Montag, 19. April 2010

[idw] Genetischer Zusammenhang zwischen Vorurteilen und Sozialangst

Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim, Sigrid Wolff,
14.04.2010 12:29

Genetischer Zusammenhang zwischen Vorurteilen und Sozialangst

Vorurteile gegenüber Menschen, hinsichtlich Alter, Geschlecht,
Hautfarbe und anderen Eigenschaften, können zu Konflikten und
Diskriminierung führen. Obwohl Vorurteile überaus häufig sind, ist
wenig über ihren Ursprung bekannt. Eine viel diskutierte Theorie
besagt, dass soziale Angst zum Entstehen von Vorurteilen gegen
Menschen anderer Hautfarbe beitragen kann. Diese Hypothese wird nun
durch Forschungsergebnisse gestützt, die in der Fachzeitschrift
"Current Biology" von Wissenschaftlern des Zentralinstituts für
Seelische Gesundheit in Mannheim sowie des Institut de Neurosciences
Cognitives de la Méditerranée (INCM) in Marseille, Frankreich, im
April 2010 veröffentlicht wurden.

Die Forscher untersuchten Kinder mit einer seltenen genetischen
Störung, dem Williams-Beuren Syndrom. Kinder mit diesem Syndrom weisen
ein besonderes, überfreundliches Verhalten auf, das "Hypersozialität"
genannt wird. Hierbei ist die Sozialangst deutlich verringert, was zu
ungewöhnlich freundlichem Verhalten auch gegenüber Fremden führt, aber
auch die Unfähigkeit bedeutet, soziale Bedrohungen zu erkennen.

In ihrer Studie zeigten die Wissenschaftler Kindern (im Alter von fünf
bis sechzehn Jahren) einige Zeichnungen von Menschen unterschiedlicher
Hautfarbe oder Geschlechts (siehe Abbildungen) und baten sie, diesen
Menschen Eigenschaften zuzuordnen. Gesunde Kinder wiesen sowohl den
Geschlechtern als auch den ethnischen Gruppen stark stereotypisierte
Eigenschaften zu und bestätigten damit frühere Studien, die
aufzeigten, dass solche Stereotypen schon mit drei Jahren voll
entwickelt sind.
In deutlichem Gegensatz dazu, zeigten die Kinder mit dem Williams-
Syndrom keine Hinweise auf Vorurteile bezüglich der Hautfarbe. Männern
und Frauen hingegen wiesen sie in genau dem gleichem Ausmaß wie die
gesunden Kinder stereotype Rollen zu.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Gehirnmechanismen, die zu
verschiedenen Formen von Stereotypen führen, unterschiedlich sein
können, und dass diese durch die genetische Störung, die das Williams-
Syndrom verursacht, selektiv beeinflusst werden. Da das Williams-
Syndrom mit einer deutlichen Verringerung der sozialen Angst verbunden
ist, liegt der Rückschluss nahe, dass soziale Angst eine Rolle bei der
Entwicklung von Rassenvorurteilen spielt, jedoch nicht bei Vorurteilen
bezüglich des Geschlechts. Auf diese Weise erweitert das einzigartige
"Experiment der Natur" des seltenen Williams-Syndroms, unser
Verständnis darüber, wie Vorurteile im Allgemeinen entstehen.

Frühere Arbeiten dieser und anderer Gruppen zeigten, dass soziale
Informationen im Gehirn von Menschen mit Williams-Syndrom anders
verarbeitet werden. Diese Resultate haben Bereiche wie die Amygdala -
einen "Gefahrensensor" des menschlichen Gehirns - der auch bei der
Betrachtung von Menschen anderer ethnischer Gruppen involviert ist,
ins Zentrum des Forschungsinteresses gerückt.

Die vorliegende Studie eröffnet neue Wege zum Verständnis des
entscheidend wichtigen wissenschaftlichen und sozialpolitischen Themas
der Entstehung von Stereotypen und kann für die Entwicklung von
Interventionen zur Reduktion voreingenommenen Verhaltens gegenüber
vulnerablen Gruppen oder Randgruppen der Gesellschaft einen Beitrag
leisten.

Publikation:
Santos1,2 Andreia, Meyer-Lindenberg1 Andreas & Deruelle2 Christine.
Absence of racial, but not gender, stereotyping in Williams syndrome
children.
1Central Institute of Mental Health, Mannheim, Germany;2Mediterranean
Institute of Cognitive Neuroscience, CNRS, Marseille, France. Current
Biology, Volume 20, Issue 7, R307-R308, 13. April 2010.

Arten der Pressemitteilung:
Forschungsergebnisse
Wissenschaftliche Publikationen

Sachgebiete:
Medizin

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.zi-mannheim.de

Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/pages/de/news364121

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