Freitag, 26. März 2010

(...) Lohndumping made in Germany gefährdet die Gemeinschaftswährung(...) (der Freitag)


Liebe Nachbarn, wir zählen auf Euch!

Die zwanghafte Fixierung auf den Export hat eine hohen Preis. Lohndumping made in Germany gefährdet die Gemeinschaftswährung. Schmeißt Deutschland aus der Eurozone!


Ist Wirtschaftswachstum ein Selbstzweck? Wenn man die jüngere Vergangenheit der deutschen Politik betrachtet, könnte man diesen Eindruck gewinnen. Im letzten Jahrzehnt feierte die hiesige Wirtschaft einen Rekord nach dem anderen, während davon beim normalen Bürger so gut wie gar nichts ankam. Das "Gürtel enger schnallen" wurde über die Jahre zum alles bestimmenden Dogma und wir schluckten eine Kröte nach der anderen.

 

Sag mir wer Dich lobt und ich sage Dir, was Du falsch machst – natürlich priesen die so genannten Wirtschaftsexperten die "maßvolle Zurückhaltung" der Arbeitnehmer über den grünen Klee, und der ehemals politische Arm der Gewerkschaften forcierte die zwanghafte Fixierung auf den Export in nie gekannten Dimensionen. Deutschlands Außenhandel ist konkurrenzfähig wie nie zuvor.

Doch zu welchem Preis? Die Reallöhne deutscher Arbeitnehmer dümpeln seit 1995 auf einer Nulllinie, während der Niedriglohnsektor förmlich explodiert und Millionen Deutsche in die Armut abgleiten.

Sieht so das erfolgreichste Land Europas aus? Kann Europa am deutschen Wesen genesen?

Verlierer des deutschen Sparzwangs sind nicht nur die deutschen Arbeitnehmer und Arbeitslosen, die in Vorkrisenzeiten die Bilanzen der Unternehmen durch einen relativen – und oft sogar absoluten – Kaufkraftverlust dopten. Wenn sich die mit Abstand stärkste Volkswirtschaft Europas den Gürtel so eng schnallt, dass sie selbst kaum mehr Luft zum Atmen hat, leiden darunter vor allem unsere Nachbarn, die sich dieser Entwicklung widersetzen.

Dramatische Ungleichgewichte

Zwischen 1995 und 2006 stiegen die Löhne in Deutschland um weniger als 10 Prozent, während sie sich in der EU-15 im Schnitt verdoppelt haben. Sehr zur Freude deutscher Unternehmen gaben unsere Nachbarn ihre Lohnzuwächse auch aus – zum Beispiel für Waren aus dem neuen Niedriglohnland Deutschland. Zwei Drittel aller deutschen Exporte gehen in die EU, mehr als die Hälfte sogar in Staaten der Eurozone. Was sich für Lieschen Müller nach einem durchdachten Konzept der deutschen Wirtschaft anhört, ist bei gesamtwirtschaftlicher Betrachtung jedoch eine einzige Katastrophe.

Handel ist immer dann sinnvoll und nachhaltig, wenn er beiden Seiten nutzt. Der EU-Binnenhandel leidet jedoch unter einem gigantischen schwarzen Loch in der Mitte Europas, das alleine im letzten Jahr aus den sechs Eurozonenländern Belgien, Griechenland, Frankreich, Italien, Portugal und Spanien 367 Milliarden Euro Handelsbilanzüberschüsse aufsaugen konnte. Der Überschuss des Einen muss immer auch das Defizit eines Anderen sein. Ohne die defizitären EU-Nachbarn könnte Deutschland auch nicht Exportweltmeister sein. Derart dramatische Ungleichgewichte destabilisieren ganze Volkswirtschaften – und zwar auf beiden Seiten. Wenn ein Land wie Deutschland auf Kosten seiner Bürger Lohndumping betreibt, vernichtet dies Arbeitsplätze bei den Nachbarn. Weniger Arbeitsplätze und schlechtere Unternehmensergebnisse lassen wiederum die Nachfrage nach deutschen Exportgütern sinken.

Ausweg aus dem Teufelskreis

Normalweise wäre die ganze Diskussion überflüssig, da derartige Ungleichgewichte über Währungskurse ausgeglichen werden. Wenn Deutschland vor der Einführung des Euro Jahr um Jahr mehr Waren nach Griechenland exportiert hat, wertete die D-Mark auf und die Drachme ab. Deutsche Importe verteuerten sich dadurch und griechische Produkte wurden somit im In- und Ausland konkurrenzfähiger. Seit der Einführung des Euro ist dieser Ausgleich nicht mehr möglich und das fortwährende Handelsbilanzdefizit schwächt vor allem die südeuropäischen Länder enorm.

Dabei würde sich ein Ausweg aus diesem Teufelskreislauf anbieten: Deutschland müsste die Binnennachfrage stärken, um einerseits die Importe aus dem europäischen Wirtschaftsraum zu steigern und andererseits die Exportüberschüsse zu senken.

Anders formuliert: Die Löhne müssten hierzulande massiv steigen, um die Eurozone zu stabilisieren.

Mit eben dieser Forderung brach unlängst die französische Finanzministerin Lagarde ein Tabu. Überflüssig zu erwähnen, dass ihr Vorstoß sowohl von den Wirtschaftsverbänden als auch seitens der Politik lapidar als Neiddebatte abgekanzelt wurde. Auf diesem Ohr sind deutsche Entscheider seit langem taub.

Ein Vorschlag

Ginge es nach den Deutschen, müsste ganz Europa die Löhne senken und so "deutscher" werden. Dies würde freilich nur zu einem Kostensenkungswettlauf führen, der auf breiter Fläche Kaufkraft vernichtet. Wer will ein solches Europa? Wenn Kanzlerin Merkel nun den Griechen implizit mit einem Ausschluss aus der Eurozone droht, so ist dies grotesk. Nicht Griechenland, sondern Deutschland stellt ein Problem für die Stabilität der Eurozone dar.

Warum schließt man Deutschland eigentlich nicht aus der Eurozone aus? Wenn unsere Nachbarn den Euro beibehalten und uns unsere heiß geliebte D-Mark wiedergeben, würde diese binnen kürzester Zeit gegenüber nahezu allen anderen Weltwährungen massiv aufwerten müssen. Deutsche Exporte würden sich drastisch verteuern, während Importe hierzulande billiger würden. So wäre das Ungleichgewicht entschärft und der deutsche Arbeitnehmer könnte ohne die "Großzügigkeit" seines Arbeitgebers plötzlich wieder mehr konsumieren. Ein Ausschluss Deutschlands hätte somit viele Gewinner. Liebe Nachbarn, wir zählen auf Euch!

 


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