Samstag, 20. März 2010

--->>> In sozial gleicheren Ländern lebt man durchschnittlich länger und gesünder <<<---


global news 1958 19-03-10:

In sozial gleicheren Ländern lebt man durchschnittlich

länger und gesünder

http://www.jjahnke.net/rundbr69.html#1958



In Großbritannien ist ein relativ neues Buch auf dem Markt, das nun auch in Deutschland erschienen ist: "Gleichheit ist Glück: Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind" von Kate Pickett und Richard Wilkinson. Ich habe gestern durchgeblättert und war eigentlich noch nicht sehr überzeugt, obwohl ich auch dieser These anhänge und sie immer wieder am Beispiel der skandinavischen Länder oder abgeschwächt auch Frankreichs vorführe. Mein Zweifel regte sich an der im Buch aufgestellten Verbindung zwischen zwei statistischen Größen, von denen die eine ziemlich gesichert ist, nämlich das Verhältnis des obersten zum untersten Fünftel der Einkommen, die andere mir aber etwas willkürlich vorkam, nämlich ein Index sozialer und gesundheitlicher Probleme, den die Autoren selbst zusammengestellt haben. Das ist ein Sammelsurium aus Vertrauen, mentaler Gesundheit, Lebenserwartung, Säuglingssterblichkeit, Übergewichtigkeit, schulischer Leistung, Teenager-Geburten, gewaltsamen Tötungen, Gefängnisraten und sozialer Mobilität. Damit kann man natürlich jede Darstellung so hindrechseln, daß sie zu der vertretenen These paßt.

Dann habe ich mich selbst mit den mir zugänglichen neuesten Eurostatdaten beschäftigt. Ich wollte nur harte Statistiken verwenden. Die der Lebenserwartung ist eine solche. Doch zu meiner Überraschung zeigt die für die Alt-EU und Norwegen bei Frauen keinerlei Zusammenhang, oder Regression, wie die Statistiktechniker sagen, mit der Einkommensverteilung und bei Männern nur eine sehr leichte mit vielen Ausreißern (Abb. 15076, Abb. 15075).




Auch das zitierte Buch bringt eine Darstellung von Ungleichheit und Lebenserwartung. Die zeigt etwas Regression, doch ist nicht klar, aus welcher Zeit die Daten sind, und es werden teilweise ziemlich ferne Länder, die für unsere Situation in Europa wenig Vergleichbarkeit haben, vorgeführt, wie Neuseeland, Israel, Japan und Australien. Ich habe diese Darstellung kopfschüttelnd zur Seite gelegt, weil sie mit den neuesten Daten von Eurostat für die Alt-EU nicht im Einklang steht.

Dann kam mir eine Erklärung, warum die Lebenserwartung in Europa im Verhältnis zur Einkommensverteilung keine besondere Regression zeigen kann. Die Lebenserwartung hängt sehr stark von vielen Daten ab, die in Europa keine besonderen sozialbedingten Unterschiede mehr zeigen, wie Säuglingssterblichkeit, Unfall- und Verbrechenshäufigkeit oder Arbeitsstreß. Die Einkommensverhältnisse andererseits haben sich erst in der neoliberalen Entwicklungsphase, also über die letzten 20 Jahre stärker auseinanderentwickelt. Doch die Lebenserwartung bei Geburt stellt fest, in welchem Alter die Menschen heute sterben und blickt damit ziemlich lang in die Vergangenheit.

Also habe ich mich einer anderen Vergleichsgröße zugewandt, nämlich der Erwartung gesunder Lebensjahre im Alter von 65 Jahre. Da wird bei der Einkommensverteilung nicht so lange zurückgeblickt, weil es nur um den Zeitraum zwischen Tod und 65 Jahre geht. Und hier zeigen sich beim Gesundheitszustand im Alter die einkommensbedingten Faktoren, die sich über ein Menschenleben angesammelt haben, deutlicher, nämlich wie gesund oder ungesund sich ein Mensch Zeit seines Lebens ernährt hat oder wieviel schwere physische bzw. gleichförmige Arbeit er auf sich nehmen mußte, ob er in der Hierarchie am unteren Ende die Befehle der Oberen befolgen mußte oder von oben seine Frustrationen an den Unteren auslassen konnte. Auch die Qualität und Häufigkeit der ärztlichen Behandlung kommt ins Spiel, die besonders im Alter wichtig wird, wenn die Krankheitswahrscheinlichkeit am Größten ist.

Und in der Tat: Hier zeigen die beiden Datenreihen eine sehr eindeutige Regression an, einen Zusammenhang zwischen Einkommensverteilung und gesundem Leben im Alter, der nicht zu bezweifeln ist. Da ist der Unterschied zwischen Dänemark und Schweden auf der einen Seite sowie Portugal und Italien enorm (Abb. 15077, 15078).




Übrigens hat Deutschland bei den Frauen den nach Portugal und Italien, bei den Männern nach Portugal und Österreich niedrigsten Wert (Abb. 15079, 15080)




Träumen wir nicht alle von einem gesunden Leben im Alter? Den meisten unter uns ist es nicht oder nur kurz beschert, denn unsere deutsche Gesellschaft ist immer ungleicher geworden. Nachsatz: Trotz meiner Kritik an einer Darstellung ist das Buch sehr zu empfehlen.

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Posted via email from Beiträge von Andreas Rudolf

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