Montag, 22. März 2010

Terrorismus - Die inszenierte Gefahr - Kommunikationswissenschaftler der Universität Jena legen Studie zur



Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Dr. Ute Schönfelder,

27.11.2009 12:15

Terrorismus - Die inszenierte Gefahr

Kommunikationswissenschaftler der Universität Jena legen Studie zur
Fernseh-Berichterstattung vor


Jena (27.11.09) Fast ein Jahrzehnt nach dem 11. September 2001
dominiert in den Abendnachrichten des deutschen Fernsehens noch immer
der islamistische Terrorismus. Über Ursachen wird eher selten
gesprochen. Häufiger werden dagegen Maßnahmen gegen Terrorismus
thematisiert. "Dabei geht es dann oft um Anti-Terror-Gesetze, also den
Schutz der eigenen Bevölkerung oder um militärische Maßnahmen im Nahen
bzw. Mittleren Osten", sagt Prof. Dr. Wolfgang Frindte von der
Friedrich-Schiller-Universität Jena. "Wird im Fernsehen über die
terroristische Bedrohung berichtet, so könnte man außerdem meinen,
dass Deutschland - nach Staaten wie Afghanistan oder Irak und mehr
noch als die USA - zu den am stärksten bedrohten Staaten gehört",
berichtet der Kommunikationspsychologe.

Gemeinsam mit seinen Mitarbeiterinnen sowie Prof. Dr. Bertram
Scheufele - ebenfalls vom Institut für Kommunikationswissenschaft der
Jenaer Universität - hat Frindte in den zurückliegenden zwei Jahren
das Projekt "Terrorismus - mediale Konstruktion und individuelle
Interpretation: Ein friedenswissenschaftlicher Beitrag zur medien- und
sozialwissenschaftlichen Analyse und Bewertung terroristischer
Bedrohungen in Deutschland" bearbeitet. Gefördert wurde die Studie der
Kommunikationswissenschaftler von der Deutschen Stiftung für
Friedensforschung.

Neben den Inhalten der Fernsehnachrichten haben die Jenaer Forscher
Visualisierungsstrategien untersucht und Trends herausgefiltert: Wird
in den Fernsehnachrichten über Terrorismus berichtet, dann werden
vergleichsweise oft Bilder der Opfer terroristischer Gewalttaten
gezeigt. Ebenso geht es auch um mögliche Folgen vereitelter
Terroranschläge, über die mit dramatischen Sprach- und Toneffekten
berichtet wird.

"Deutlicher zeigen sich diese Tendenzen in den
privaten Programmen", so Prof. Frindte.

"Aber auch öffentlich-rechtliche Sender bedienen sich teilweise solcher
Formen der Dramatisierung."

Für ihre Studie haben die Forscher 100 erwachsene Personen, die im
Hinblick auf Mediennutzungsverhalten, Alter und Geschlecht
repräsentativ für die deutsche Gesamtbevölkerung sind, im Verlauf von
zwei Jahren zu drei Zeitpunkten (Ende 2007, Mitte 2008 und Anfang
2009) interviewt. Zudem haben die Kommunikationswissenschaftler
zwischen August 2007 und Februar 2009 die Hauptnachrichten von ARD,
ZDF, RTL und Sat.1 aufgezeichnet und insgesamt 1145
Nachrichtenbeiträge analysiert, in denen Terroranschläge, Terrorismus
und Anti-Terror-Maßnahmen thematisiert wurden.

"Im Ergebnis lässt sich sagen, dass sich das Erleben persönlicher
Bedrohung angesichts der Terrorgefahren über die zwei Jahre hinweg
deutlich verringert hat", sagt Prof. Frindte. Dies decke sich
einerseits mit den Ergebnissen anderer Untersuchungen. "Andererseits
steht diese Einschätzung aber im Widerspruch zu offiziellen
Terrorwarnungen", macht der Kommunikationspsychologe deutlich. Erst im
September, zwei Wochen vor der Bundestagswahl, habe
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble die Gefahr von terroristischen
Anschlägen in Deutschland als unverändert hoch bezeichnet.

Dies ist ein sensibler Befund, wie ein weiteres Ergebnis der Jenaer
Studie zeigt. So befürworten fremdenfeindlich eingestellte Personen,
die Muslime generell ablehnen, verstärkt militärische Einsätze und
verschärfte Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen im sogenannten
"Kampf gegen den Terrorismus". Die Ablehnung von Muslimen begründen
diese Personen gerade mit der Terrorgefahr, die von den Muslimen in
Deutschland ausgehe. "Dies sind vor allem Menschen, die in unserer
Befragung angegeben haben, dass sie in ihrer Meinungsbildung über den
Terrorismus vor allem von stark emotionalisierten und dramatisierenden
Fernsehbildern beeinflusst seien", so Frindte. "Wir wollen keineswegs
die Gefahren, die vom internationalen Terrorismus ausgehen,
bagatellisieren", stellt er klar. "Allerdings wird der Umgang mit
diesen Gefahren nicht leichter, wenn die Terrorgefahren und
Terrorrisiken in medial inszenierter Weise dramatisiert werden."

Kontakt:
Prof. Dr. Wolfgang Frindte
Institut für Kommunikationswissenschaft der Friedrich-Schiller-
Universität Jena
Ernst-Abbe-Platz 8, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 945280 oder 945281
E-Mail: wolfgang.frindte[at]uni-jena.de

Arten der Pressemitteilung:
Forschungsergebnisse

Sachgebiete:
Medien- und Kommunikationswissenschaften
Psychologie

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.uni-jena.de

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