Dienstag, 18. Mai 2010

--->>> Frauen und Männer unterscheiden sich in der sozialen Wahrnehmung <<<--- (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universitätsklinikum Tübingen, Dr. Ellen Katz, 18.05.2010 12:51

Frauen und Männer unterscheiden sich in der sozialen Wahrnehmung


Studie 1 - Bei einer Aufgabe zur sozialen Wahrnehmung werden Frauen
von einer negativen Aussage stärker negativ beeinflusst als Männer

Studie 2 - Frauen und Männer unterscheiden sich deutlich in der
neuronalen Verarbeitung und Wahrnehmung sozialer Signale

Wissenschaftler am Universitätsklinikum Tübingen haben
Geschlechtsunterschiede in der sozialen Wahrnehmung untersucht. Dabei
zeigte sich, dass die Leistung von Frauen dramatisch von negativen
Stereotypen (vereinfacht als "klischeehafte Verallgemeinerungen"
bezeichnet) beeinflusst wird. Erstmals konnte damit die Wirkung
stereotyper Aussagen auf Geschlechtsunterschiede in sozialer Kognition
nachgewiesen werden (1).


In einer zweiten Studie (2) konnte die Forschergruppe einen weiteren
geschlechtsspezifischen Unterschied zeigen. Bei Frauen wird eine
Gehirn-Region zur Bewertung von sozialen Wahrnehmungsinhalten deutlich
früher als bei Männern aktiviert. Frauen erkennen somit sozial
relevante Inhalte früher und benötigen daher weniger entsprechende
Informationen als Männer, um soziale Situationen bewerten zu können.
Demgegenüber konnten bei den für soziale Wahrnehmung selbst
zuständigen Gehirnregionen keine Unterschiede festgestellt werden.

(1) Stereotype Aussagen verursachen Geschlechtsunterschiede in
Sozialer Kognition

Insgesamt 83 weibliche und männliche Medizinstudierende im Alter von
20 bis 36 Jahren absolvierten einzeln den Bilder-ordnen Test (ein Teil
des Wechsler Intelligenztests für Erwachsene – WIE). Bei dieser
Aufgabe müssen die Probanden eine Reihe von Bildern, die die
Einzelbilder eines sozialen Ereignisses darstellen, in der richtigen
Reihenfolge anordnen. Es wird angenommen, dass eine gute Leistung bei
einer solchen Aufgabe ein Verständnis der mentalen Zustände der
abgebildeten Personen erfordert.


Um die Aufgabe erfolgreich lösen zu können, müssen die Probanden den
Kern der Handlung erfassen, welches oft nur durch das Verständnis von
Absichten und Einstellungen der bei dem jeweiligen Ereignis
abgebildeten Personen ermöglicht wird. Frühere Studien hatten gezeigt,
dass bei dieser Aufgabe keine geschlechtsspezifischen Unterschiede
auftreten. In der aktuellen Studie bekam eine Gruppe vor dem Versuch
die manipulierte Information, dass Frauen bei diesem Test generell
besser abschneiden, während die andere Gruppe erfuhr, dass Männer
bessere Ergebnisse erzielen.

Die Ergebnisse zeigen, dass der Einsatz manipulierter stereotyper
Aussagen geschlechtsspezifische Effekte auslösen kann. Eine positive
Aussage verbessert das Abschneiden bei einer Aufgabe zur sozialen
Wahrnehmung, während eine negative Information zu einer schlechteren
Leistung führt. Dieser Effekt ist bei Frauen stärker ausgeprägt.
Dagegen lassen sich Männer durch negative Informationen nur wenig
beeinflussen. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass Frauen auch in
anderen Bereichen des alltäglichen Lebens durch klischeehafte negative
Vorurteile, beispielweise im Hinblick auf Einparken,
Durchsetzungsfähigkeit oder mathematisches Denken stärker beeinflusst
werden als Männer.

(2) Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Gehirnaktivität bei der
sozialen Wahrnehmung

In dieser Studie wurden gesunde Frauen und Männer im MEG
(Magnetoenzephalogramm) daraufhin untersucht, ob die Gehirnregionen,
die für soziale Wahrnehmung zuständig sind - vor allem der rechte
temporale Kortex - unterschiedlich reagieren. Man benutzt dazu eine
Versuchsanordnung, bei der den Versuchspersonen geometrischen Figuren
gezeigt werden, deren Interaktion von den Probanden als "sozial" oder
"nicht sozial" eingeschätzt werden. Die auf soziale Interaktionen
ansprechenden Gehirnregionen sind bei Männern und Frauen identisch.
Auffallend war, dass die entsprechenden, für soziale Interaktion
zuständigen Gehirnregionen bei Frauen früher reagierten.
Interessanterweise deuten die Ergebnisse auf eine schnellere neuronale
Verarbeitung sozialer Signale bei Frauen hin. Frauen benötigen daher
weniger Informationen um soziale Interaktionen zu erkennen.

Symposium in Tübingen am 29. Juni

Gehirnmechanismen, die Geschlechtsunterschieden zugrunde liegen, sind
weitgehend unbekannt. Dabei hat die Kenntnis solcher Vorgänge eine
hohe wissenschaftliche und gesellschaftspolitische Relevanz. Am 29.
Juni findet am Universitätsklinikum Tübingen das von Prof. Dr. Marina
Pavlova und Prof. Dr. Ingeborg Krägeloh-Mann ausgerichtete Symposium
mit dem Thema "SEX DIFFERENCES IN THE SOCIAL BRAIN" statt, das durch
das Zentrum für Integrative Neurowissenschaften unterstützt wird.
Dabei werden renommierte Experten auf dem Gebiet der
Geschlechterforschung, unter anderem von der Yale University und der
University of California, Irvine, USA sowie aus dem europäischen
Ausland und Deutschland referieren.

Ansprechpartner für nähere Informationen

Universitätsklinikum Tübingen
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Neuropädiatrie,
Entwicklungsneurologie, Sozialpädiatrie
Prof. Dr. Marina Pavlova
Hoppe-Seyler-Str.1, 72076 Tübingen
Tel. 07071/29-8 14 19, Fax 07071/29-52 53
marina.pavlova@uni-tuebingen.de

Titel der Originalpublikationen

(1) Perception of intentions and actions: Gender stereotype
susceptibility
Marina A. Pavlova (a,b), Matthias Wecker (a,b), Kerstin Krombholz
(a,b), Arseny A. Sokolov (c);
a) Department of Pediatric Neurology and Child Development, Children's
Hospital, Eberhard Karls University of Tübingen, Tübingen, Germany
b) Institute of Medical Psychology and Behavioral Neurobiology, MEG
Centre, Eberhard Karls University of Tübingen, Tübingen, Germany
c) Department of Neurosurgery, Eberhard Karls University of Tübingen,
Tübingen, Germany
Brain Research 1311 (2010) 81-85, doi:10.1016/j.brainres.2009.11.046

(2) Cortical response to social interaction is affected by gender
Marina Pavlova (a,b), Michele Guerreschi (a,c), Werner Lutzenberger
(b), Alexander N. Sokolov (d), Ingeborg Krägeloh-Mann (a);
a) Developmental Cognitive and Social Neuroscience Unit, Department of
Pediatric Neurology and Child Development, Children's Hospital,
University of Tübingen Medical School,
Tübingen, Germany
b) MEG-Center, Institute of Medical Psychology and Behavioral
Neurobiology, University of Tübingen Medical School, Tübingen, Germany
c) Department of General Psychology, University of Padua, Padua, Italy
d) Low Vision Clinic and Research Laboratory, Center for
Ophthalmology, University of Tübingen Medical School, Tübingen,
Germany
NeuroImage 50 (2010)1327-1332, doi:10.1016/j.neuroimage.2009.12.096

Arten der Pressemitteilung:
Forschungsergebnisse
Wissenschaftliche Tagungen

Sachgebiete:
Gesellschaft
Medizin
Psychologie



Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/pages/de/news369992

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution82

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