Freitag, 19. März 2010

Wer soll für künstliche Befruchtung zahlen? - RUB-Studie: Experten und Bevölkerung befürworten geringeren Eigenanteil der Ehepaare

Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung


Ruhr-Universität Bochum, Dr. Josef König, 18.03.2010 08:40

Wer soll für künstliche Befruchtung zahlen? -

RUB-Studie: Experten und Bevölkerung befürworten geringeren Eigenanteil der Ehepaare


BMBF-Nachwuchsgruppe "Gerechtigkeit in der modernen Medizin"

Sollen Kinderwunschbehandlungen von den Krankenkassen bezahlt werden?
Diese Frage wird politisch kontrovers diskutiert. Nach Meinung der
Bevölkerung und verschiedener Expertengruppen sollten sich die
betroffenen Paare weiterhin an den Kosten beteiligen, jedoch in
geringerem Umfang. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Bochumer
Nachwuchsgruppe "Gerechtigkeit in der modernen Medizin" (Leitung: Dr.
Oliver Rauprich) des Instituts für Medizinische Ethik und Geschichte
der Medizin der Ruhr-Universität Bochum (Institutsleitung: Prof. Dr.
Dr. Jochen Vollmann).

Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte
Nachwuchsgruppe hat betroffene Paare, die Bevölkerung und verschiedene
Expertengruppen befragt.


Die zentralen Ergebnisse wurden nun in der international führenden Fachzeitschrift
"Human Reproduction" veröffentlicht.

Halbierte Kassenleistung seit 2004

Seit 2004 sind die Leistungen der Krankenkassen für künstliche
Befruchtungen (in-vitro-Fertilisation, IVF) auf die Hälfte der Kosten
von höchstens drei Behandlungsversuchen begrenzt. Die Paare müssen
seitdem einen Eigenanteil von ca. 1.500 bis 1.800 Euro pro Versuch
zahlen. Um die reduzierten Leistungen zu erhalten, müssen sie
verheiratet und zwischen 25 und 40 (Frauen) bzw. 50 Jahre (Männer) alt
sein.

Durch die neue Regelung ist die Zahl der künstlichen
Befruchtungen deutlich zurückgegangen, ebenso die Zahl der mit ihrer
Hilfe geborenen Kinder. Der Bundesrat hat im Sommer 2008 die
Bundesregierung aufgefordert, wieder zur vollen Kostenübernahme
zurückzukehren. Die Bundesregierung hingegen argumentierte, künstliche
Befruchtungen seien versicherungsfremde Leistungen. Sachsen zahlt seit
2009 Zuschüsse zu den Behandlungen.

Umfrage unter der Bevölkerung, Experten und Paaren

Die Bochumer Nachwuchsgruppe "Gerechtigkeit in der modernen Medizin"
befragte die Bevölkerung, Expertengruppen (Reproduktionsmediziner,
psychosoziale Berater, Medizinethiker, Sozialrechtler,
Gesundheitspolitiker) und betroffene Paare zu diesem Thema. Zwar
finden die Mehrheit der Bevölkerung und der Experten und immerhin ein
Drittel aller Paare eine Eigenbeteiligung grundsätzlich angemessen,
aber statt 50% sollte sie nach Ansicht der Befragten bei 15 bis 25%
der Kosten liegen. Zur Finanzierung von Kinderwunschbehandlungen wurde
teilweise einer Erhöhung der Versicherungsbeiträge und teilweise einer
Verwendung von Steuergeldern zugestimmt. "Im Ergebnis stimmt das
Meinungsbild recht gut mit der Regelung in Österreich überein, wo die
Behandlungskosten zwischen den Paaren, der Krankenversicherung und
einen IVF-Fonds aufgeteilt werden", berichtet Dr. Oliver Rauprich,
Leiter der Nachwuchsgruppe.

Moralische Überzeugungen

Ein Einsparpotenzial bei Kinderwunschbehandlungen wurde von den
Experten nicht gesehen. Auch wurde es abgelehnt, Frauen die
Finanzierung ihrer Behandlung durch eine Eizellenspende zu
ermöglichen. Jedoch würden es die Befragten mehrheitlich begrüßen,
wenn die Erfolgsraten der einzelnen IVF-Zentren offen gelegt würden,
um deren Behandlungsqualität vergleichen zu können. In der Studie
wurde zudem untersucht, auf welchen normativen Überzeugungen die
Befürwortung einer Kostenübernahme von Kinderwunschbehandlungen
beruht: Sie war stark korreliert mit den Überzeugungen,
Unfruchtbarkeit sei eine Krankheit, unfruchtbare Paare mit unerfülltem
Kinderwunsch seien behandlungsbedürftig und Kinder bekommen zu können
gehöre zu den grundlegenden Möglichkeiten, die jeder Mensch in seinem
Leben haben sollte.

Weitere Informationen

Dr. Oliver Rauprich, Institut für Medizinische Ethik und Geschichte
der Medizin, Ruhr-Universität Bochum, Markstr. 258a, 44799 Bochum,
Tel.: 0234/32-28656, Fax: 0234/32-14205, E-Mail:
Oliver.Rauprich@rub.de

Arten der Pressemitteilung:
Forschungsergebnisse

Sachgebiete:
Gesellschaft
Medizin
Philosophie / Ethik

Weitere Informationen finden Sie unter
http://humrep.oxfordjournals.org/cgi/content/abstract/deq056 - Link zur Publikation
http://www.rub.de/malakow - Homepage der Arbeitsgruppe

Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/pages/de/news360517

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution2

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