Montag, 22. März 2010

[idw] Cannabinoid lindert die Leiden schwerstkranker Kinder

Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung

Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie e.V., Barbara Ritzert,
20.03.2010 14:13

Cannabinoid lindert die Leiden schwerstkranker Kinder

Der Kinderarzt, Schmerz- und Palliativmediziner Priv. Doz. Dr. Sven
Gottschling vom Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg/Saar
behandelt Kinder, die aufgrund von Erkrankungen wie Krebs, Erbleiden
oder Behinderungen unter starken Schmerzen leiden. Wenn er mit den
herkömmlichen Medikamenten die Pein seiner kleinen Patienten nicht
mehr in den Griff bekommt, verordnet Gottschling seit fünf Jahren
Dronabinol, den halbsynthetisch hergestellten Hauptwirkstoff der
Cannabis-Pflanze. Die Präsentation seiner Fallserie auf dem Deutschen
Schmerz- und Palliativtag in Frankfurt/Main wurde Sven Gottschling
heute mit dem 1. Posterpreis ausgezeichnet.


Noah ist fünf Jahre alt. Er kam mit einem schweren Herzfehler zur
Welt, weitere komplexe Fehlbildungen und ein Krampfleiden kamen hinzu.
"Die Diagnoseliste von Noah umfasst zwei Seiten", sagt Priv. Doz. Dr.
Sven Gottschling, der den kleinen Jungen seit 2007 betreut.
Gottschling gehört zu jener Handvoll Kinderärzte in Deutschland, die
auch eine Zusatzausbildung als Schmerz- und Palliativmediziner haben.
Er ist Leiter des Zentrums für Kinderschmerztherapie und
Palliativmedizin am Universitätsklinikum des Saarlandes.


Noah ist auch auf dem Poster zu sehen, mit dem der 38-jährige
Mediziner seine Kollegen auf dem Deutschen Schmerz- und Palliativtag
in Frankfurt über seine Behandlungsergebnisse mit Dronabinol bei
insgesamt acht schwerkranken Kindern informiert. Seine Präsentation
wurde am heutigen Samstag mit dem 1. Posterpreis ausgezeichnet, der
Jury-Beschluss fiel einstimmig.


Als Gottschling im Jahr 2000 seine Arbeit an der Uniklinik in Homburg
aufnahm, setzten seine Kollegen das Cannabinoid aufgrund seiner
appetitanregenden Wirkung bereits bei krebskranken Kindern ein. Da
Gottschling aber auch bei Kindern mit anderen schweren Erkrankungen
mit einer konventionellen Behandlung immer wieder an Grenzen stieß,
begann er, das Medikament auch bei anderen Erkrankungen einzusetzen.
Inzwischen hat er acht Kinder mit schwersten Mehrfachbehinderungen
behandelt, bei denen er mit der konventionellen Therapie am Ende der
Fahnenstange angekommen war.


Wenn Kinder beispielsweise unter einer spastischen Lähmung leiden, ist
das Mittel der ersten Wahl die Substanz Baclofen. "Doch es gibt immer
wieder Patienten mit schwerster Spastik", weiß Gottschling, "wo wir
das Medikament sehr hoch dosieren müssen, die Wirkung dennoch nicht
ausreichend ist, aber die Nebenwirkungen ausgeprägt sind. Das
Cannabinoid hat auch eine antispastische, eine analgetische und
angstlösende Wirkung. Auch davon profitieren die Kinder.

Wie Gottschling in Frankfurt berichtet, kam es - nach subjektiver
Einschätzung der Eltern - bei allen acht Kindern zum Teil zu einer
deutlichen Besserung der Schmerzen und der Spastik binnen zwei Wochen.
Bei sechs der acht Kinder besserte sich das Durchschlafverhalten. Bei
einigen Kindern konnten die Ärzte auch die Schmerzmitteldosis
reduzieren. Fünf Kinder sind unter Dauertherapie. Die Therapiedauer
liegt zwischen 3 Monaten und 5 Jahren. Gewöhnungseffekte, die eine
Dosissteigerung erforderlich machen würden, hat Gottschling auch bei
der Langzeitanwendung bislang nicht feststellen können.

Das Medikament unterliegt in Deutschland, wie in allen Ländern, dem
Betäubungsmittelrecht. Ärzte können es als Rezepturarznei mit einem
BTM-Rezept verordnen. Wie bei den meisten Arzneimitteln, die
Kinderärzte einsetzen, gibt es keine klinischen Studien mit Kindern.
Die Ärzte müssen sich daher vorsichtig in der Therapie nach vorne
tasten. "In den Dosierungen, die wir einsetzen, sind aber bei unseren
Patienten bislang noch keine nachweisbaren Nebenwirkungen
aufgetreten." Auch mit den Krankenkassen hat Gottschling keine
Probleme, da er seine Fälle immer sorgfältig dokumentiert.


Gottschling ist ab April allerdings nicht mehr nur für Kinder
palliativmedizinisch zuständig: Die Universitätsklinik wird ein
altersübergreifendes Zentrum für Palliativmedizin etablieren. "Wir
erleben nämlich immer wieder, dass beispielsweise Jugendliche, die
palliativmedizinisch betreut werden müssen, der Kindermedizin
entwachsen , aber auch bei der Erwachsenenstation nicht gut aufgehoben
sind." Darum wird sich Gottschling - ab 1. April dann Leitender Arzt
des Zentrums für Palliativmedizin und Kinderschmerztherapie - mit
seinen Kollegen um Palliativpatienten in jedem Alter kümmern - vom 500
Gramm leichten Frühgeborenen bis zum alten Menschen am Lebensende.


Was die Kinderpalliativmedizin von der Palliativbehandlung Erwachsener
unterscheidet ist die Tatsache, dass die Kinder oft viele Jahre lang
betreut werden. Es kommt in dieser Zeit zwar immer wieder zu Krisen,
in denen die Kleinen eine besonders intensive Behandlung brauchen,
danach sind sie aber wieder für einige Zeit stabil.


Noahs Mutter rief Gottschling vor wenigen Tagen an, um dem Arzt zu
berichten, dass sie das starke Schmerzmittel (Opioid) das Noah
ebenfalls benötigt, etwas geringer dosieren wird, da sie den Eindruck
hat, dass er weniger braucht.

Bildmaterial kann bei der Pressestelle angefordert werden.

Pressestelle Deutscher Schmerz- und Palliativtag 2010
Barbara Ritzert · ProScience Communications GmbH
Andechser Weg 17 · 82343 Pöcking ·
Tel: 08157 9397-0 · Fax: 08157 9397-97
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Forschungsergebnisse
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