Sonntag, 18. April 2010

Vor 450 Jahren starb Philipp Melanchthon, der"Lehrer Deutschlands" #idw

Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Ute Olbertz, 13.04.2010
10:47

Vor 450 Jahren starb Philipp Melanchthon, der "Lehrer Deutschlands"

Am 19. April 2010 jährt sich zum 450. Mal der Todestag des Humanisten
Philipp Melanchthon (1497-1560), der als wichtigster Reformator an der
Seite von Martin Luther eine treibende Kraft der deutschen und
europäischen kirchenpolitischen Reformation darstellte. Die Martin-
Luther-Universität Halle-Wittenberg gedenkt ihres berühmten geistigen
Vaters und Universalgelehrten. Als Philologe, Philosoph, Humanist,
Theologe, Lehrbuchautor und neulateinischer Dichter leistete er
Hervorragendes und wurde schon zu Lebzeiten "Praeceptor Germaniae"
(Lehrer Deutschlands) genannt. Melanchthon reformierte die Schulen und
Universitäten des Landes mit einer Nachhaltigkeit, die bis in die
heutige Zeit reicht.

Aus Anlass seines Todestages hat die Evangelische Kirche in
Deutschland (EKD) ein Melanchthon-Jahr ausgerufen, in dem eine Fülle
von Veranstaltungen auf sein Wirken aufmerksam macht. Zu Beginn des
Festjahres gibt es am 19. April in der Wittenberger Schlosskirche
einen Festakt, an dem u. a. MLU-Rektor Professor Wulf Diepenbrock
teilnimmt.

Die MLU ehrt Melanchthon unter anderem mit einer Tagung, die vom 13.
bis 17. Oktober dieses Jahres in der Leucorea in Wittenberg
stattfinden wird. Seine Ideen bieten auch heute Antworten auf aktuelle
Fragen und regen Diskussionen über Kirche und Bildungssystem an.
Melanchthon zu Ehren trägt das dritte Themenjahr der Lutherdekade bis
zum Reformationsjubiläum 2017 den Titel "Reformation und Bildung".

Bewunderung für seine klare Sprache, breites Wissen und präzises
Denken erntete Melanchthon bereits mit 21 Jahren als junger Professor
für Griechisch. Drei Tage nach Ankunft an der Universität in
Wittenberg hielt er im Jahr 1518 seine viel beachtete
Antrittsvorlesung über eine notwendige Studienreform. Melanchthons
kleine Gestalt - nur 1,50 Meter groß - sei dabei zusätzlich erwähnt.
"Vermeintest, er wäre ein Knab", so ein damaliger Student "von Geist
aber ein Ries."

Philipp Melanchthon, der aufgrund seines Beitrages zu einer
humanistischen Wissenschafts- und Bildungsreform den Beinamen "Lehrer
der Deutschen" erhielt, nahm in seiner Antrittsrede "De corrigendis
adolescentiae studiis" (Die Erneuerung der Studien der Jugend) nicht
nur couragiert Stellung gegen die allgemeine Verkrustung des
Lehrbetriebs, sondern führte den begeisterten Hörern zugleich eine von
den Fesseln der Scholastik befreite, wahrhaftige Wissenschaft vor
Augen. Mit der Lehre gemeinsam lag sie am Boden, und nur in der
Einheit mit ihr schien sie reformierbar.

Nicht anders ist Melanchthons Polemik gegen die Allmachtstellung der
Theologie, gegen vorgeschriebene Selektions- und Auslegungsmuster
antiker Texte zu verstehen, die er u. a. mit der Forderung verknüpft,
der Unsitte des Diktierens in den Vorlesungen und der "leidigen
Heftschreiberei" auf Seiten der Studenten Einhalt zu gebieten. Die
Wiege der akademischen Lehr- und Lernfreiheit steht in Wittenberg,
aber wirklich in Bewegung gesetzt worden ist sie erst fast 200 Jahre
später in der Saalestadt Halle, dem "Vorort" der Frühaufklärung.

Am 16. Februar 1497 in Bretten eigentlich als Philipp Schwartzerdt
geboren, sorgte nach dem frühen Tod seines Vaters der Großonkel
Johannes Reuchlin in Pforzheim für die Bildung des Jungen, der als
"Wunderkind" galt, und förderte ihn auch später. Aufgrund seiner
Begabung und großer Fortschritte beim Lernen von Sprachen übersetzte
der Onkel seinen Namen ins Griechische: "Melan-chthon" ("schwarze
Erde"). Bereits zwei Jahre nach seinem Einzug in die Universität
Heidelberg im Jahre 1509 erwarb er das Bakkalaureat, wechselte
anschließend an die Universität Tübingen, wo er im Jahre 1514 nach
Absolvieren des Quadriviums, also der mathematischen Fächer, die
Magisterwürde erhielt.

Sein besonderes Interesse galt den humanistischen Studien, fortdauernd
beschäftigte er sich mit den Sprachen Griechisch, Hebräisch und
Latein, aber auch mit Theologie, Rechtswissenschaft und Medizin. 1521
veröffentlichte er die erste systematische Darstellung der
reformatorischen Theologie (Loci communes rerum theologicarum). Vor
allem durch die Ausarbeitung der Augsburger Konfession von 1530 hat
Melanchthon das Bekenntnis der evangelischen Kirchen weithin geprägt.

Mit Martin Luther verband ihn zeitlebens eine enge Freundschaft, die
sich in der Zusammenarbeit für die Reformation bewährte und
verstärkte. Die Wittenberger Universität stieg im 16. Jahrhundert dank
des gemeinsamen Wirkens Luthers und Melanchthons zur meistbesuchten
deutschen Universität auf. Als Rektor gestaltete Melanchthon die
Wittenberger Leucorea nach seinem Bildungsideal neu, entwickelte
Statuten für Universitäten und Fakultäten und beteiligte sich
persönlich an der Reorganisation der Universitäten Tübingen,
Frankfurt/Oder, Greifswald, Rostock und Leipzig. Die Martin-Luther-
Universität hütet das Dekanatsbuch der Theologischen Fakultät zu
Wittenberg mit Melanchthons Nachruf auf den Freund.

Der leidenschaftliche und überaus geschätzte Lehrer erarbeitete auch
Lehrprogramme für Gymnasien und gab etliche Lehrbücher heraus, die im
16. Jahrhundert an vielen Schulen zum vorgeschriebenen
Unterrichtsmaterial zählten. Melanchthon schuf den Prototyp des
Gymnasiums. Seine Bildungsideale, beispielsweise die Betreuung von
Studienanfängern, die Ausbildung rhetorischer Fähigkeiten und Qualität
statt Quantität bei der Vermittlung des Lernstoffs, sind auch
Jahrhunderte später von brennender Aktualität.

Ansprechpartner:
Carsten Heckmann
Telefon: 0345 55 21004
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Sachgebiete:
Gesellschaft
Pädagogik / Bildung
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Melanchthon-Büste in der Aula im Löwengebäude der MLU, Gerhard Marcks 1930/31

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Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
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