organisiert, die Befreiung aus der Sklaverei der Arbeit.

Diese Botschaft ist so aktuell wie nie! Arbeit darf nicht Angst machen, darf nicht das Leben kosten. Wenn heute die einen durch die Überlast an Arbeit zerbrechen, derweil den anderen die Arbeit aus der Hand geschlagen wird, ist das eine neue Form der Arbeitssklaverei.

»Gute Arbeit« - Arbeit mit Recht und Würde

Die Befreiung aus dieser modernen Arbeitssklaverei kommt nicht über Nacht und von alleine. Sie muss organisiert werden. Massenarbeitslosigkeit darf nicht dazu führen, dass die Arbeit selbst verludert und ihr menschenwürdiges Gesicht verliert.

Was aber ist »gute Arbeit«? Arbeit mit Recht und mit Würde. Hoch qualitative Arbeit, die existenzsichernde Löhne garantiert. Arbeitsbedingungen, an denen die Menschen nicht kaputt gehen. Arbeit, die Kreativität und Verantwortung weckt und fördert. Kommunikative Arbeit, in der man sich als Mensch wahrnehmen kann. Und natürlich: mitbestimmte Arbeit. Denn »Arbeit hat Vorrang gegenüber dem Kapital«, heißt ein Leitsatz der Katholischen Soziallehre. Und: »Der »arbeitende Mensch ist Subjekt im Wirtschaftsprozess«. Die Bibel selbst zeichnet ein hochwertiges Bild der Arbeit im Sinne von »behüten, bebauen und bewahren« (vgl. Gen 2,15). Sie erliegt dabei keiner falschen Romantik, denn immer wird Arbeit auch mit Schweiß und Mühsal verbunden bleiben. Aber sie ist auch eine Quelle der inneren Bereicherung, des menschlichen Glücks. Arbeit gehört zum Menschsein.

Mit Feinschmeckerei hat das übrigens nichts zu tun. Denn »gute Arbeit« ist gerade in Deutschland die pure ökonomische Notwendigkeit. Wir haben keine anderen Reichtümer und Rohstoffe als das »Gold in der Köpfen«. Daher werden wir eintreten müssen für eine qualifizierte und ausreichende Berufsbildung für alle. »Gute Arbeit« hat Anspruch auf gute Bezahlung und verbriefte Rechte. An einem Billiglohnsektor wird die Republik nicht genesen. Mit billigen, dreckigen Jobs ist das Schicksal des Industriestandortes Deutschland besiegelt. Da liegt bestimmt nicht unsere Zukunft.

Nachhaltige, lebensdienliche Arbeit

Jesus selbst hat immer wieder »gute Arbeit« in seinen Gleichnisreden herangezogen, um mit ihrer Hilfe das Reich Gottes zu erschließen. Dabei ließ er auch die verachtete Arbeit der Frauen nicht außer acht: harte Arbeit, bis über die Ellbogen in den Sauerteig zu fassen und ihn zu kneten. Aber nur so wird die schale Masse durchdrungen und durchsäuert. Das ist die Aufgabe der menschlichen Arbeit: unser Leben zu durchwirken und schmackhaft zu machen und allen Brot und Auskommen zu geben (vgl. Mt 13,33-35).

Oder im heutigen Evangelium: das liebenswürdige Bild vom »guten Hirten«. Arbeit, die dem Wohl der Herde dient. Sie wird gehegt, umsorgt und gepflegt. Für sie ließe der Hirte gar sein Leben. Denn er ist kein »Mietling«, kein gekaufter Hüte-Manager, der nur Renditen erzielen will. Sondern vielmehr einer, der seine Herde liebt.

Mit den Früchten »guter Arbeit« werden wir nun Jesus, den »guten Hirten«, feiern in unserer Mitte. In den Gaben Brot und Wein, Geschenk der Erde, aber auch Ertrag unserer Arbeit, kommt er uns nahe, durchdringt und verändert uns. Möge er, des Zimmermanns Sohn, uns befähigen, alle Menschen über Arbeit zu beteiligen und »gute« Arbeit zu organisieren. Arbeit, die ein menschliches Antlitz trägt und bewahrt, Arbeit, die uns wirklich Gott ähnlich macht.

Paul Schobel

Posted via email from Beiträge von Andreas Rudolf

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