Donnerstag, 25. Februar 2010

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Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung

Universität Leipzig, Dr. Manuela Rutsatz, 25.02.2010 16:20


Wie man sich bettet, so denkt man


Wissenschaftler der Universität Leipzig und der Universität Würzburg
machten unlängst eine spannende, skurril anmutende Entdeckung: Je
schiefer sich ein Patient in sein Bett legt, desto schwerer könnte der
Grad seiner kognitiven Beeinträchtigung sein. Wenn eine Schräglage
beim Patienten festgestellt wird, kann eine Demenz oder ein Vorstadium
der Demenz vorliegen; das berichtet eine Publikation im "British
Medical Journal."

Das Besondere an dieser Entdeckung ist, dass der behandelnde Arzt noch
vor der Anwendung spezieller Testverfahren schon aus der bloßen
Beobachtung des spontanen Verhaltens eines Patienten einen Hinweis
darauf erhält, dass die kognitive Leistungsfähigkeit eines Patienten
beeinträchtigt sein könnte. So können neue diagnostische Überlegungen
gezielter und Behandlungsmöglichkeiten früher eingeleitet werden.


Die Studie wurde kürzlich im renommierten Fachjournal "British Medical
Journal" veröffentlicht ("Lying obliquely - a clinical sign of
cognitive impairment: cross sectional observational study", BMJ.2009,
Dec 16; 339: b5273).


Räumliche Orientierungsstörung


Prof. Dr. med. Joseph Claßen, Direktor der Klinik und Poliklinik für
Neurologie, und sein Team führen die Schräglage auf eine räumliche
Orientierungsstörung zurück, die es den Betroffenen unmöglich macht,
sich selbst in einem umgrenzten Raum zu positionieren. Für die
Erhebung wurden die Patienten der Neurologie gebeten, sich aus dem
Sitzen heraus in ihr Bett zu legen. Die Positionierung des Patienten
wurde dann mit einer Überkopfkamera festgehalten. Patienten, die sich
wegen anderer Störungen nicht ausreichend bewegen konnten, wurden in
der Studie nicht berücksichtigt.


Um den Grad der kognitiven Störung zu ermitteln, führten die Spezialisten drei
etablierte neuropsychologische Testverfahren mit den Patienten durch, den Mini-
Mental-Screeningtest, DemTect-Test und Uhrzeichentest. Das Resultat
war für alle Testverfahren eindeutig: Der Grad der Schieflage und die
Schwere der Beeinträchtigung standen miteinander in enger Beziehung.
Je schiefer sich jemand hinlegt, desto stärker ist demnach auch seine
kognitive Leistungsfähigkeit gestört. Die Fähigkeit, den eigenen
Körper in einem äußeren gegebenen Rahmen zu positionieren, ist
offenbar auch schon in Vorstadien einer Demenz eingeschränkt. Allen
Neurologen wurden Bilder einer verschieden schräg liegenden Person
gezeigt, um zu ermitteln, welche Position als "schräg" empfunden wird.
Eine Abweichung von 7° und mehr von der Längsachse des Bettes wurde
von 90 % aller mitwirkenden Neurologen mit dem bloßen Auge als
deutlich schief erkannt. Neurologen oder andere Ärzte müssen also den
Winkel nicht nachmessen, sondern können sich auf ihre eigene
Einschätzung verlassen.


Wenn den behandelnden Ärzten eine Schräglage eines Patienten auffällt, sollten sie
daran denken, dass der Patient mit hoher Wahrscheinlichkeit kognitiv beeinträchtigt ist.


Klinische Zeichen


"Kognitive Störungen sind im Frühstadium in der Regel nicht ohne
aufwändige Testung erkennbar. Eine Schräglage stellt ein Indiz für den
behandelnden Arzt dar, denn gesunde Erwachsene legen sich spontan
gerade ins Bett. Der Arzt kann nun früher seine Aufmerksamkeit auf
eine mögliche kognitive Beeinträchtigung richten und weitere
Untersuchungen gezielter vornehmen. Wir hoffen, dass auf diese Weise
die frühe Erkennung einer Demenzerkrankung begünstigt wird", erklärt
Claßen, Spezialist für Bewegungsstörungen und Schlaganfälle. Die
Studie zeigt: Was Ärzte in einer normalen Visite als deutlich schief
erkennen, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer kognitiven
Beeinträchtigung assoziiert. Andere etablierte klinische Zeichen, wie
etwa ein Suchreflex beim Streicheln der Wange eines Patienten oder ein
ausgeprägter Greifreflex beim Händeschütteln, lassen sich nur bei bei
einer bereits fortgeschrittenen Demenz schließen. Mit der schiefen
Positionierung im Bett wurde ein neues einfaches klinisches Zeichen
entdeckt, das eine kognitive Störung früher aufdecken und Einblick in
die Entwicklung von Demenzerkrankungen geben könnte.


Kontakt:

Prof. Dr. Josef Claßen
Telefon: +49 341 97-24200
E-Mail: josef.classen@medizin.uni-leipzig.de

Arten der Pressemitteilung:
Forschungsergebnisse

Sachgebiete:
Medizin

Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/pages/de/news357295

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution232

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